Drei aktive Schweizer Fondsmanager – Simon Götschmann, Hilmar Langensand und Philipp Murer – analysieren im Gespräch die Lage an den Märkten und gehen der Frage nach: Welches sind derzeit die besten Schweizer Aktien?
Seit US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, die Welt mit Zöllen zu überziehen, kennen die Börsen fast nur eine Richtung: nach unten.
An der Finanzmesse 2025 erörterten im Panel-Gespräch mit The Market drei aktive Schweizer Fondsmanager die gegenwärtigen Perspektiven an den Märkten und gingen der Frage nach, welches derzeit die besten Schweizer Aktien sind:
- Simon Götschmann, Gründer und CEO von Arkudos und verantwortlich für den Aktienfonds Swiss Equity Alpha 130/30.
- Philipp Murer, Portfoliomanager der Privatbank Reichmuth & Co und verantwortlich für den Schweizer Nebenwertefonds Reichmuth Pilatus.
- Hilmar Langensand, Gründungspartner von zCapital und Manager des zCapital Swiss Small & Mid Cap Fund.
Herr Götschmann, Herr Langensand, Herr Murer: Wir sind hier, um über die besten Schweizer Aktien zu sprechen – unmittelbar nachdem US-Präsident Donald Trump die Zollkeule ausgepackt hat. Was bedeutet der Schritt für die Märkte?
Langensand: Trump hat in seiner Rede ein klares Feindbild gezeichnet. Er glaubt, die Welt habe die USA fünfzig Jahre lang über den Tisch gezogen, und nun müsse er zurückschlagen. Doch er und sein Chefberater Peter Navarro, ein protektionistischer Hardliner, spielen mit dem Feuer: In einer global vernetzten Wirtschaft gibt es bei dieser Politik keine Gewinner, sondern nur Verlierer. Das ist schlecht für Aktien.
Herr Götschmann, sind Sie ebenso pessimistisch?
Götschmann: Es ist schwierig, mit einem Präsidenten umzugehen, der selbst auf Pinguine Zölle erhebt – auch für die entlegenen McDonald-Inseln hat er Zölle verfügt, obwohl dort gar keine Menschen leben. Trump ist unberechenbar. Es besteht damit das Risiko, dass angesichts der instabilen Rahmenbedingungen das Konsumentenvertrauen noch weiter erodiert und die Unternehmen Investitionen hinausschieben. Dann kommt es zur Rezession.
Rückschläge erleiden alle Anlageklassen, auch Gold und Silber sowie der Ölpreis geben nach.
Langensand: Mit derart hohen Zöllen hat der Markt nicht gerechnet. Die Schweiz hatte im Vorfeld intensiv lobbyiert, nun stehen wir mit 31% vor einer der weltweit höchsten Handelsbarrieren. Die Zölle werden aber auch die USA enorme Summen kosten: Analysten rechnen mit einem Anstieg der Inflation auf 4 bis 5% bis Ende Jahr. Konsumnahe Produkte wie Turnschuhe, die überwiegend in Asien produziert werden, könnten sich um bis zu 20% verteuern. Das führt zu weniger Konsum, sinkenden Gewinnen und bremst Investitionen. Beim Platzen der Dotcom-Blase und während der Finanzkrise hatte sich der US-Leitindex S&P 500 halbiert.
Der Einkaufsmanagerindex zeigt, dass der Bestellungseingang der Industrie sinkt und einzig die Preise weiter anziehen. Die Wirtschaft bremst ab, während die Teuerung gleichzeitig wieder aufflackert. Ist das an der Börse nun eingepreist und damit ausgestanden?
Murer: Nein. Wenn die Zölle wie angekündigt umgesetzt werden, dürfte das der Konjunktur einen weiteren Schlag versetzen. Vielleicht aber sind wir auch nur einen Social-Media-Post davon entfernt, dass gewisse Zollerleichterungen eingeführt werden. Positiv gedreht sind die Ankündigungen Trumps ein Weckruf für Europa: zusammenstehen und den eigenen Wirtschaftsraum effizienter gestalten, selbst investieren und die Abhängigkeit von den USA mindern.
