Samstag, September 28

Der Gründer der Flowbank, Charles Henri Sabet, geht in die Offensive und plant eine Klage gegen die Finanzmarktaufsicht. Zeigen die Bankenaufseher mit ihrem Durchgreifen bereits neue Härte?

Die Genfer Flowbank gibt nicht auf. Im Gegenteil, die vergangene Woche von der Finanzmarktaufsicht (Finma) in den Konkurs geschickte Online-Bank bereitet sich auf einen juristischen Gegenschlag vor. Am Freitag wandte sich der Mehrheitsaktionär der Bank, Charles Henri Sabet, an die Öffentlichkeit und verurteilte die Entscheidung der Finma «aufs Schärfste». Der Entscheid «entbehre jeglicher sachlicher Grundlage», lässt er sich in einer Mitteilung zitieren.

Die Finma hatte den Konkurs über die Flowbank eröffnet, weil die Bank über zu wenig Kapital für den Geschäftsbetrieb verfügte, zudem habe die Gefahr einer Überschuldung gedroht. Die 2020 gegründete Online-Bank wurde in den letzten Jahren wiederholt wegen Verstössen gegen Bankenvorschriften gerügt. Die Finma hatte zwei Disziplinarverfahren (enforcements) gegen das Institut eröffnet und ihr im März sogar die Banklizenz entzogen.

Liquidation statt «Rettung»

Trotz dieser Vorgeschichte kam der Konkurs für den Flowbank-Chef Sabet aus heiterem Himmel: «Ich dachte, es sei ein Witz. Ich wurde total überrascht. Sicherheitsleute forderten mich auf, mein Büro unverzüglich zu verlassen», sagt er im Gespräch.

Ein Hauptgrund für den Zwangskonkurs ist die Kapitalausstattung. Als kleine Bank der Kategorie 5 liegt für die Flowbank die gesetzliche Mindestanforderung bei 8 Prozent der gewichteten Positionen. Diese Anforderung war verletzt, bestätigt die Finma auf Anfrage.

Die Neobank war aber im Vorfeld des verordneten Konkurses von der Finma angewiesen worden, innerhalb von fünf Tagen eine Kapitalerhöhung von 25 Millionen Franken durchzuführen. Das Geld soll fristgemäss auf ein Sperrkonto überwiesen worden sein. «Doch anstatt die Kapitalmassnahme zu genehmigen, entschied die Finma, uns in Liquidation zu schicken», sagt Sabet. «Wir hatten genug Kapital – wenn die Finma die Kapitalerhöhung zugelassen hätte.» Liquidität für den Bankbetrieb sei zudem immer genügend vorhanden gewesen.

«Den Entscheid der Finma verstehen wir nicht; wir möchten ihn anfechten», sagt er. Ob und in welcher Form die Bank juristisch vorgehen wird, entscheidet sich im August. Anwälte bereiten derzeit ein mögliches Verfahren vor. Sabet lässt sich von einer Kanzlei beraten, die mit den Vorgehensweisen der Finma vertraut ist. Zahlreiche Kanzleien scheinen mit umstrittenen Entscheiden der Finma offensichtlich ein neues Betätigungsfeld gefunden zu haben.

Auch der bekannte Lobbyist Thomas Borer hat sich auf die Seite der Flowbank geschlagen und schiesst gegen die Finma. Für den Ex-Botschafter ist das Verhalten der Behörde geprägt von «schweren rechtlichen Verfehlungen und Mängeln». Es zeige deutlich, «dass die Finma weder die Sachkunde besitzt, Institute mit neuen, innovativen Geschäftsmodellen zu kontrollieren, noch die rechtliche Expertise, ihre Kontrolle rechtsstaatlich korrekt umzusetzen».

Finma hat grundlegende Zweifel

Die Finma stellt sich auf den Standpunkt, dass die vom Flowbank-Hauptaktionär Sabet vorgeschlagene Notfinanzierung «keine bewilligungsfähige Lösung» gewesen sei. Die beabsichtigte Kapitalerhöhung habe derart «grundlegende Zweifel» aufgeworfen, dass eine Genehmigung nicht infrage gekommen sei, heisst es in einer schriftlichen Stellungnahme. Dem Vernehmen nach soll es sich bei der geplanten Kapitalspritze um ein Darlehen von Dritten gehandelt haben. Vor diesem Hintergrund habe die Finma mit Blick auf den Einlegerschutz die schwere Verletzung der Eigenmittelanforderungen nicht länger tolerieren können.

