Mittwoch, Februar 5

Ein Kognitionspsychologe erklärt, wie Informationen im Gedächtnis bleiben.

Leserfrage: Wie kann ich mir erzählte Dinge besser merken?

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Viele dürften die Situation kennen: Ein Freund erzählt detailliert von seinen Ferien oder die Tochter von einem Streit mit ihrer Freundin. Ein paar Tage später kommt das Thema wieder auf, und man merkt, dass man den Ferienort oder den Auslöser des Streits vergessen hat. Auch bei der Arbeit gibt es solche Situationen. Obwohl man in der Sitzung zugehört und mitdiskutiert hat, kann man sich am nächsten Tag nicht genau an die Argumente der Kolleginnen und Kollegen erinnern.

Wohl & Sein antwortet

In der Rubrik «Wohl & Sein antwortet» greifen wir Fragen aus der Leserschaft rund um Gesundheit und Ernährung auf. Schreiben Sie uns an wohlundsein@nzz.ch.

Notizen können einem im Arbeitsumfeld gut auf die Sprünge helfen. Sie dienen nicht nur als Gedächtnisstütze, das Mitschreiben fördert auch die Merkfähigkeit. «Das gilt vor allem dann, wenn man nicht alles transkribiert, sondern eine Auswahl trifft», sagt Klaus Oberauer. Er leitet die Allgemeine Psychologie an der Universität Zürich und erforscht das Gedächtnis. «Eine Auswahl zwingt dazu, aktiv zuzuhören und sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.» Das Gehörte wird dabei schon in einem ersten Schritt verarbeitet, was für die Erinnerungsfähigkeit wichtig ist.

Im privaten Umfeld ist das meist keine Option. Wer beim ersten Date mitschreibt, macht einen bemühten Eindruck, das Gegenüber könnte schnell die Flucht ergreifen. Am Familientisch wäre es ebenfalls seltsam und kaum praktikabel. Hier muss man sich anders behelfen.

Der Kognitionspsychologe Oberauer sagt: «Wenn man sich Erzähltes merken will, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zuerst einmal kann man eine Verbindung mit eigenen Erlebnissen herstellen und sich beispielsweise überlegen, wie es einem selbst an dem Ferienort des Freundes gefallen hätte.» Das ist eine Form der Elaboration. In der Psychologie versteht man darunter eine vertiefte Informationsverarbeitung, bei der Verknüpfungen zwischen neuem und bereits bekanntem Wissen erstellt werden. Dadurch entsteht eine reichhaltige Repräsentation einer Erzählung oder eines neuen Sachverhaltes im Langzeitgedächtnis.

Rückfragen strukturieren das Gespräch

Eigentlich geht es beim Zuhören ganz banal darum, sich mit dem Erzählten wirklich auseinanderzusetzen. Deshalb ist es auch hilfreich, möglichst viele Fragen zu stellen, um Unklarheiten zu vermeiden und um eine möglichst vollständige Repräsentation des Erzählten zu erhalten. Man vermeidet dadurch auch Missverständnisse und nimmt Tempo aus der Erzählung, so dass man sich die Details besser merken kann. «Es kann dabei auch hilfreich sein, sich das Erzählte in Bildern vorzustellen», sagt Oberauer. Wer das Fischerdorf im Süden von Albanien vor seinem inneren Auge bildhaft entstehen lässt oder sich die Lage des Ortes auf einer Landkarte vorstellt, kann ihn sich vermutlich besser merken, als wenn der unvertraute Ortsname ohne Anknüpfungspunkt verhallt.

Fragen sind auch eine gute Gelegenheit, das Gehörte in eigenen Worten zusammenzufassen und es dabei für sich selbst zu strukturieren. Das ist eine bewährte Methode, um sich Inhalte besser zu merken. Wenn zum Beispiel eine Person beim ersten Date etwas sprunghaft von verschiedenen Stationen aus der Kindheit erzählt, könnte man versuchen, das zu strukturieren: «Spannend, du hast also an fünf verschiedenen Orten gewohnt, bevor du nach Zürich gezogen bist. Erst in Genf, dann in Lausanne, und was kam dann noch mal?» Die meisten Gesprächspartner freuen sich über das vertiefte Interesse, zudem kann man damit das Gespräch auch in eine Richtung lenken, die einen vielleicht mehr interessiert als das, was die Person gerade ausführt.

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Nicht alles, was unsere Mitmenschen erzählen, interessiert uns gleichermassen. Aber wenn wir merken, dass es einer geliebten Person wichtig ist, sollten wir uns gewisse Details merken. Womöglich hilft dabei schon der reine Vorsatz, sich das Erzählte zu merken. Denn im Schlaf werden Gedächtnisinhalte sortiert. Wichtige Inhalte werden besser abgespeichert als unwichtige. Wie das Gehirn entscheidet, was längerfristig gespeichert wird, darüber rätselt die Forschung noch. Jedoch zeigte eine Studie: Die Erwartung, dass eine Information später abgefragt wird, entscheidet darüber, ob ein Lerninhalt im Schlaf gefestigt wird oder nicht.

Man kann versuchen, sich das im Alltag zunutze zu machen, und sich zum Beispiel vornehmen, das Gehörte einer anderen Person weiterzuerzählen. Dieser Vorsatz könnte die Merkfähigkeit verbessern und führt womöglich automatisch dazu, dass man nachfragt, wenn etwas unklar ist oder eine Information im Gesamtbild fehlt.

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