Steigende Zinsen und sich eintrübende Konjunkturaussichten bringen am amerikanischen Immobilienmarkt die hohen Preise ins Rutschen. Prompt geraten die ersten «privaten» Fonds in Liquiditätsschwierigkeiten, etwa bei Blackstone. Droht bei Büroimmobilien sogar die Apokalypse?
Erst Blackstone und nun auch Starwood Capital – wenn zwei der grössten Private-Equity- und privaten Immobiliengesellschaften ihre reichen Anleger davon abhalten müssen, in grösserem Stil Gelder aus den noch bis vor kurzem sehr begehrten Flaggschifffonds abzuziehen, dann deutet sich so etwas wie ein Notstand an. «Das fühlt sich so an wie der Beginn der Immobilienkrise vor gut zehn Jahren, als die französische Grossbank BNP Paribas verschiedene Fonds schliessen musste», sagt Dan Rasmussen.
Der Gründer und Geschäftsführer des Bostoner Vermögensverwalters Verdad Capital warnt schon eine Weile vor «unrealistisch überzogenen Wertsteigerungen» bei privaten Vermögensanlagen und davor, dass die Anbieter in Schwierigkeiten geraten würden. Sobald ihre Investoren das Weite suchen wollten, müssten sie ihre Immobilienobjekte zum ungünstigsten Zeitpunkt auf den Markt werfen, um genug Geld in der Hand zu haben. So glaubt er «den ersten grossen Hinweis auf mögliche Liquiditätsprobleme» auszumachen – und die Tatsache, dass dieser ausgerechnet von Blackstone komme, sei bezeichnend.
«Private Anlageformen» sind im Zweifel illiquide
Das bekannte und berüchtigte Private-Equity-Unternehmen hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, seine Kunden müssten sich gedulden, falls sie ihre Mittel aus dem semiliquiden, nicht börsengehandelten 70-Milliarden-Dollar-Immobilienfonds mit dem Kürzel BREIT abziehen wollten. Demgemäss hatten die Rücknahmeanträge im Oktober vor allem von Kunden aus Asien dazu geführt, dass das Limit von zwei Prozent des Nettoinventarwerts pro Monat überschritten worden war, wie es hiess.
Der Vorgang wirft ein Licht auf Immobilien-Investment-Trusts dieser Art. Im Gegensatz zu anderen Immobilienfonds werden die Anteile nicht an der Börse gehandelt, und es gibt Schwellenwerte dafür, wie viel Geld die Anleger entnehmen können, um Zwangsverkäufe zu vermeiden. Das Management kann also die Entnahmen beschränken, sobald zu viele Anleger gleichzeitig aussteigen wollen. Der Fonds hatte sich in den vergangenen fünf Jahren aufgrund des extrem generösen geldpolitischen Umfelds zu einem Giganten in der Immobilienbranche entwickelt. Nun aber verändern steigende Kreditkosten und eine sich abkühlende Wirtschaft die Rahmenbedingungen deutlich.
Wie aber konnte es dazu kommen, dass das Management von den Wünschen der Anleger dermassen überrascht wurde, und wieso war es nicht vorgewarnt? Schliesslich schien sich der Wert des Blackstone-Fonds auf dem Papier und vielleicht auch auf Basis von Zins-Swap-Geschäften im Nominalwert von mehr als 20 Milliarden Dollar trotz steigenden Zinsen bis zuletzt gut entwickelt und scheinbar um bis zu 9 Prozent zugelegt zu haben, während die Kurse der an der Börse gehandelten Anteile ähnlich aufgestellter Firmen im Jahresverlauf durchschnittlich rund ein Drittel ihres Wertes verloren haben.
Massive Kursverluste bei börsenkotierten Firmen
Die Aktien des vor allem in New York tätigen Vornado Realty Trust etwa sind seit April auf tiefem Niveau um rund weitere 50 Prozent gefallen, und auch bei den Papieren der Hudson Pacific Properties, von SL Green Realty, Douglas Emmett, Highwood Properties oder auch Cousins Properties sieht es nicht viel besser aus. Offensichtlich gibt es eine Diskrepanz zwischen den Wertvorstellungen «der privaten Fondsmanager» und den Händlern an den Aktienmärkten – und wie die Erfahrungen aus der vergangenen Immobilienkrise andeuten, war die Kursentwicklung an den Finanzmärkten letztlich die richtige.
