Sonntag, November 24

Der Frankfurter Airportinhaber hat jahrelang in seine Infrastruktur investiert – jetzt ist ein Ende absehbar. Das dürfte die Stimmung für die unbeliebten Aktien drehen. Fraport hat gute Chancen, den Abstand zum Überflieger-Titel Flughafen Zürich zu verringern.

Am Frankfurter Flughafen staunt selbst der Vielflieger nicht schlecht. Das Gepäck gibt er an einem der Automatenschalter ja längst völlig selbständig auf. Doch neuerdings bleibt nun auch das Handgepäck bei der Sicherheitskontrolle dank CT-Scanner ungeöffnet – trotz Handy, Laptop und Flüssigkeiten darin. Brauchte ein Passagier früher im Schnitt vier Plastikwannen, um dort sein Gepäck und seine Gegenstände zum Durchleuchten hineinzulegen, sind es jetzt nur noch eine bis zwei.

Das verkürzt die Wartezeit beim Security Check erheblich. In absoluten Spitzenzeiten kann sie zwar immer noch bei bis zu zwanzig Minuten liegen, früher waren es aber schon einmal vierzig bis fünfzig Minuten. Und Zeit ist schliesslich Geld für den Flughafenbetreiber Fraport. Mittlerweile hat er denn auch drei Sicherheitsunternehmen für die Kontrollen engagiert, vor der Pandemie waren es noch deren zwei. «Vor Corona», so heisst es beim MDax-Unternehmen immer wieder.

Denn man sehnt sich nach dem Erfolg, den man 2019 hatte, als in Frankfurt 70,6 Mio. Passagiere abflogen und landeten, so viele wie noch nie. Das war die Zeit, als man sich noch Europas viertgrösster Airport nennen konnte (heute Nummer sechs hinter London Heathrow, Istanbul, Paris, Amsterdam und Madrid) und als man noch eine Dividende an die Aktionäre zahlte. Das Rekordjahr ist zur ultimativen Messlatte geworden. Und anders als etwa der Flughafen Zürich hat Fraport die Kurve immer noch nicht gekriegt – ausgerechnet im hundertsten Jahr des Bestehens des Unternehmens.

Während sich die Aktien des Schweizer Flughafenbetreibers nach dem Coronaabsturz nämlich im stetigen Steigflug befinden, hielten Fraport vor allem Shortseller die Treue. Sie setzen auf sinkende Kurse. So befand sich der Frankfurter Flughafenbetreiber noch Anfang September unter den grössten zehn Shortpositionen in Deutschland, ist aber nicht mehr ganz vorne zu finden. Die Titel laufen seitwärts und sind günstig bewertet, weshalb sie einen genaueren Blick wert sind. Die schlechte Kursentwicklung hat zwar Gründe, die könnten jedoch bald der Vergangenheit angehören.

Noch Aufholpotenzial beim Passagieraufkommen

In Zürich hat sich das Passagieraufkommen nahezu auf das Niveau von 2019 erholt. Im ersten Halbjahr 2024 zählten die Zürcher 14,5 Mio. Passagiere, was 97% der Fluggäste von 2019 entspricht. In Frankfurt waren es mit 28,8 Mio. Passagieren fast doppelt so viele, aber nur 85,5% des Vor-Covid-Werts. Für das Gesamtjahr peilt Fraport mittlerweile nur noch «die untere Hälfte der genannten Bandbreite von etwa 61 bis 65 Mio. Fluggästen» an.

Schuld daran sind vor allem die Flugzeugbauer. Airbus-Maschinen fallen wegen eines Werkstattrückrufs bei den Turbinen von Pratt & Whitney häufiger aus, während Boeing die Produktion ihrer Mittelstreckenjets wegen Qualitätsmängeln nicht hochfahren darf. Die Lufthansa vermisse mehr neue Boeing-Jets, als sie bei der Hauptmarke Lufthansa Airlines im Einsatz habe, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr am 30. September bei einem Gespräch mit Medienvertretern.

Das alles sorgt am Ende der Kette für weniger Flüge. Ein gewisses Klumpenrisiko ist dabei nicht abzustreiten. 71,6% der Passagiere in Frankfurt flogen im vergangenen Jahr mit der Lufthansa oder ihren Töchtern Eurowings Discover und Air Dolomiti sowie mit Star-Alliance-Partner United Airlines und mit Condor.