Sie haben in Ihrem Portfolio Zykliker hoch gewichtet, darunter Bossard, SFS und den Bauzulieferer Zehnder. Glauben Sie, die europäische Konjunktur wird anziehen?
Murer: Vor der Einführung der Zölle war ich davon überzeugt. Jetzt hat sich die Situation verändert, und wir müssen schauen, wie Europa darauf reagiert und sich die Situation entwickelt. Direkt von den Zöllen betroffen sind Bossard, SFS und Zehnder jedoch nicht. Sie sind alle auch in den USA vertreten, wobei eine Eintrübung der Wirtschaft natürlich auch auf sie durchschlagen würde. Aktien unterliegen immer einem Schwankungsrisiko.
Einzelne Titel sind enorm unter Druck geraten. Überall zu Recht?
Götschmann: Marktverwerfungen bieten immer Kauf- und Verkaufsgelegenheiten. Die Aktien von Logitech leiden so stark, weil das Unternehmen 30% des Umsatzes in den USA macht, aber in China produziert. Doch die Zölle würden die Bruttomarge lediglich um zwei, drei Prozentpunkte schmälern. Logitech kann das parieren und die Preise anpassen. Die Konsumenten würden das für ihr Gaming-Zubehör akzeptieren. Die schwächeren Aussichten dürften nun im Preis drin sein. Anders sieht das bei Lindt & Sprüngli aus. Ihre Titel bewegen sich nahezu auf Allzeithoch.
Raten Sie zu Gewinnmitnahmen bei Lindt & Sprüngli?
Götschmann: Beim erfolgreichen Anlegen zählt nicht nur das Marktumfeld, sondern auch die Bewertung einer Aktie kann Risiken bergen. Lindt handelt zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund vierzig. Das ist einfach zu teuer. Auch Lindt ist der Inflation ausgesetzt. Die Kosten steigen allgemein, der Kakaopreis fiel zuletzt, dürfte aber langfristig wieder viel höher notieren. Kakaopflanzen zählen zu den sensitivsten Gewächsen und leiden unter der Klimaveränderung.
Zudem denke ich, dass die Inflation auch bei Premiumprodukten ihre Spuren hinterlassen wird und Konsumenten auf günstigere Alternativen ausweichen. Das Weihnachtsgeschäft war noch gut, aber seither sinkt das Konsumentenvertrauen. Ähnliches gilt für das Luxusgeschäft von Richemont. Auch dort wäre ich angesichts der hohen Bewertung vorsichtig.
In Krisenzeiten flüchten viele Anleger oft in dieselben Titel – etwa Nestlé oder Versicherer, die in einer ersten Reaktion als sicherer Hafen gelten. Eröffnet das anderswo neue Investitionschancen?
Murer: Beispielsweise der Logistiker Kühne + Nagel könnte sich zu einer Kaufgelegenheit entwickeln. Der Kurs ist massiv gesunken, im Gegenzug ist die Bewertung wieder attraktiver, der Titel würde von einer Aufhebung der Zölle profitieren. Solche Gelegenheiten müssen jetzt auf den Radar kommen: Es gibt mehrere Schweizer Unternehmen, die eine mehr als hundertjährige Geschichte haben. Sie haben Kriege und andere Krisen durchgestanden. Sie passen sich den Rahmenbedingungen an und werden auch jetzt wieder Lösungen finden. In normalen Zeiten sind die Aktien solcher Unternehmen immer teuer. Wenn sie jetzt günstig werden, muss man den Mut haben einzusteigen.
Haben Sie Beispiele dafür?
Murer: Geberit und Ems-Chemie, Galderma, Schindler, Alcon und Accelleron.
Herr Langensand, der Blick in Ihr Portfolio zeigt, dass Sie sehr defensiv, schweizorientiert und zollfrei aufgestellt sind. Zu Ihren grössten Übergewichten zählen Baloise, BKW, PSP Swiss Property und Galenica. Schützt Sie das?
Langensand: Professionelle Anleger können Risiken begrenzen, ganz ausschalten lassen sie sich nicht. Trumps aggressive Handelspolitik belastet alle, selbst wenn man defensiv positioniert ist. Hinzu kommt: Die Bewertungen bleiben anspruchsvoll. In den USA wird der S&P 500 auch nach der Korrektur der letzten Tage zum rund Neunzehnfachen der Gewinnerwartungen gehandelt. Dabei gehen Analysten noch immer von einem Gewinnwachstum von 10% für 2025 aus. In diesem Umfeld halte ich das für zu optimistisch und rechne mit weiteren Kurskorrekturen.
