Feuerwehrwagen, Ambulanzen und Baustellenfahrzeuge: Auch Spezialgefährte sind zunehmend elektrisch unterwegs.
In Basel rückt die Berufsfeuerwehr an, ohne ein Geräusch zu verursachen. Im Ernstfall heulen meist die Sirenen – doch die Motoren bleiben auch dann stumm, wenn die Einsatzkräfte mit Höchstgeschwindigkeit durch die Strassen jagen. Ein immer grösserer Teil der Feuerwehrfahrzeuge bewegt sich mit Strom.
Die Flotte nach und nach zu elektrifizieren, das sei das erklärte Ziel des Kantons Basel-Stadt, erklärt Toprak Yerguz. Er ist Sprecher des Basler Justiz- und Sicherheitsdepartements, dem die Berufsfeuerwehr unterstellt ist.
Was nach politischem Idealismus klingen möge, habe man bisher problemlos umsetzen können, versichert Yerguz. Mit der Technik habe es keinerlei Schwierigkeiten gegeben. Sogar hochspezialisierte Gefährte wie Löschfahrzeuge bewegten sich heute selbstverständlich mit Elektromotor. Polizeiwagen sind in Basel bereits seit 2019 mit Elektromotoren ausgestattet.
Als für die Berufsfeuerwehr vor zwei Jahren neun neue Kastenwagen angeschafft werden sollten, war deshalb klar, dass auch diese mit Strom fahren müssen.
Im Gegensatz zu ihrem täglichen Einsatz sind solche Gefährte in der Beschaffung aber immer noch eine Herausforderung. «Der Markt für spezialisierte Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb ist noch ziemlich klein», sagt Yerguz.
Als weitere Einschränkung kam im Fall der Feuerwehr dazu, dass die Fahrzeuge absolut zuverlässig sein müssen. Experimente kamen nicht infrage. Die Wagen müssen die richtige Balance aus Massanfertigung und erprobter Technologie schaffen. Fündig wurde man bei einem noch unbekannten Hersteller aus dem Kanton Zürich.
Eine «Fahrzeugmanufaktur» mitten in Winterthur
An einem Freitagabend im März 2023 sah es für Duga Hoti, Bill Zollinger und Flux Mobility, das noch junge Unternehmen der beiden, ziemlich düster aus. Die zwei Gründer waren bei einem deutschen Industrieunternehmen zu Gast, mit dem sie die Preise für ihre Fahrzeugbatterien aushandeln wollten.
Doch die Gespräche liefen schlecht. Und nach einer zweistündigen Führung durch die Batteriewerke hiess es schliesslich: keine Batterien für Flux. Schon gar nicht zu dem Preis, den die Winterthurer dafür budgetiert hatten. «Als wir uns auf den Heimweg machten, waren wir ziemlich ernüchtert», sagt Hoti heute, knapp zwei Jahre danach.
Und dann klingelte auf der Autobahn in Richtung Schweiz auch noch das Telefon. Der Hersteller des Flux-Motors meldete: Wegen eines technischen Problems könnten die bestellten Teile nicht ausgeliefert werden. Mit einem Mal stand das Unternehmen aus Winterthur vor dem Scheitern.
Heute kann Hoti über diese Anekdote lachen, aber damals sei sein grosser Traum auf dem Spiel gestanden. Der Autoingenieur hat sein Handwerk bei der Konkurrenz von VW und MAN gelernt. Schon früh kam ihm eine Idee: Es müsste doch möglich sein, den Nutzfahrzeugmarkt zu elektrifizieren. Und zwar rascher und unkomplizierter, als dies die grossen Konzerne taten.
2021 gab Hoti seine Festanstellung auf, um den Beweis für seinen Verdacht zu liefern. Mit seinem Geschäftspartner Bill Zollinger gründete er ein eigenes Unternehmen. Das Ziel der beiden: spezialisierte Nutzfahrzeuge mit elektrischem Allradantrieb bauen. Sie wollten genau jene Segmente bedienen, die Kunden wie das Basler Justiz- und Sicherheitsdepartement brauchen.