Fliegen ist in Zeiten von Klimawandel, Home Office und Videokonferenzen jedoch keineswegs out. «Der Sitzladefaktor ist mit derzeit mehr als 86% auf einem Allzeithoch, und dass nicht, weil das Fluggerät kleiner geworden ist», sagt ein Unternehmenssprecher von Fraport. Es sei «kein Nachfragethema». Doch Fraport sind in Sachen Angebot faktisch die Hände gebunden, wenn Airlines wie der Lufthansa die Flieger fehlen.

Für den Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft ist aber noch ein anderer Mitschuldiger ausgemacht: die Politik. Oder genauer gesagt: die hohen Standortkosten. So ist die deutsche Luftverkehrsteuer per 1. Mai 24% gestiegen. Während pro One-Way-Flug in Europa von einem deutschen Airport aus mittlerweile etwa 30 € des Ticketpreises auf Steuern und Gebühren entfallen, sind es in Paris rund 15 € und in Madrid sogar nur 4.50 €. Neben der Luftverkehrsteuer, die gut die Hälfte des Betrags ausmacht, werden noch die Luftsicherheitsgebühr (Abtasten am Flughafen) und die Flugsicherungsgebühr (Tower) fällig. Dies lasse Flugreisende und Airlines womöglich umdisponieren.

Neues Terminal bald fertig

Das allein erklärt die schlechte Performance von Fraport und die Unbeliebtheit der Aktien aber noch nicht. Investoren schauen nämlich besonders gern auf die liquiden Mittel: Der freie Cashflow ist bei Fraport seit fünf Jahren negativ, die Verschuldung entsprechend hoch. Denn Fraport baut in Frankfurt ein drittes Terminal, kurz T3, für 4 Mrd. €. Man sei im Zeitplan, heisst es aus der Konzernzentrale. Nach Ostern 2026 soll der reguläre Betrieb starten, bis zu 20 Mio. Fluggäste werden am neuen Terminal erwartet.

Geht T3 an den Start, wird T2 zur Baustelle und wird vorübergehend für den Personenflugverkehr stillgelegt. Der Flughafenbetreiber will das mittlerweile dreissig Jahre alte Terminal überholen, so kostenintensiv wie der Neubau von T3 wird das aber nicht. In Sachen jährliche Kapazität bedeutet der Schritt: Unter dem Strich liegen 7 bis 8 Mio. mehr Passagiere drin.

Auffällig ist, dass die Investitionen deutlich über den Abschreibungen liegen. Fraport investiert in zukünftiges Wachstum. Allein 2023 war es mit 1,5 Mrd. € dreimal so viel, wie in den Büchern zur Abschreibung und Amortisation stand. Und der freie Cashflow könnte ab 2025 positiv sein, wenn es nach der Einschätzung von Fraport geht. «In diesem Jahr ist der Investitionshöhepunkt erreicht», sagt ein Unternehmenssprecher. Die Trendwende beim freien Cashflow lässt die Hoffnung aufkeimen, dass der Flughafenbetreiber eine Dividende auszahlen kann. Das dürfte frühestens 2026 der Fall sein.

Auf lange Sicht sollte es auch gelingen, den hohen Schuldenberg von netto 7,7 Mrd. € abzutragen. 2023 entsprach dies dem 6,4-Fachen des Ebitda. 2022 hatte Fraport noch das 6,9-Fache an Netto-Finanzschulden.

Globaler Flughafenausbau

Frankfurt ist allerdings nicht der einzige Airport, den Fraport betreibt, und nicht der einzige Standort, in den sie investiert. Der Flughafen im peruanischen Lima zählte zuletzt 21,2 Mio. Passagiere. Dort wird im Dezember ebenfalls ein neues Terminal eröffnet. Fraport hält 80% am Drehkreuz. In der Türkei sind die Frankfurter zu 51% am Flughafen in Antalya beteiligt und stellen dort – voraussichtlich im ersten Quartal 2025 – ein neues Terminal in Dienst. Der Airport verzeichnete im vergangenen Jahr 35,7 Mio. Fluggäste. 65% hält Fraport an vierzehn regionalen griechischen Flughäfen (33,9 Mio. Passagiere). Weitere Engagements gibt es in Brasilien, Slowenien und Bulgarien. In den USA besitzt Fraport an sieben Airports Detailhandelskonzessionen.

