Mittwoch, Februar 12

Vielleicht liegt das Geheimnis der Gewinner an den Börsen nicht in der Jagd nach dem Nettogewinn, sondern in der Konzentration auf das Umsatzwachstum? Das Mantra von Steve Jobs aus dem Jahr 1997 hat Apple zum Erfolg geführt. Es ist ein Prinzip, das jeder Anleger verstehen muss, um den nächsten Compounder zu finden.

English version

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

Themarket.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

«Wenn Sie die richtigen Dinge bei der Top-Line tun, wird die Bottom-Line folgen.»
Steve Jobs, Co-Gründer von Apple (1955–2011; in einem Interview 1997)

Diese Aussage von Steve Jobs hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt.

Sie unterstreicht eine einfache, aber mächtige Wahrheit: Der Umsatz ist der Motor, der alles andere antreibt.

Nur wenige Momente in der Wirtschaftsgeschichte veranschaulichen dies so wie Apple im Jahr 1997. Damals stand das Unternehmen am Rande des Bankrotts, als Steve Jobs zurückkehrte. In einem Interview erläuterte er seine Turnaround-Strategie mit dieser bemerkenswerten Erkenntnis:

«Jemand hat mich vor langer Zeit eine sehr wertvolle Lektion gelehrt: Wenn man die richtigen Dinge bei der Top-Line (Umsatz) des Unternehmens tut, wird die Bottom-Line (Gewinn) folgen. Und damit war gemeint: Wenn man die richtige Strategie, die richtigen Leute und die richtige Unternehmenskultur hat, wird man die richtigen Produkte herstellen. Man wird das richtige Marketing betreiben. Man wird logistisch, in der Produktion und im Vertrieb die richtigen Dinge tun. Und wenn man all diese Dinge richtig macht, wird die Bottom-Line folgen.»

Steve Jobs’ Mantra aus dem Jahr 1997 hat Apple zum Erfolg verholfen. Es ist ein Prinzip, das jeder Anleger verstehen muss, um den nächsten Compounder zu finden. Hinzu kommt einer der wirkungsvollsten finanziellen Hebel, die mit diesem Konzept verbunden sind, eine Kennzahl, die die Aktienkurse auf lange Sicht in die Höhe treiben kann: Die Verbesserung der Gewinnmarge.

Chart 1: Aufwärtstrend bei den Gewinnmargen des S&P 500

Im Sweet Spot des Business Growth Cycle

Die Zeit nach der globalen Finanzkrise von 2008 ist durch eine deutliche Ausweitung der Gewinnmargen gekennzeichnet. Der Aufstieg der «Magnificent Seven» und anderer «Asset Light»-Geschäftsmodelle –beispielsweise Adobe 2013 als Pionier des Abonnementmodells für Software – veranschaulichen diesen Trend. Aber die Geschichte dahinter ist einfache Mathematik – eine Formel, die jeder aktive Aktieninvestor gut kennt. Warum ist es diesen Unternehmen gelungen, ihre Gewinnmargen so stark zu verbessern?

Hier kommt der Geschäftszyklus (Business Growth Cycle) ins Spiel.

Schauen Sie sich in der unteren Grafik die zweite Hälfte der «Self-Funding»-Phase bis zur «Capital Return»-Phase an. Dies ist der «Sweet Spot», an dem die Gewinnmargen zu steigen beginnen und ein stabiles, vorhersehbares Gewinnwachstum ermöglichen. Hier finden Sie Unternehmen, die langfristig konstant zweistellige Renditen erwirtschaften. Hier finden Sie Compounder, den heiligen Gral in der Aktienselektion.

Chart 2: Die sechs Phasen des Business Growth Cycle

Ich konzentriere mich auf diese Bereiche, weil Unternehmen in der früheren «Hyper Growth»-Phase eine höhere Volatilität und Unsicherheit mit sich bringen. Unternehmen wie Palantir mögen einige Investoren durch ihr hohes Potenzial begeistern. Sie verfügen jedoch nicht über die Ertragsstabilität oder Visibilität, die für konsistent hohe langfristige Renditen erforderlich sind.

