Floridas Oberstes Gericht macht die Wahl im Herbst spannend: Es erlaubt einerseits ein weitgehendes Abtreibungsverbot und lässt anderseits eine Volksabstimmung zum Recht auf Abtreibung zu. Die Demokraten wittern die Chance auf ein Comeback im Sunshine State.
Die konservative Richtermehrheit an Floridas Supreme Court verwarf am Montag die bisherige Interpretation der gliedstaatlichen Verfassung. Aus dem im Grundgesetz verbrieften Recht auf Privatsphäre liesse sich kein Recht auf Abtreibung ableiten, urteilte das Oberste Gericht. Es stützte damit das geltende Abtreibungsgesetz, das Abbrüche nach der 15. Woche verbietet. Gleichzeitig gab es damit aber auch grünes Licht für eine noch restriktivere Regelung, die Abtreibungen bereits nach 6 Schwangerschaftswochen untersagt. Der republikanische Gouverneur Ron DeSantis hatte dieses Gesetz bereits vor einem Jahr unterzeichnet. Nun kann es am 1. Mai in Kraft treten.
Ein Mittel zur Mobilisierung
In einem zweiten Urteil hiessen die Richter jedoch auch eine Volksinitiative gut, die ein weitgehendes Recht auf Abtreibung in der floridianischen Verfassung verankern will. Gemäss der Vorlage sollen Schwangerschaftsabbrüche bis zur «Lebensfähigkeit» des Fötus ausserhalb des Mutterleibs erlaubt sein – also ungefähr bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Dies entspricht der Frist, die in den USA bis vor zwei Jahren landesweit galt. Der amerikanische Supreme Court hatte es so in seinem Leiturteil Roe v. Wade 1973 festgelegt. Doch vor zwei Jahren annullierten die Obersten Richter in Washington diese Entscheidung und damit auch das nationale Recht auf Abtreibung.
Die Initianten in Florida sammelten über eine Million Unterschriften für ihre Initiative im vergangenen Jahr. Wobei es sich bei 150 000 der Unterzeichnenden um republikanische Wähler handeln soll. Trotzdem klagte Floridas konservative Justizministerin gegen die Vorlage. Der Abstimmungstext sei zu vage und zu kompliziert für die Wähler, argumentierte sie. Doch eine knappe Mehrheit der Richter sah dies anders und erlaubte die Abstimmung über die Verfassungsänderung im November.
Im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im November ist dies für die Demokraten eine gute Nachricht. Zwar braucht es für die Annahme der Initiative eine Mehrheit von 60 Prozent der Stimmen. Doch unabhängig vom Abstimmungsresultat hoffen die Linken mit dem Abtreibungsthema viele Wähler mobilisieren zu können.
In den nächsten sechs Monaten werden Frauen, Paare und Familien in Florida am eigenen Leib erleben, was ein restriktives Abtreibungsgesetz für sie bedeutet. Viele Frauen wissen nach sechs Wochen nicht einmal, dass sie schwanger sind. Falls sie sich danach für eine legale Abtreibung entscheiden, müssen sie dafür in einen liberalen Gliedstaat reisen. Da Florida mit 22 Millionen Einwohnern einer der bevölkerungsreichsten Gliedstaaten der USA ist, wird dies die verbleibenden Abtreibungskliniken im Rest des Landes zusätzlich überlasten und die Wartezeiten verlängern. Mit der Abstimmungsvorlage in Florida können die Demokraten ihren Wählern eine konkrete Lösung für diese Probleme anbieten.
Biden sieht sich gestärkt
In den vergangenen Jahren standen die Linken bei Wahlen auf nationaler und lokaler Ebene im Sunshine State auf verlorenem Posten. Bei seiner glänzenden Wiederwahl vor zwei Jahren gewann der republikanische Gouverneur Ron DeSantis sogar Mehrheiten in den bisherigen linken Hochburgen in und rund um Miami. Die Urteile des Obersten Gerichts am Montag geben den Demokraten für die Präsidentschaftswahl im November nun aber neue Hoffnung auf ein Comeback. Zumal die Richter gleichzeitig auch noch grünes Licht für eine Abstimmungsvorlage zur Legalisierung von Marihuana gaben. «Florida ist zurück im Spiel», sagte Nikki Fried, die lokale Parteivorsitzende der Demokraten, gegenüber der «Washington Post».
Auch Präsident Joe Bidens Wahlkampfmanagerin Julie Chávez Rodriguez signalisierte vorsichtigen Optimismus. Es sei nicht einfach für Biden, in Florida zu gewinnen. Aber nun befinde er sich im Sunshine State gegenüber Donald Trump in einer stärkeren Position als noch 2020, analysierte Rodriguez am Montag. Noch liegt der Präsident in dem Gliedstaat in den Umfragen jedoch 3 bis 10 Prozentpunkte hinter seinem Amtsvorgänger.