Während in Griechenland (112%) und in Antalya (101%) im vergangenen Jahr bereits wieder mehr Passagiere in einen Flieger ein- oder ausgestiegen sind als vor Corona, hinken Lima (90%) und Brasilien (84%) ebenso wie Frankfurt hinterher. In Brasilien stand der Airport in Porto Alegre, einer von zwei Fraport-Standorten in dem lateinamerikanischen Land, zuletzt wegen Überschwemmungen still.

Von ihrem 10%igen Anteil am indischen Flughafen in Delhi hat sich Fraport getrennt. Die Deutschen haben dafür 126 Mio. $ erhalten, die zur Schuldentilgung eingesetzt werden. 2006 zahlten sie für die Beteiligung rund 40 Mio. $. Die Transaktion soll im ersten Quartal 2025 abgeschlossen sein. Fraport bleibt danach als Berater an Bord.

Im vergangenen Jahr erzielte Fraport einen Umsatz von 4 Mrd. €, 2024 und 2025 soll er erneut wachsen. Der Gewinn je Aktie betrug 4.26 €. Operativ läuft es also nicht so schlecht.

Aktien handeln unter Buchwert

Der langjährige Fraport-Chef Stefan Schulte, dessen Vertrag noch bis Ende August 2027 läuft, hat sich die internationale Expansion auf die Fahne geschrieben. Value-Investoren sehen gerade die von Schulte geschätzten internationalen Beteiligungen allerdings kritisch. «Es gibt allerlei geopolitische Risiken, so ist zum Beispiel ein Flughafen in der Türkei auf Erdoğans Wohlwollen angewiesen», sagt ein Fondsmanager. Doch auch er räumt ein, dass die Fraport-Aktien günstig bewertet seien.

Die Titel werden knapp unter dem Buchwert gehandelt, während das langfristige Mittel des Kurs-Buchwert-Verhältnisses (KBV) bei 1,43 liegt. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis basierend auf der Gewinnschätzung für 2025 beträgt gut 9. Die Eigenkapitalrendite fällt mit 10,6% auf den ersten Blick niedrig aus. Sie lag gemäss Bloomberg-Daten in der Historie der Frankfurter aber noch nie höher als 12,4%.

Da lohnt sich immer ein Blick auf die Managementtransaktionen. Wenn ein gut informiertes Geschäftsleitungsmitglied Aktien fürs eigene Depot kauft, kann dies auf einen attraktiven Preis hindeuten. Zuletzt investierte Personalchefin Julia Kranenberg im Mai in Fraport-Titel zu einem Kurs von 51.08 € und im Januar zu 53.31 €. Analysten haben gemäss Konsensschätzungen ein Kursziel von 57.39 € ausgerufen. Gegenwärtig liegt der Kurs bei rund 48 €.

Flughafenvaloren brauchen starke Nerven

Langfristige Investitionszyklen gehören bei Flughafenbetreibern dazu, wie auch eine staatliche Beteiligung. Bei Fraport ist das Land Hessen mit 31,3% und die Stadt Frankfurt über die Stadtwerke mit 20,9% beteiligt sowie die Lufthansa mit 8,4%. Das Geschäft ist zudem volatil und die Nachfrage von der Konjunktur und der geopolitischen Sicherheitslage abhängig. Weitere Risikofaktoren können Pandemien, Terrorismus, Streiks, unvorhersehbares Wetter und Klimaaktivisten sein, die die Start- und Landebahnen blockieren. Wer in Aktien aus der Luftfahrtbranche investiert, braucht also starke Nerven.

Im Vergleich zum Flughafen Zürich wirkt der Bewertungsabschlag von Fraport aber allzu gross. Eine gewisse Prämie für die Schweizer bleibt gerechtfertigt, haben sie doch eine Ebitda-Marge von 54,7% zu bieten. Bei Fraport sind es immerhin 30,1%. In Frankfurt stehen die Chancen für eine Trendwende nicht schlecht, sobald die Probleme bei Boeing und bei den Turbinen in einigen Airbus-Maschinen kleiner werden. Das neue Terminal 3 verspricht mehr Kapazität, Effizienzgewinne und nach dem Ende der Bauarbeiten sinkende Investitionen. Das ist langfristig ein attraktiver Mix für günstige Aktien.

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