Ich beschränke mich gerne auf die langweiligen Unternehmen – denn langweilig ist gut. Ich werde nicht zu den coolen Typen an der Bar gehören, die über ihre Home-Run-Aktien reden, während sie mehrere Krüge leeren. Dafür werde ich derjenige sein, der ohne Kopfschmerzen aufwacht, weil ich einen qualitativ hochwertigen Gin getrunken habe. Und ich werde am nächsten Tag wieder auf der Matte stehen und beim Investieren auf lange Sicht spielen können – denn darum geht es wirklich.

Daher suche ich nach Unternehmen, die sich im letzten Teil des «Self-Funding»-Prozesses befinden. Dort ist das Wachstum selbsttragend, und die Gewinnmargen verbessern sich stetig. Diese Unternehmen weisen in der Regel hohe Renditen auf das investierte Kapital (Return on Invested Capital, ROIC), eine hohe Umsatz- und Ertragsstabilität und vorhersehbare Cashflows auf.

Dieser «Sweet Spot» ist der Ort, an dem die Magie stattfindet.

Es überrascht nicht, dass das grösste Potenzial in den frühen Phasen der Rentabilität eines Unternehmens liegt: am Break-even-Punkt. Dies ist in der Regel der Zeitpunkt, an dem sich die Geschäftsdynamik dramatisch beschleunigt, sich die Fundamentaldaten deutlich verbessern und das Management seine beste Leistung erbringt.

Eines der deutlichsten Beispiele für dieses Prinzip ist ein ein Mitglied der Magnificent Seven: Amazon.

Umsatzwachstum treibt die Performance der Aktie

Jahrelang wurden die Amazon-Aktien von Skeptikern mit dem Argument abgetan, ihr Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) sei zu hoch. Doch der Kurs stieg immer weiter an, angetrieben von einer Sache: dem Umsatzwachstum, der Top-Line. Das unaufhaltsame Umsatzwachstum des Unternehmens erwies sich als der ultimative Treiber für die langfristige Performance der Aktie.

Und wie wir sehen werden, hat Amazon nicht nur ein Top-Line-Wachstum erzielt, sondern auch eine erhebliche Steigerung der Gewinnmarge, die für die nachhaltige Entwicklung des Aktienkurses entscheidend war.

Chart 3: Umsatzwachstum (dunkelblau) ist der wichtigste Treiber für die langfristige Aktienperformance. Quellen der Gesamtaktienrendite für Unternehmen des obersten Quartils, S&P 500 (1990–2009).

Die obige Studie – und die Geschichte von Amazon – sind Aushängeschilder für Steve Jobs’ Weisheit: «Wenn Sie die richtigen Dinge bei der Top-Line tun, wird die Bottom-Line folgen.» Sie zeigt die Bedeutung des Umsatzwachstums und erklärt, warum ein Unternehmen so erfolgreich sein kann. Irgendetwas scheint in Gang zu kommen. Bestimmte Zylinder müssen auf Hochtouren laufen. Es passiert einfach etwas, das nicht nur unsere Neugier wecken, sondern auch unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen sollte. Dann geht das Unternehmen von «Hyper Growth» zu «Self-Funding» über, und wir müssen untersuchen, warum.

Schauen wir uns Amazon an, um typische Katalysatoren zu finden und herauszufinden, was die Aktienkurse bewegt. Für Amazon-Gründer Jeff Bezos war es die Einführung eines neuen Produkts – Amazon Web Services, kurz AWS – im Jahr 2006. Ein «neues Produkt» kann grosse Wirkung haben.

AWS ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein einziges neues Produkt den Weg eines Unternehmens neu definieren kann.

1. Anfängliche Akzeptanz und Umsatzwachstum
(Phase 2: Hyper-Growth, 2006–2010):

  • AWS begann als kleiner Teil des Amazon-Geschäfts, wuchs aber stetig, indem es Startups wie Netflix, Airbnb und Dropbox anlockte, die auf seine skalierbare Infrastruktur angewiesen waren.
  • Im Jahr 2010 erreichte AWS einen Jahresumsatz von 500 Mio. $, was die ersten Anzeichen des Erfolgs markierte.

