Der Regiealtmeister verfällt in einen ziellosen Rausch. In fast jedem Bild entblössen sich schriller Wahnsinn, aber auch schlechte Effekte.
Minutenlang torkelt Adam Drivers Architekturgenie Cesar Catalina durch eine seltsam steril wirkende, dekadent schillernde, sich in multiple Bilder auflösende Partynacht im zwischen den kapitalistischen USA und dem antiken Rom angesiedelten Stadtstaat New Rome. Influencer schreien in die Kameras, Politiker ducken sich mit goldverschmierten Visagen, Statuen erwachen zum Leben, sich klonende Pop-Stars schweben an der Decke, und obwohl alle das herrschende Lügengeflecht durchschauen, wird einfach weitergetanzt. Zumindest bei der Elite, der wütende Mob vor den Toren scharrt längst mit den Hufen. So weit zur Wirklichkeit, der Rest ist kitschige Hollywood-Phantasie.
Cesar ist einer der Mächtigen blauen Blutes, er muss seine inneren Dämonen verdrängen, um eine utopische Stadt zu errichten, das titelgebende Megalopolis. In den üblichen erratischen Ausbrüchen verkörpert er die fragwürdige Wiedergeburt des männlichen Genies. Er besitzt die Fähigkeit, die Zeit anzuhalten. Aber die droht ihm verlorenzugehen, eine Schaffenskrise sozusagen.
Im Haifischbecken der Stadt ist das Leben schwer. Seine Familie will ihn politisch ausstechen, mögliche Verbündete schielen selbst nach der Macht. Also tanzt und schreit er, schwankt und fällt, klettert auf Türme und lernt von neuem zu lieben. Er verliebt sich aber ausgerechnet in die Tochter des ihn verabscheuenden Bürgermeisters, man kennt diese Geschichten, sie dienen hier jedoch nur als trügerische Grundierung eines Films ohne Boden.
Revolution von oben
In fast jedem Bild entblösst sich schriller Wahnsinn. Francis Ford Coppolas Utopieparabel ist ein wirres Werk. Der ziellose Rauschzustand scheint das zu sein, was der Regiealtmeister dem Kino noch abringen möchte, und ein verkrampfter Optimismus im Zeitalter bedrohlicher Wahlergebnisse und sich realisierender Dystopien. Dabei leidet der Rauschzustand an eigentlich zu glatten Digitalbildern, schlechten Effekten und einem fehlenden Rhythmusgefühl.
Das Schreien nach einer utopischen Gesellschaft bleibt reine Behauptung. Weder steckt etwas Nennenswertes hinter dem Stadtkonzept Cesars, noch gibt es sonst ein wirkliches Interesse für andere Formen des menschlichen Miteinanders. Coppola erzählt aus Sicht der reichsten Menschen über deren Verdorbenheit, und er kann sich die Revolution nur vorstellen, wenn sie von den Mächtigen vorgegeben wird.
Als Penis getarnter Pfeil
Vielleicht aber nehmen solche Gedanken den Film bereits zu ernst. Als überbudgetiertes (125 Millionen Dollar liess sich der Filmemacher sein Werk aus eigener Tasche kosten) Stück subversiver Kitsch entfaltet der Film durchaus seinen Charme. Manches ist einfach so haarsträubend, dass es schon wieder interessant wird, beispielsweise eine Sequenz, in der Jon Voight als einflussreicher Geldmensch Hamilton Crassus III. seine Ehefrau und deren Geliebten (mit dem er selbstredend verwandt ist) mit einem Pfeil erschiesst, den er zuvor getarnt als erigierten Penis unter der Bettdecke versteckt hat.
Seit D. W. Griffiths «Intolerance» (1916) gehört das Scheitern überbordender Visionen männlicher Genies zur DNA des babylonischen Hollywood. Coppola selbst hat mit seinem über sämtliche Ufer tretenden Vietnamfilm «Apocalypse Now» einen wichtigen Beitrag zu dieser Reihe finanzieller und/oder künstlerischer Desaster geleistet. In der Kompromisslosigkeit seines Schaffens drückt sich ein bisweilen teuer erkauftes Begehren nach Freiheit aus. «Megalopolis» aber bleibt letztlich blasser Abklatsch, ein Schwafelfilm, den man mehr mögen will, als man es tatsächlich kann.