Das dürfte sich im Laufe der Zeit auch beim Starwood Real Estate Income Trust zeigen. Dieser Fonds mit dem Kürzel SREIT und mit einem Volumen von zuletzt etwa 30 Milliarden Dollar wird vom bekannten Immobilienguru Barry Sternlicht geführt, der eine ähnliche Strategie wie die Kollegen von Blackstone verfolgt. Beide Firmen setzen für ihre Transaktionen in der Regel deutlich mehr Fremdkapital ein als die Manager der an den Aktienmärkten gehandelten Pendants.
Während Blackstone und Starwood schwerpunktmässig in bisher scheinbar relativ stabile Wohnimmobilien oder gefragte, stadtnahe Lagergebäude investierten, kämpfen die Eigentümer von Bürotürmen in San Francisco und vor allem auch im New Yorker Stadtteil Manhattan schon eine Weile mit teilweise hohen Leerständen, mit zunehmenden Vertragskündigungen und letztlich mit zu hohen Wertansätzen. Jüngst etwa hatte Meta, die Muttergesellschaft von Facebook, bekanntgegeben, aus Kostengründen etwa 250 000 Quadratmeter Fläche im neuen Hudson-Yards-Gebäude aufzugeben. Dabei galten die Internet- und Technologieriesen noch vor kurzem als Hoffnungsträger für die anhaltende Prosperität dieses Marktsegments in Manhattan.
Apokalypse bei amerikanischen Büroimmobilien?
Tatsächlich aber hat die Covid-Pandemie den vorher schon absehbaren Trend zur Telearbeit enorm beschleunigt und damit die künftige Nachfrage nach Büroflächen verringert. Viele Angestellte haben sich damit angefreundet, ganz oder teilweise von zu Hause aus zu arbeiten, und glaubt man den Daten von Kastle Systems, einem Anbieter von technischen Lösungen zur Zugangskontrolle von Gebäuden, so sind die Bürotürme in New York City heute an Wochentagen im Durchschnitt weiterhin zu weniger als 50 Prozent ausgelastet. Längst sagen skeptische Beobachter dem Markt für Büroimmobilien den Untergang voraus. Besonders düstere Analysen von Fachleuten der Columbia und der New York University wagen sogar die Prognose, der Gesamtwert der amerikanischen Büroimmobilien könnte in den kommenden Jahren um mehr als einen Viertel oder um rund 500 Milliarden Dollar zurückgehen.
Nach dem Fernbleiben chinesischer Grossinvestoren, den negativen Folgen der beliebter gewordenen Telearbeit und den wirtschaftlich belastenden Konsequenzen des Ukraine-Krieges wächst inzwischen die Sorge, der dramatische Anstieg der Zinssätze könne für die hochverschuldeten Eigentümer der Immobilien zu viel werden. Die Branche ist voll von Gerüchten über Partnerschaften, die unter Zwang aufgelöst werden, über Bürogebäude, die für andere Zwecke genutzt werden sollen, und über Spekulationen darüber, welche Entwickler es möglicherweise «nicht auf die andere Seite schaffen» werden. Neuerdings müssen sich immer mehr Eigentümer mit Finanzierungsproblemen herumschlagen, nachdem sie jahrelang mit günstigsten Kreditkonditionen verwöhnt worden sind.
Das Transaktionsvolumen ist im Oktober im Vergleich mit dem Vorjahr um gut 40 Prozent eingebrochen. Wie könnte es anders sein, seit die Last der Schulden bei einigen Kreditnehmern inzwischen die erwarteten Erträge übersteigt und seit die Preise von Gewerbeimmobilien auf hohem Niveau zum Teil deutlich sinken? Tatsächlich lag der Preisindex für amerikanische Gewerbeimmobilien des kalifornischen Beratungsunternehmens Greenstreet Advisors im Oktober knapp 13 Prozent unter dem Höchststand, den er noch im Frühjahr markiert hatte. Während auf dieser Basis die Refinanzierungsschwierigkeiten bei steigenden Zinsen zunehmen, bereiten sich «Grabräuber» wie etwa der legendäre Investor Sam Zell darauf vor, bei Notverkäufen zu Schleuderpreisen zuzugreifen – vielleicht schon im Frühling des kommenden Jahres.