«Wir wollen eine Automanufaktur wie Porsche werden», sagt Hoti, «aber eben für Nutzfahrzeuge für die Baustelle, Ambulanzen und Handwerksbetriebe.» Porsches für die Baustelle? Bei dem Vergleich muss Hoti grinsen. Aber der Qualitätsanspruch sei kein Scherz. Dort wolle man in der ersten Liga mitspielen.
Möglichst gut statt möglichst gross
Seit dem albtraumhaften Frühjahrstag 2023 ist Flux einige Schritte weitergekommen. Die Batterien kosteten am Ende mehr als geplant, aber sie wurden geliefert. Flux hat einen zweiten Lieferanten aufgebaut. Die Motoren kamen verzögert, aber sie laufen einwandfrei.
Ein bisschen Glück sei auf diesem Weg immer auch im Spiel gewesen, sagt Hoti, ganz der Mann des Understatements.
Glück oder erarbeiteter Erfolg, das steht dahin. Als zentralen Investor konnten Hoti und Zollinger jedenfalls den Eisenbahnunternehmer Peter Spuhler und sein Unternehmen, die PCS Holding, gewinnen. Spuhler hält derzeit einen Anteil von 23 Prozent an Hotis und Zollingers Unternehmen.
Die PCS Holding schreibt auf Anfrage der NZZ, dass Spuhler Hoti und Zollinger mit ihren «innovativen und nachhaltigen Lösungen» für «ideal aufgestellt» halte, um die Elektromobilität «entscheidend mitzugestalten». Grosse Worte für ein Unternehmen, das erst seit kurzem existiert.
Bis jetzt ist Flux den Vorschusslorbeeren aber gerecht geworden: Hundert Fahrzeuge sind in Winterthur bereits vom Band gelaufen. Es sind Ambulanzen dabei, Entsorgungsfahrzeuge, etliche Pritschenwagen für Bau- und Transportfirmen – und nun auch neun Kastenwagen für die Basler Berufsfeuerwehr.
200 000 Franken pro Fahrzeug
Mittelfristig möchte man ungefähr 120 solcher Wagen pro Jahr bauen – komplett von Hand und in der Schweiz.
Irgendwann könnten es dann bis zu 250 Fahrzeuge an mehreren Standorten werden. Mehr aber nicht. «Mir geht es nicht darum, Flux möglichst gross zu machen, sondern möglichst gut», sagt Hoti. Er will auch künftig nur auf Bestellung produzieren und seinen Kunden den bestmöglichen Service bieten.
Ausgezeichneter Service legitimiere bis zu einem gewissen Grad auch einen höheren Preis – ganz wie bei Porsche eben.
Flux-Kunden wie das Basler Justiz- und Sicherheitsdepartement scheinen diesen Ansatz zu schätzen – und lassen ihn sich auch etwas kosten. In Basel ist es so, dass die elektrische Variante eines Dienstfahrzeugs vors Parlament kommt, wenn sie über 10 Prozent teurer ist als das gleiche Fahrzeug mit herkömmlichem Dieselantrieb.
Bei den neun Kastenwagen für die Berufsfeuerwehr stellte dies aber kein ernsthaftes Hindernis dar. Der Grosse Rat bewilligte anstandslos den Kredit über knapp 2 Millionen Franken – immerhin 200 000 Franken pro Wagen.
Im Dezember 2024 wurden die Wagen schliesslich ausgeliefert. Nun sind sie im Einsatz und kehren erst wieder nach Winterthur zurück, wenn ein Service ansteht.
Duga Hoti sagt: «Wir sind ein kleiner, aber flexibler Anbieter. Wir schauen uns so eine Ausschreibung an und offerieren genau das, was der Kunde sich wünscht.» So habe man am Ende zwar nicht das günstigste Angebot, aber dasjenige, das am genauesten auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sei.
