Donnerstag, Januar 9

Die libanesischen Streitkräfte bekunden offenbar Mühe, in Südlibanon die Kontrolle zu übernehmen. Weil der Hizbullah sich an sein Stammland klammert, erwägt Israel eine Verlängerung des Einsatzes.

Amos Hochstein gehört zu den eifrigsten Diplomaten des Weissen Hauses. Zahllose Male reiste der Sondergesandte für den Nahen Osten nach Israel und Libanon, um ein Abkommen zwischen dem jüdischen Staat und der libanesischen Schiitenmiliz Hizbullah zu vermitteln. Am 27. November waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt: Ein Waffenstillstand trat in Kraft, der zwar von Beginn an auf wackligen Beinen stand, aber bis jetzt hält.

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Nun ist Hochstein erneut in Beirut eingetroffen, um sich ein Bild der Lage zu machen – wohl zum letzten Mal, bevor in Washington die Trump-Regierung das Zepter übernimmt. Am Montagabend zeigte sich Hochstein optimistisch: «Die Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens verläuft nicht reibungslos, ist aber erfolgreich.» Er verkündete stolz, dass sich die israelische Armee gleichentags aus der Küstenstadt Nakoura zurückgezogen habe. Weitere Rückzüge würden folgen, bis Israel ganz abgezogen sei.

Einen Zeitplan dafür erwähnte Hochstein aber nicht – ebenso wenig die zahlreichen Berichte, wonach Israel eine Verlängerung seines Einsatzes um 30 Tage oder mehr erwägt. So sieht das Abkommen vom November eigentlich vor, dass Israel und der Hizbullah innert 60 Tagen aus Südlibanon abziehen müssen, während die libanesische Armee die Kontrolle in dem Gebiet übernehmen soll. Derzeit deutet allerdings wenig darauf hin, dass diese Bedingungen bis zum 27. Januar erfüllt sein werden.

Gegenseitige Vorwürfe

Bislang haben sich die israelischen Streitkräfte (IDF) neben Nakoura erst aus den beiden Orten Khiam und Chamaa zurückgezogen. In über sechzig Ortschaften entlang der Grenze sind sie aber weiterhin präsent. Aus israelischen Sicherheitskreisen heisst es, dass die unterbesetzte libanesische Armee kaum fähig oder willens sei, den Abzug und die Entwaffnung des Hizbullah durchzusetzen. So warten rund 160 000 Libanesen weiterhin auf die Rückkehr in ihre Dörfer.

Doch auch der im Krieg schwer dezimierte Hizbullah scheint es nicht allzu eilig zu haben, seine schiitischen Stammlanden in Südlibanon zu verlassen. Israel wirft der islamistischen Miliz vor, das Abkommen wiederholt verletzt zu haben. Sie habe etwa Raketen für den Abschuss auf Israel vorbereitet oder Munitionstransporte durchgeführt.

Die libanesische Regierung wiederum hat vergangene Woche dem Uno-Sicherheitsrat einen Bericht vorgelegt, gemäss dem Israel seit dem Start des Waffenstillstands über 816 Angriffe in Südlibanon durchgeführt und damit gegen das Abkommen verstossen habe. Israel gibt an, dass es dabei lediglich sein Selbstverteidigungsrecht wahrnehme. Laut der Vereinbarung ist es Israel erlaubt, gegen unmittelbare Bedrohungen militärisch vorzugehen. Laut eigenen Angaben haben die IDF im ersten Monat des Abkommens 44 Hizbullah-Kämpfer getötet.

Ein neuer Präsident für Libanon?

Jüngst haben sowohl Israel als auch der Hizbullah damit gedroht, den Kampf wieder aufzunehmen. Am Sonntag sagte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz, dass Israel zum Handeln gezwungen sei, falls sich der Hizbullah nicht hinter den Litani-Fluss zurückziehe. Zuvor hatte der Hizbullah-Generalsekretär Naim Kassem am Samstag damit gedroht, die «Zurückhaltung» schon vor dem Ablauf der sechzigtägigen Frist abzulegen: «Unsere Geduld könnte zu Ende gehen.»

Dennoch ist davon auszugehen, dass beide Seiten ein Interesse daran haben, dass der Waffenstillstand Bestand hat. Der Hizbullah hat im Krieg gegen Israel Tausende Kämpfer und einen Grossteil seiner militärischen Fähigkeiten verloren. Geht der Krieg von vorne los, könnte die Miliz vollends zerrieben werden. Israel wiederum möchte endlich die Rückkehr jener 60 000 Menschen ermöglichen, die aufgrund des Raketenbeschusses des Hizbullah aus dem Norden des Landes evakuiert werden mussten.

Wenn die Frist zum Rückzug am 27. Januar abläuft, wird der Sondergesandte Amos Hochstein nicht mehr im Amt sein. Umso mehr scheint er bemüht, vor dem Machtwechsel noch für etwas Stabilität im Nahen Osten zu sorgen. Sein Besuch hat denn auch noch einen weiteren Grund: Am 9. Januar soll Libanons Parlament endlich einen neuen Präsidenten wählen – ein Unterfangen, das in den vergangenen zwei Jahren mehrfach gescheitert ist, nicht zuletzt aufgrund der Blockadehaltung des Hizbullah.

Der Wunschkandidat der Amerikaner ist dabei der libanesische Armeechef Joseph Aoun, der auch von Saudiarabien und Frankreich unterstützt wird. Zur allgemeinen Überraschung hat am Sonntag auch der Hizbullah angekündigt, kein Veto gegen den 60-Jährigen einzulegen. Sollte er tatsächlich gewählt werden, wäre ein erster Schritt zur Überwindung des politischen Stillstands in Libanon gemacht. Ob Aoun aber den Hizbullah in die Schranken weisen und einen neuen Krieg verhindern kann, ist eine andere Frage.

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