Ein E-Bike für gutes und schlechtes Wetter, den Weg zur Arbeit, den Einkauf oder das Wochenend-Abenteuer in den Bergen: In Kürze lanciert der Schweizer Elektrovelo-Hersteller sein neuestes Topmodell – und könnte sich damit selbst im Weg stehen.
Das TR:X ist ein Crossover im E-SUV-Look, das oberhalb des seit Ende 2021 angebotenen Erfolgsmodells Goroc X angesiedelt ist. Wesentlichster Unterschied ist der neuartige, von Pinion hergestellte Antrieb namens E-Drive, der den Motor und das elektronische Getriebe in einem Gehäuse integriert, damit besonders wartungsarm ist und erstmals bei Flyer zum Einsatz kommt.
Ausstattung
Wer kein Versuchskaninchen sein und technische Neuheiten erst andern überlassen möchte, sei beruhigt: Mit 70 000 bis 80 000 Rädern jährlich gehört Flyer zu den Branchengrössen und überlegt sich folglich zweimal, was verbaut wird. Optisch fällt die kompakte MGU (Motor Gearbox Unit, Antriebseinheit) erst auf den zweiten Blick auf, weil es weder Radnabenmotor noch Kettenschaltung gibt. Stattdessen hat das TR:X einen wartungsfreien Riemenantrieb und ist auch sonst bestens ausstaffiert: LED-Scheinwerfer mit Fernlichtfunktion, Selle-Royal-Sattel, Dropper-Post bis 15 Zentimeter, Fox-Float-Fahrwerk, Mavic-Naben und -Felgen, 29-Zoll-Bereifung, Shimano-XT-Bremsanlage, Seitenständer oder das praktische Ein-Schlüssel-System für Akkufach-Entriegelung und Faltschloss (nicht beim XC-Modell) lassen kaum Wünsche offen.
Dazu gibt es eine App mit Anrufmeldung, Navigation, Wetter- und Reichweitenprognosen oder Reifendruckanzeige. Gegen Aufpreis gibt es (ab Anfang 2024 für 855 Franken) einen Reichweiten-Verlängerer mit 535 Wattstunden, der die Gesamtkapazität auf langstreckenfreundliche 1235 Wattstunden steigert.
Abgesehen von der innovativen Antriebseinheit weist dieses Flyer ein eher konservatives Mainstream-Design auf. Vielleicht auch deshalb gibt es nur zwei auffällige Signalfarben, Enzian Blue Gloss und Curcuma Gloss. Wir bewegten die Crosscountry-Version mit magnetischer Monkey-Link-Schnittstelle, aber ohne Schutzbleche und Gepäckträger.
Verarbeitung
Das kommende Flyer-Topmodell (der Verkauf startet im Oktober) wirkt für ein Grossserienmodell sehr wertig und ist auch sauber montiert. Das TR:X fährt ausschliesslich mit Carbonrahmen und Alu-Schwinge vor; in Kombination mit dem leichteren Antrieb ermöglicht das einen Gewichtsvorteil von rund 4 Kilogramm gegenüber dem (aus Alu gefertigten) Goroc X. Zur Wahl stehen die vier Rahmendimensionen S, M, L und XL: Vor einem Kauf sollte auf jeden Fall Probe gefahren werden, denn Flyer-Modelle fallen erfahrungsgemäss etwas grösser aus als andere E-Bikes.
Fahreindruck
Sattel justieren, draufsetzen, losfahren: Auch dieses Flyer bietet ein sicheres Fahrgefühl, lässt sich leicht dirigieren, sehr gut verzögern, kurzum – man kommt damit auf Anhieb gut zurecht. Die Ergonomie passt hervorragend, das Cockpit ist dank 2-Zoll-Farbdisplay schön übersichtlich. Letzteres kommt wie der Kontroller von Biketec und überzeugt mit einer selbsterklärenden Menustruktur.
Besonders bemerkenswert ist der Antrieb: Egal ob im Stand, am steilen Hang, unter Last oder einmal trittlos – Gangwechsel erfolgen einfach per Tastendruck, blitzschnell und ohne gelegentliches Verheddern. Dies ist auch im Gelände von Vorteil, weil es weniger Verschleiss gibt und nichts verbiegen kann. Je nach Gusto lässt sich die Tastenbelegung für Hoch- und Herunterschalten wechseln; zudem gibt es eine sogenannte «Pre-Select»-Funktion für einen Automatikmodus, in dem Sensoren im richtigen Drehmoment selbständig und wie von Zauberhand die Untersetzung ändern. Vieles davon kennt man zwar schon vom Zulieferer Pinion, aber nicht so kompakt, leicht und reaktionsschnell.
Der Motor unterstützt in vier Stufen von Eco (60 Prozent) über Flow (180 Prozent) und Flex (280 Prozent) bis Fly mit satten 400 Prozent. Selbst starke Steigungen lassen sich so mühelos bezwingen, und obwohl man es im Sinne der Reichweite nicht übertreiben sollte, blieben auf unserer abwechslungsreichen, knapp 14 Kilometer langen Alpen-Normrunde im Berner Oberland mit 600 Höhenmetern, die locker in unter einer Stunde bewältigt wurden, noch genug Reserven für weitere Ausfahrten übrig. Akustisch haben wir dabei nur ein sanftes Summen vernommen – das Goroc X mit seinem Panasonic-Antrieb ist wesentlich lauter. Wer dagegen ein paar Schritte gehen will: Die Schiebehilfe reicht bis 6 km/h.
Das klingt alles zu schön, um wahr zu sein, und tatsächlich kann auch das TR:X eine Pedelec-typische Schwäche nicht verbergen: das immer noch hohe Gewicht. Vor allem längere Downhill- oder Singletrail-Passagen arten so in Schwerstarbeit aus, und dann sind auch 130 Millimeter Federweg knapp bemessen.
Fazit
In Summe ist das Goroc TR:X ein solide gemachtes, vielseitiges, noch fair bepreistes Pedelec, das man gerne täglich fährt. Dem exzellenten Antrieb gehört die Zukunft, während die gute alte Kettenschaltung, aber auch getrennte Motoren und Getriebe fortan nur noch in Günstigmodellen verbaut werden. Das kann nicht nur für den Vorreiter Flyer, sondern auch für alle anderen, kommenden Anbieter zum Handicap werden: Konventionelle Schaltungen dürften immer weniger nachgefragt und schwerer abzusetzen sein. Ob sich diese Entwicklung mit Aufpreisen für das bessere System kompensieren lässt, wird die Zukunft zeigen.
Velo à la carte: In der Schweiz wurden 2022 fast genauso viele Pedelecs wie Pkw verkauft – und ständig kommen neue Modelle dazu. Die wichtigsten, innovativsten und spektakulärsten testen wir hier in loser Reihenfolge. Die Produkte werden uns von den Herstellern/Importeuren für die Zeit der Tests zur Verfügung gestellt.