2. Wendepunkt in der Wichtigkeit (Phase 3: Self-Funding, 2010–2014):

  • Im Jahr 2014 erreichte AWS einen Jahresumsatz von 5 Mrd. $, und die Wachstumsrate übertraf bei weitem den Rest des E-Commerce-Geschäfts von Amazon.
  • In den Quartalsergebnissen von Amazon wird AWS seit dem 1. Quartal 2015 als separater Posten ausgewiesen, wodurch die Rentabilität des Unternehmens zum ersten Mal sichtbar wird.

3. AWS als Wachstumstreiber
(Phase 4: Operating Leverage, 2015–Gegenwart):

  • Im Jahr 2015 erzielte AWS einen Umsatz von 7,88 Mrd. $ mit einer operativen Marge von über 25% – ein starker Kontrast zu den geringen Margen von Amazon im Einzelhandel.
  • Bis 2023 war AWS für fast 16% der Gesamteinnahmen von Amazon und für überwältigende 70% des operativen Ergebnisses des Konzerns verantwortlich.
  • AWS half Amazon bei der Finanzierung seiner anderen Unternehmungen, einschliesslich Logistik, Prime Video und Alexa, und festigte gleichzeitig seine Führungsposition auf dem Cloud-Computing-Markt.

Chart 4: Amazons Jahresumsatz (orange Balken) und Nettoeinkommen (blaue Kurve) mit Wendepunkten 2006, 2010 und 2015, lineare Skala

Die schrittweise Einführung von AWS hat die finanzielle Entwicklung von Amazon grundlegend verändert. AWS entwickelte sich von einer teuren Investition («Hyper Growth») zu Amazons profitabelstem Geschäftsbereich («Operating Leverage»). Er ermöglichte es dem Unternehmen, sein margenschwaches Einzelhandelsgeschäft mit einem margenstarken Technologiegeschäft auszugleichen.

Heute ist AWS der Dreh- und Angelpunkt von Amazons Gewinn, treibt die nachhaltige Rentabilität an und finanziert Innovationen in seinem globalen Imperium. Aus einer Aktie mit erheblichem Umsatzwachstum wurde plötzlich eine Aktie mit Gewinnwachstum.

Die Phase 4 des Zyklus, «Operating Leverage», markierte den Punkt, an dem die Margenverbesserung ihr volles Potenzial erreichte. Sie gilt als der zweite wichtige Wendepunkt nach dem Erreichen des Break-Even. Das Konzept ist relativ einfach und hängt in erster Linie mit den Fixkosten zusammen. Wenn der Umsatz steigt, bleiben die Fixkosten konstant, was zu erheblichen Verbesserungen der Gewinnmargen führt (vgl. Chart 5 unten).

Verdoppelt sich beispielsweise der Umsatz von 1 Mio. auf 2 Mio. $, während die Fixkosten bei 500’000 $ konstant bleiben, steigt die Marge in Bezug auf die Fixkosten von 50% auf 75%. Bei einem Umsatz von 10 Mio. $ steigt die Marge auf beeindruckende 95%.

Diese Dynamik verdeutlicht die entscheidende Rolle der Fixkostenstrukturen bei der Steigerung der Gewinnmargen. Sie ist auch ein entscheidender Faktor für die Entwicklung des Aktienkurses und zeigt, warum «Asset Light»-Geschäftsmodelle massgeblich zur Verbesserung der Gewinnmargen des S&P 500 beigetragen haben.

Chart 5: Gesamtumsatz, operative Marge und Gewinn von Amazon

Studieren Sie die Vergangenheit

Ich räume ein, dass ich mir eine herausragende Erfolgsgeschichte herausgepickt habe, aber genau darum geht es beim Investieren: das Studium vergangener Gewinner, die weiterhin erfolgreich sind.

Die Geschichte von Amazons AWS weist Parallelen zu den Ereignissen bei Apple im Jahr 2007 auf, als Steve Jobs das iPhone einführte. Genauso wie AWS Amazon verändert hat, spielte das iPhone eine ähnliche Rolle für Apple: Es brachte den Wachstumsmotor des Unternehmens in Schwung, sorgte für eine erhebliche Umsatzsteigerung und führte schliesslich zu einer Steigerung der Gewinnmargen. Die bemerkenswerte Entwicklung der Aktienkurse beider Unternehmen spricht für sich.

