Seit Beginn seiner Präsidentschaft versucht Macron, Frankreich für ausländische Investoren attraktiver zu machen. Seine Bemühungen tragen Früchte, wie jüngste Ankündigungen zeigen.
«Monsieur le Président, bienvenu à Microsoft!» Mit diesen Worten begrüsste der Microsoft-Präsident Brad Smith Anfang der Woche den französischen Präsidenten Emmanuel Macron – allerdings nicht am Microsoft-Hauptsitz in Redmond, sondern auf Schloss Versailles nahe der französischen Hauptstadt.
Hier hat das Unternehmen soeben seine bisher grösste Investition in Frankreich angekündigt: 4 Milliarden Euro sollen unter anderem in den Aufbau eines neuen KI- und Datenzentrums in Mülhausen fliessen. Zudem will Microsoft seine bestehenden Standorte in der Hauptstadtregion und bei Marseille ausbauen.
Die Investitionspläne sind auch grösser als die in Deutschland und Spanien, die Microsoft ebenfalls in diesem Jahr angekündigt hat. Nach Deutschland sollen 3,2 Milliarden Euro gehen, nach Spanien 2,1 Milliarden. Dass Frankreich den grösseren Brocken abbekommt, begründete Brad Smith im Wesentlichen mit zwei Faktoren: Das Land habe sich der sauberen Energie verpflichtet, was für die Erreichung von Microsofts Nachhaltigkeitszielen wichtig sei. Und Macron habe in den vergangenen sieben Jahren wichtige Wirtschaftsreformen durchgesetzt, die grosse Investitionen möglich und attraktiv machten.
Eine Marketingkampagne für Frankreich
Tatsächlich versucht Macron seit seiner ersten Wahl zum französischen Präsidenten im Jahr 2017 alles, um das Land wieder zu einem attraktiveren Standort für Unternehmen zu machen. Er senkte die Gewerbe- und Körperschaftssteuern, reduzierte die Lohnkosten für Arbeitnehmer und lancierte Investitionsprogramme.
Und er startete eine Marketingkampagne für sein Land: «France is back», verkündete er bereits 2018 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Im selben Jahr fand der erste «Choose France»-Gipfel statt, eine Konferenz, auf der Macron die CEO grosser Unternehmen aus aller Welt persönlich empfängt. Inzwischen wird der Gipfel auch als «Mini-Davos» bezeichnet. Die Chefs von 180 Unternehmen nahmen in diesem Jahr teil, unter ihnen 10 aus der Schweiz.
Dabei kündigten neben Microsoft 56 weitere Firmen Investitionen an, darunter Amazon, das 1,2 Milliarden Euro für seine Cloud-Service-Sparte Amazon Web Services sowie die Logistik seines Versandhandels in Aussicht stellte. Mehr als 3000 neue Arbeitsplätze sollen so entstehen. Weitere Investitionsankündigungen kamen etwa von Pfizer und AstraZeneca sowie vom kanadischen Pommes-frites-Hersteller McCain. Der Gesamtwert der angekündigten Projekte beläuft sich auf 15 Milliarden Euro.
Am beliebtesten bei Investoren
Die im Rahmen von «Choose France» angekündigten Pläne stellen aber nur einen kleinen Teil der gesamten ausländischen Investitionen in Frankreich dar. Nach einer Studie der Unternehmensberatung EY war Frankreich 2023 zum fünften Mal in Folge das europäische Land, das die meisten ausländischen Investoren anzog, vor Grossbritannien und Deutschland. 1194 Projekte wurden im Jahresverlauf angekündigt, in Deutschland waren es im selben Zeitraum nur 733. Jede fünfte Investition in Europa wurde in Frankreich getätigt.
Macrons Standortpolitik scheint also zu wirken, zumal sich die Investitionen in den Jahren vor seiner Wahl auf einem deutlich tieferen Niveau bewegten. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht der in diesem Jahr erreichte Wert zwar einem Rückgang um 5 Prozent. Das ist aber immer noch weniger als in Deutschland, wo die Investitionen laut EY im Vorjahresvergleich um 12 Prozent sanken.