Auch gegen die Vorhaltung, der Zwangskonkurs komme überraschend, wehrt sich die Finma. Die Behörde stehe seit Monaten in sehr engem Kontakt mit der Bank. Nicht nur wegen Unterschreitung der Kapitalvorgaben, auch wegen vieler anderer Missstände. Der Flowbank sei die Erwartung der Finma bezüglich Kapitalsituation seit langer Zeit bewusst gewesen: «Die Bank hatte ausreichend Zeit, rechtzeitig Kapital einzuschiessen oder alternative Lösungen, etwa einen Verkauf, zu unterbreiten», schreiben die Bankenaufseher.

Neue Härte: Flowbank als Exempel

Die Verfehlungen der Flowbank sind offenkundig. Die Liste reicht von Mängeln bei der Kapitalausstattung, bei der Organisation, im Risiko-Management bis zur Finanzberichterstattung. Dennoch überrascht das harte Vorgehen der Aufseher, zumal solches Durchgreifen selten ist. Zuletzt schickte die Finma 2015 die Bank Hottinger in den Konkurs, damals ebenfalls wegen drohender Überschuldung und weil eine Sanierung aussichtslos erschien.

Fährt die Finma unter ihrem neuen Chef Stefan Walter also bereits einen härteren Kurs? Für den Flowbank-Berater Borer ist der Fall klar. Nach dem Desaster bei der Rettung der CS wolle die neue Führung «nunmehr Stärke und Handlungsbereitschaft zeigen und damit ihre Scharte auswetzen». An der Flowbank werde nun ein Exempel statuiert.

Dabei ging die Finma die Neobank schon vor dem Amtsantritt Walters im April dezidiert an. Denn mit dem Entzug der Banklizenz hätte die Behörde der Bank bereits im März das Genick brechen können. Doch den Entscheid fochten Anwälte an, der Lizenzentzug wurde deshalb nicht rechtskräftig. Weder die Flowbank-Mitarbeitenden noch die Öffentlichkeit erfuhren etwas davon.

Die Finma hat gemäss ihrer Usanz und gesetzlichen Einschränkungen während Jahren auch nichts über die vielen Mängel bei der Neobank öffentlich gemacht – bis zum Liquidations-Befehl vom 13. Juni. Lediglich aus Medienberichten über häufige Personalwechsel und Verluste liess sich ableiten, dass die Bank fundamentale Probleme hatte.

Der Finma mussten die Probleme bewusst sein, denn sie war bei der Flowbank in der Mitte des Geschehens. Nach Entzug der Banklizenz setzte die Aufsicht einen «Monitor» bei der Bank ein, das ist ein von der Finma beauftragter Aufpasser. Er musste dafür sorgen, dass der Bank keine Mittel abgezogen werden. Zudem sollen sich Dutzende Berater der Prüfgesellschaft EY im Auftrag der Finma mit der Flowbank befasst haben. Der Aufwand der Berater, der mehr als 10 Millionen Franken betragen soll, wurde der Neobank verrechnet, was sie finanziell zusätzlich belastete.

Charles Henri Sabet räumt ein, dass es Missverständnisse mit den Aufsehern gab. «Ich glaube, sie verstehen nicht, wie kleine Banken oder Startups funktionieren.» Nun ist seine Zeit als Bankenchef vorbei. Dennoch ist er überzeugt, dass die Flowbank trotz allen Problemen eine Erfolgsgeschichte hätte werden können. «Unser Geschäftsmodell hat sich bewährt und ist profitabel», sagt er. Doch nun wünsche er sich, dass die 147 Bankmitarbeiter neue Jobs fänden und es zu einer «Anschlusslösung» für die 22 000 Kunden komme.

Rückerstattung kann Zeit brauchen

Am Hauptsitz in Genf und in der Niederlassung in Zürich haben derweil die Anwälte von Walder und Wyss das Kommando übernommen. Aus dem Umfeld der Bank ist zu hören, dass sämtliche Mitarbeiter freigestellt wurden, die Löhne werden aber weiter gezahlt. Derweil fliessen sämtliche verbliebenen Vermögenswerte in die Konkursmasse, die von den Liquidatoren verwaltet wird.

Gemäss Finma werden privilegierte Kundeneinlagen bis 100 000 Franken rasch zurückerstattet werden. Die nichtprivilegierten Einlagen über diesem Limit, dem Vernehmen nach betrifft das viele Konten, sollen gemäss einem Kollokationsplan ausgezahlt werden, was Zeit braucht.

Die Wertschriftendepots fallen nicht in die Konkursmasse und werden gesondert an die Kunden übertragen. Dieser Vorgang dürfte mehrere Wochen beanspruchen. Bei Krypto-Werten müsse jedes Produkt einzeln geprüft werden – eine Rückzahlung ist dort also ungewiss.

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