Was die Verbesserung der Gewinnmargen und die Magnificent Seven angeht, so müssen wir uns bewusst sein, dass wir uns der vorletzten Phase des «Capital Return» für diese Konzerne nähern. Das spiegelt sich in einem 15-jährigen Aufwärtstrend bei den Margen (vgl. wiederum Chart 1) und den höchsten Erwartungen an diese.

Ich habe dieses Problem bereits im vergangenen Oktober angesprochen. Die übermässige Abhängigkeit des Marktes von einigen wenigen Giganten führt zu einer Verzerrung der Risiko-Ertrags-Dynamik, die Ihre Sicherheitsmarge auf eine hauchdünne Linie drückt. «Peak expectations», wie es die Analysten ausdrücken.

Es ist daher an der Zeit, sich nach anderen Unternehmen umzusehen, die im Wachstumszyklus noch nicht so weit fortgeschritten und vor allem nicht so gigantisch sind wie die Magnificent Seven. Diese Unternehmen haben es leichter, zu wachsen, und mit dem Lehrbuch von Apple und Amazon wissen wir, wonach wir suchen müssen.

Wonach man Ausschau halten sollte

Wir werden immer wieder Unternehmen finden, die in der Lage sind, etwas zu bewirken, und die oft ähnliche Merkmale wie Apple und Amazon aufweisen.

Einige Beispiele, auf die diese Beschreibung meiner Meinung nach gegenwärtig zutrifft, sind MercadoLibre, Coupang, Sea Limited, Shopify und HubSpot, da sie alle den Übergang zu margenstarker Skalierbarkeit vollziehen, indem sie über ihr Kerngeschäft hinaus in die Bereiche Fintech, KI-gesteuerte Automatisierung und Werbung expandieren, neue Einnahmequellen erschliessen und die nächste Phase exponentiellen Wachstums einleiten. Ein weiteres grossartiges Beispiel ist Nintendo, die über die traditionellen Konsolenzyklen hinausgeht, indem sie ihr legendäres geistiges Eigentum (z. B. Mario, Zelda, Pokémon) über mehrere Plattformen hinweg aggressiv monetarisiert.

Diese Unternehmen bringen in der Regel ein neues Produkt auf den Markt, das Rentabilität und attraktive Wachstumsraten mit sich bringt und von einem starken Managementteam mit den Fähigkeiten, der Integrität und der Disziplin geleitet wird, etwas Dauerhaftes aufzubauen. Ein neues Produkt kann zwar in jeder Phase auf den Markt kommen, doch ist es am wirkungsvollsten, wenn das Unternehmen es in Phase 3 («Self-Funding») des Business Growth Cycle einführt.

In dieser Phase beginnen die Unternehmen, ihre Gewinnmargen zu verbessern und das Risiko eines dauerhaften Kapitalverlusts zu verringern, während sie gleichzeitig in die Phase mit dem höchsten Risiko-/Ertragsverhältnis eintreten. Das ist der Zeitpunkt, an dem wir die attraktivsten Unternehmen finden, um sie als Aktionäre langfristig zu besitzen. Ähnlich wie der Phönix-Moment von Apple, der sich mit dem iPhone aus der Asche erhebt und auf die Erfolgsspur zurückfindet, oder Amazon, die mit der weit verbreiteten Einführung von AWS profitabel wird. Indem wir diese Unternehmen von der «Self-Funding»- durch die «Operating Leverage»- und die «Capital Return»-Phase halten, maximieren wir unser Compounder-Potenzial.

Kurz gesagt, Steve Jobs hat uns 1997 eine zeitlose Lektion erteilt – eine Erkenntnis, die durch die Entwicklung von Apple und Amazon bestätigt wird.

Fokussiere auf den Umsatz. Der Gewinn kommt von allein.

Thierry Borgeat

Thierry Borgeat ist einer der Gründungspartner von arvy, einer Investmentgesellschaft in Zürich, die sich auf globale Qualitätsaktien spezialisiert. Er hat den überwiegenden Teil seiner Karriere damit verbracht, bei Privatbanken und Investmentboutiquen verschiedene Anlagestrategien mit Schwerpunkt auf Aktien und globalen Makrostrategien zu verwalten. Thierry hat einen Bachelor-Abschluss in Finanzen und ist CFA-Charterholder.
Exit mobile version