Volumen übersteigt das von Deutschland
Zudem ist das Volumen der getätigten Investitionen in den vergangenen beiden Jahren deutlich gestiegen und liegt nun sogar über dem von Deutschland – und das, obwohl das deutsche Bruttoinlandprodukt mit 4,1 Billionen Euro deutlich grösser ist als das von Frankreich (2,8 Billionen). Zwar ist das Volumen der geplanten Direktinvestitionen in Deutschland in letzter Zeit wieder deutlich angestiegen. Ob das reicht, um wieder zu Frankreich aufzuschliessen, bleibt aber abzuwarten, zumal das Land weiter vorprescht.
Denn auch bei der gefragtesten Zukunftstechnologie dieser Zeit, der künstlichen Intelligenz (KI), hat Frankreich im Wettrennen um Investitionen die Nase vorn. Die Hauptstadt Paris gilt als zweitgrösstes Startup-Ökosystem in Europa (nach London) und ist auf dem besten Weg, eine Hochburg für generative KI zu werden.
KI-Startups sammeln Milliarden ein
Anfang 2022 erreichte Frankreich Macrons Ziel, bis 2025 25 Einhörner zu haben – also Startups mit einem Wert von über einer Milliarde –, drei Jahre früher als geplant. Französische Startups sammelten im Laufe des Jahres fast 12 Milliarden Euro ein – darunter das KI-Startup Mistral AI, das innerhalb von nur einem Monat 105 Millionen Euro erhielt, und das amerikanische Startup Poolside AI, das 126 Millionen Dollar einsammelte und nach Paris umzog.
Im Oktober kündigte der französische Tech-Milliardär Xavier Niel an, 200 Millionen Euro in künstliche Intelligenz zu investieren. Niel steckt auch hinter dem 2017 gegründeten Startup-Inkubator Station F in Paris, dem grössten Startup-Campus der Welt. Macron selbst erklärte vergangenes Jahr, er werde ein 500-Millionen-Euro-Paket zur Schaffung von fünf bis zehn KI-Clustern an französischen Universitäten bereitstellen.
Und auch in anderen Bereichen will die Regierung Investitionen weiter begünstigen. Das im Herbst 2023 eingeführte Gesetz zur «grünen Industrie» und ein im April vorgelegter Gesetzentwurf zur Vereinfachung von Vorschriften sollen administrative Verzögerungen verringern, um Unternehmen die Suche nach verfügbaren Industrieflächen und die Eröffnung von Fabriken zu erleichtern.
Die Pläne kommen gut an: EY hat in der zitierten Studie 500 internationale Wirtschaftsführer zu ihren Investitionsentscheidungen befragt. Drei Viertel glauben, dass die Attraktivität Frankreichs in den nächsten drei Jahren zunehmen wird, und bekräftigten ihr Vertrauen in die Fähigkeit des Landes, die Reformen fortzusetzen.
Der Schuldenberg wächst weiter
Ein Vertrauen, das in der internationalen Politik viele nicht haben. Ende März wurde bekannt, dass der französische Haushalt 2023 erneut im Minus abgeschlossen hat, und zwar noch schlechter als erwartet: Das Land verbucht eine Neuverschuldung von 5,5 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Bis 2026, so das Finanzministerium, wird sich das Minus weiterhin um 5 Prozent des BIP bewegen. Frankreichs Schuldenberg wird somit auch in den nächsten Jahren wachsen. Die Regierung hat zwar diverse Sparpläne angekündigt, doch klar ist, dass durch die Verschuldung auch in Zukunft der Spielraum für Investitionen in die französische Infrastruktur eingeschränkt wird.
Im Schloss Versailles war davon in dieser Woche nichts zu spüren, im Gegenteil: Wirtschaftsvertreter wie Brad Smith waren voller lobender Worte für das Land. Seine Rede schloss Smith mit den Worten «Nous choisissons la France» – wir wählen Frankreich.