Das Topmodell gleitet mit Zweigang-Funkschaltung nahezu lautlos über den Asphalt, hat aber drei Schönheitsfehler.
Optisch ist das Upstreet SL ein klassisches City-Velo. Technisch gibt es sich hochmodern mit Aluminiumrahmen, innen verlegten Kabeln und dem neuesten, besonders leichten Bosch-Antrieb Performance Line SX. Die Mischung dieses Flyer-Modells überzeugt – nicht zuletzt, weil dieses E-Bike inklusive 400-Watt-Akku, Beleuchtung, Schutzblechen und Gepäckträger nur 18 Kilogramm auf die Waage bringt und sich damit noch recht bequem über Treppen tragen lässt.
Ausstattung
Starrrahmen und eine feste Gabel: Hier hat man konsequent auf die Federung verzichtet, was den günstigen Einstiegspreis von knapp 4000 Franken erklärt. Angeboten werden die vier Grössen S, M, L und XL in den Farben Hellgrün (Frosty Sage Gloss) oder Dunkelgrau (Anthracite Gloss) mit Kontrastlackierung an den Innenseiten sowie zwei Rahmenvarianten: das «Herrenmodell» mit hoher Längsstrebe oder ein «Unisex» mit bequem-tiefem Einstieg.
Alle Upstreet-Modelle weisen eine Systemsteuerung im Oberrohr auf, die sich per Bluetooth mit einem Smartphone verbinden lässt und via Bosch-Flow-App dann weitere Funktionen wie Navigation, Updates, individuell konfigurierbaren Unterstützungsgrad oder smarten Diebstahlschutz erlaubt. Der Antrieb selbst ist schlanker als Boschs bisherige E-Motoren. Er bietet maximal 600 Watt in den vier Unterstützungsstufen Eco (60 Prozent), Sport (240 Prozent), Turbo (340 Prozent) und Auto (adaptiv) sowie eine Schiebehilfe bis 6 km/h.
Sowohl das Basismodell 3.10 (3999 Franken) als auch die spartanische Variante 3.12 XC ohne Bleche und Gepäckträger (3799 Franken) kommen mit einer mechanischen 9-Gang-Kettenschaltung von Shimano, VP-Pedalen, Tektro-Scheibenbremsen, Formula-Naben, DT-Swiss-Felgen mit reflektierender 29-Zoll-Vittoria-Bereifung, Hebie-Seitenständer, Selle-Royal-Sattel (ohne Schnellspanner), Klingel, hauseigenem LED-Tagfahrlicht-Scheinwerfer und Lezyne-Rückstrahler.
Das hier getestete Topmodell 3.63 unterscheidet sich in der Kraftübertragung von den einfacheren Modellen: Die Kombination aus «Gates Carbon Drive»-Riemen und der innovativen, Powershift genannten Naben-Funkschaltung des belgischen Zulieferers Classified bietet ein besonderes Fahrerlebnis, ist nahezu wartungsfrei, kostet aber auch deutlich mehr.
Verarbeitung
Wie vom Schweizer Hersteller Flyer gewohnt, ist auch das Upstreet SL qualitativ hervorragend gemacht. Der Leichtmetallrahmen mit integrierter Kabelführung wirkt sehr wertig, Gabel und Lenker bestehen aus Karbon. Bemerkenswert ist auch der stimmig-schlanke Look dieses E-Bikes: Alle Anbauteile wie der filigrane Gepäckträger (Zuladung bis 15 Kilo) oder die eng anliegenden Schutzbleche fügen sich harmonisch ins Gesamtbild ein.
Fahreindruck
Während trendige SUV- oder Naked Bikes eine mindestens spritzwasserfeste Montur voraussetzen, kann man mit diesem E-Bike auch in Alltagsgarderobe fahren, ohne sie zu ramponieren. Weil eine Kette fehlt, sind auch Ölflecken am Beinkleid kein Thema. Die Ergonomie passt, der Sattel ist ausreichend bequem, die Lenkung präzise und die Bremswirkung zart bis vehement.
Statt mit einer Schaltkassette kommt das Upstreet SL 3.63 nur mit zwei Untersetzungen – einer zum Anfahren und einer für die schnelle Fahrt. Per Daumenbefehl wechselt ein Ringschalter per Funksignal zwischen Lenker und Nabe in einer Rekord-Reaktionszeit von nur 150 Millisekunden, auch unter Volllast. Dazu agiert der Antrieb mit beeindruckender Mühelosigkeit – solange man unter der elektrisch unterstützten Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h bleibt.
Wer es in der Ebene eilig hat, muss ab Tempo 20 recht strampeln, und spätestens ab 30 liegt die Kadenz bei 120. Die variable Bosch-Motorunterstützung hat dann längst abgeschaltet. Das Upstreet ist gerade noch leicht genug, um im Notfall auch ohne E-Power bewegt werden zu können.
Das zweite Manko der Classified-Schaltung ist ihr Betriebsmodus: Ringschalter (Sender) und Nabe (Empfänger) benötigen jeweils eine Batterie. Und da beide unterschiedliche Steckverbindungen aufweisen, kommt man inklusive Motorladestöpsel auf drei verschiedene Stromkabel zum Laden. Das ist mühsam, besonders weil zum Auftanken oder Bluetooth-Verbinden des Empfängers die Nabe herausgeschraubt werden muss, was auch eine fettige Angelegenheit ist.
Die Bosch-Flow-App zeigt nur ihren eigenen Batteriestatus an, also braucht es für die Funkschaltung eine zweite App – dabei wollten wir eigentlich nur Velofahren. Immerhin muss «Classified Cycling» auf dem Handy selten bemüht werden, weil einmaliges Laden der beiden Batterien für Sender und Empfänger laut Hersteller für drei bis sechs Monate reichen soll. Zudem wechselt eine optische Schaltbestätigung bei 20 Prozent Ladestand von Grün auf Rot. Doch ein ungutes Gefühl des Ausgeliefertseins bleibt.
Fazit
Leichte E-Bikes unter 20 Kilogramm entwickeln sich langsam, aber sicher vom Geheimtipp zum Mainstream. Mit seiner gehobenen Ausstattung empfiehlt sich das Upstreet SL 3.63 für die Stadt und hügelige Landschaften, solange es nicht zu bergig wird: Nahverkehr-Pendler dürften es lieben.
Doch bei aller Begeisterung für neue Technologien nerven uns drei unterschiedliche Ladekabel und die Kontrolle zweier weiterer Apps. Das Upstreet-Basismodell mit konventioneller Neungang-Kettenschaltung ist zwar nicht ganz so chic, leise und wartungsarm, aber weniger online, vielseitiger einsetzbar und deshalb die bessere Wahl. Dazu ist es mindestens 1600 Franken günstiger.
Velo à la carte: In der Schweiz wurden 2022 fast genauso viele Pedelecs wie Pkw verkauft – und ständig kommen neue Modelle dazu. Die wichtigsten, innovativsten und spektakulärsten testen wir hier in loser Reihenfolge. Die Produkte werden uns von den Herstellern/Importeuren für die Zeit der Tests zur Verfügung gestellt.