Lohnt es sich, in Unternehmen zu investieren, die sich ausschliesslich auf den Schweizer Markt konzentrieren? Beispielsweise auf die Aktien von Cembra Money Bank oder Galenica?
Murer: Cembra ist ein Dividendentitel von hoher Qualität. Galenica zeichnet sich durch Stabilität in einem wenig zyklischen Endmarkt aus. Man kann auch den Fleischverarbeiter Bell kaufen und so im Schutz des Mehrheitseigners Coop bleiben. Dort wird zwar investiert, und für den Aktionär bleibt vorerst nicht viel übrig, aber der Fokus liegt auf der Schweiz. Im Immobilienbereich gibt es Cham Swiss Properties, den Zusammenschluss von Cham und Ina Invest, der ehemaligen Landbank von Implenia. Sie haben ein sehr attraktives Entwicklungsportfolio zusammengestellt.
Gibt es unter diesem Gesichtspunkt auch Grossunternehmen?
Murer: Die Telecomanbieter Swisscom oder Sunrise, Letztere ist mit 8% Dividendenrendite in Franken trotz einer hohen Verschuldung interessant. Ebenso TX Group: Sie hat eine Beteiligung an SMG Swiss Market Place Group, die Plattformen wie Homegate, Ricardo oder Auto Scout betreibt. Dafür ist ein separater Börsengang geplant. Dazu gesellen sich ein entwicklungsfähiges Immobilienportfolio sowie eine Dividende von mindestens 4 Fr. Alles zusammengerechnet ist viel mehr wert als der heutige Aktienpreis.
Ihr grösstes Übergewicht, Herr Langensand, ist Baloise. Sie haben im vergangenen Jahr den Antrag auf Aufhebung der Stimmrechtsbeschränkung gestellt. Mit Cevian fordert nun ein aktiver Investor Veränderungen – und der Kurs hat stark zugelegt. Wie geht es weiter?
Langensand: Wir sind überzeugt, dass Baloise unterbewertet ist, und bleiben entsprechend investiert. Die steigenden Schadensummen ermöglichen im Versicherungsgeschäft deutlich höhere Prämien. Der Wettbewerb spielt dabei nur begrenzt, was der gesamten Branche zugutekommt. Allerdings arbeitet Baloise derzeit noch weniger effizient als die Konkurrenz. Wir sehen deshalb weiterhin Potenzial. 78% der Aktionäre haben 2024 unserem Antrag auf Abschaffung der Vinkulierung zugestimmt. Das Unternehmen bewegt sich jetzt in die richtige Richtung, zeigt bisher aber noch zu wenig Entschlossenheit.
Wird der Widerstand der Führung abnehmen?
Langensand: Der Aktivist Cevian stellt einen Vertreter im Verwaltungsrat, und wir gehen davon aus, dass er seine Ziele konsequent verfolgen wird. Aus unserer Sicht sollte das margenschwache Deutschlandgeschäft veräussert werden. Zudem sehen wir Baloise als Übernahmekandidaten. So hat Mario Greco, CEO von Zurich Insurance, bereits öffentlich Interesse an Baloise bekundet, sollte es zu einem Verkauf kommen.
Tech-Werte haben global eingebüsst. Auch in der Schweiz haben wir prominente Zulieferer in die Halbleiterindustrie. Was erwarten Sie hier?
Götschmann: Ich bleibe mit Ausnahmen vorsichtig bei Schweizer Technologiewerten, obwohl die Kurse bereits eingebrochen sind. Die Erwartungen von 30% Wachstum und mehr sind sportlich, die Bewertungen hoch. Zudem produzieren Comet, VAT und Sensirion hauptsächlich in der Schweiz, teilweise mit Komponenten aus China, und ein Drittel des Exports geht in die USA. Und: UBS hat Sensirion als ihren europäischen Top-Pick angepriesen.
Das bedeutet, Sie machen nun das Gegenteil und verkaufen die Titel?