Front-, Heck- oder Allradantrieb
Die Fahrzeuge der Basler Berufsfeuerwehr dienen zum Beispiel als Mannschaftsbusse oder als Transporter für grössere Materialmengen. Sie kommen aber auch dann zum Einsatz, wenn Menschen aus dem Wasser oder aus der Höhe gerettet werden müssen. Die erlaubte Zuladung ist mit jener von Dieselfahrzeugen identisch – trotz der schweren Batterie.
Normalerweise dauert es vier Stunden, um den Akku auf 100 Prozent aufzuladen. Stehen die Fahrzeuge im Dauereinsatz, können innert fünfzehn Minuten 100 Kilometer Reichweite «getankt» werden.
So flexibel wie die Anforderungen, die an sie gestellt werden, so vielfältig sind auch die technischen Möglichkeiten der Fahrzeuge. Sie verfügen über einen 190 Kilowatt starken Allrad-, Front- oder Heckantrieb und liefern bei Bedarf 50 Kilowatt Strom von der Batterie – ohne dass dazu der Motor eingeschaltet werden muss.
«Das ist fast zehnmal mehr Energie, als ein gewöhnlicher Dieselgenerator liefert», erklärt Hoti. Damit können emissionsfrei Lichtmaschinen, Seilwinden, Pumpen, elektrische Motorsägen oder andere Gerätschaften betrieben werden. Für Baustellen- oder Rettungsfahrzeuge ein schlagendes Argument.
Die Batterie und den Motor lässt Flux nach eigenen Spezifikationen bei Zulieferern herstellen. Die Fahrzeuge stammen von der VW-Tochter MAN.
Weil es in so kleinen Serien nicht möglich ist, sie ohne Motor einzukaufen, kommen die Nutzfahrzeuge mit dem handelsüblichen Dieselantrieb nach Winterthur. Hier werden sie in der Fertigungshalle zuerst ausgeweidet. Alle mechanischen Teile des Antriebsstrangs kommen raus.
Die Motorblöcke schickt Hoti in die Niederlande. Dort hat er einen Kunden, der die fabrikneuen Motoren in Boote einbaut.
In die nunmehr leeren Fahrzeugskelette werden der Elektromotor und die Batterie eingebaut. Es sind kompakte Maschinenblocks, die eher wie Computergehäuse als wie Motoren aussehen. Anstelle von Flüssigkeitsleitungen sind sie durch Kabel miteinander verbunden.
Zwischen Antrieb und Akku liegt ein unscheinbares Steuerelement. Es ist eine Eigenentwicklung und enthält das Herzstück der Flux-Fahrzeuge.
Die Steuerzentrale ist im Wesentlichen ein Rechner mit Flux-eigener Software darauf. Das Gerät funktioniert als Bindeglied zwischen der Batterie und dem Motor, kontrolliert den Energiehaushalt und das Antriebsverhalten. Dank dieser Steuerung ist es beispielsweise möglich, Strom von der Batterie zu ziehen, ohne dass dafür der Motor eingeschaltet sein muss.
Die ersten Wagen warten auf ihren Service
«Als wir das erste Fahrzeug ausgeliefert haben, hing ich die ganze Zeit am Telefon und habe den Chauffeur immer wieder angerufen», sagt Duga Hoti. Er sei richtig aufgeregt gewesen, weil er nicht sicher gewesen sei, ob der Kunde mit allem zufrieden sein würde.
Alles funktionierte, und der Chauffeur sei irgendwann sogar etwas genervt gewesen von den ständigen Nachfragen. Also rief Hoti schliesslich nicht mehr an.
Nun stehen in der Winterthurer Fertigungshalle die Fahrzeuge, die in den ersten anderthalb Jahren 60 000 Kilometer zurückgelegt haben und nun auf ihren ersten Service warten. Die Karosserien sind dreckverkrustet, die Sitze schon ordentlich eingesessen. Hoti freut es, dass die Wagen nicht geschont werden. Es zeigt ihm, dass seine Fahrzeuge richtige Arbeitsgeräte sind.