Götschmann: Wenn UBS eine verhältnismässig kleine, illiquide Aktie zum Kauf empfiehlt, zeigt das Wirkung: Der Kurs von Sensirion stieg in der Folge fast 40%. Das war zu viel.
Weshalb war der Anstieg nicht gerechtfertigt?
Götschmann: Das Unternehmen weckte zuletzt Kursfantasien mit neuen Gaslecksensoren für den führenden US-Klimaanlagebauer Carrier. Der UBS-Analyst sieht für 2026 ein Umsatzpotenzial von 100 Mio. Fr. Das Management spricht von 10 bis 100 Mio. Fr. Ich gehe eher von einem zweistelligen Millionenbetrag aus. Carrier selbst bezieht solche Sensoren auch von anderen Anbietern wie Sensata, die in den USA produzieren. Die Preismacht ist limitiert, und jetzt spielt auch die Zollthematik rein. Die Sensorenproduktion ist kapitalintensiv, und die Märkte sind preissensitiv. Es ist ein umkämpftes Volumengeschäft. Es ist schwierig, über die Zeit die freien Mittel zu generieren, die die hohe Bewertung rechtfertigen würden.
Zurück zur Ausgangsfrage: Welches ist die beste Schweizer Aktie?
Murer: Ich habe zwei Favoriten: Geberit und Ems-Chemie. Beide haben korrigiert, und beide bieten sehr hohe Qualität. Geberit belastet die Flaute im Bausektor, und Ems-Chemie leidet unter dem lahmenden Automobilsektor. Dennoch konnten beide in den vergangenen Jahren die Marge hoch halten. Diese Titel sind derzeit günstiger zu haben – und sollte der Kurs weiter unter Druck geraten, bietet sich die Gelegenheit, die Position auszubauen.
Langensand: Mein Favorit ist Galenica. Die Gesellschaft wird ausgezeichnet geführt, ist fast ausschliesslich in der Schweiz tätig und verfügt über ein sehr defensives Geschäftsmodell. Sie profitiert direkt vom strukturellen Wachstum im Gesundheitswesen. Die Medikamentenausgaben steigen jährlich um rund 4% – getrieben durch Innovation und den demografischen Wandel. Dabei wächst Galenica meist schneller als der Markt und steigert den Gewinn überproportional. Diese Kombination aus Stabilität, Wachstum und Ertragsstärke macht die Aktie besonders attraktiv.
Götschmann: Ich habe Sika auf dem Radar. Sie produziert überall lokal, Zölle spielen kaum eine direkte Rolle. Falls die Bauindustrie dank der europäischen Infrastrukturprogramme anziehen sollte, bieten ihre Aktien grosses Potenzial. Noch mehr, falls der Krieg in der Ukraine gestoppt werden kann.
Zur Person
Simon Götschmann ist Gründer und CEO von Arkudos und verantwortlich für den Aktienfonds Swiss Equity Alpha 130/30. Zuvor war er Leiter Aktien Schweiz bei Credit Suisse Asset Management. Davor war der 45-Jährige bei Mirabaud Asset Management. Seine berufliche Karriere startete er in den Corporate-Finance-Abteilungen von Arthur Andersen und Ernst & Young und war danach bei verschiedenen Investmentbanken im In- und Ausland als Aktienanalyst für diverse Sektoren verantwortlich.
Zur Person
Hilmar Langensand ist Gründungspartner und CEO von zCapital. Der 59-jährige ist verantwortlich für das Portfoliomanagement und verwaltet den zCapital Swiss Small & Mid Cap Fund. Er verfügt über mehr als dreissig Jahre Erfahrung mit Schweizer Aktien. Diese hat er in diversen Bereichen bei UBS und in seiner dreizehnjährigen Tätigkeit als aktiver Portfoliomanager verschiedener Schweizer Aktienportfolios sowie als Head of Equities bei der Suva in Luzern erworben.
Zur Person
Philipp Murer ist seit 2001 als Portfoliomanager bei Reichmuth & Co. Der 49-Jährige ist verantwortlich für den Schweizer Nebenwertefonds Reichmuth Pilatus. Er verfügt u.a. über einen MAS in Corporate Finance und einen Executive MBA der Hochschule Luzern.