Donnerstag, Juli 4

Beim 1:0 gegen Belgien zeigen die Franzosen die für sie so typischen Qualitäten. Auch an der EM werden sie nur schwer zu bezwingen sein.

Pragmatismus im Fussball ist eine Qualität für sich. Wer über sie verfügt, der macht sich weniger Gedanken um das Spektakel, der nimmt manche Dinge gelassen, im Wissen, dass es am Ende für ihn vielleicht ohnehin gut herauskommt. Wenn es einen Trainer im Fussball gibt, dem diese Eigenschaft zugeschrieben werden kann, dann ist es zweifellos Didier Deschamps, der französische Nationalcoach. Nach dem 1:0 seiner Mannschaft im Achtelfinal der Europameisterschaft gegen Belgien war der Routinier durchaus zufrieden mit seinem Team – auch wenn er anmerkte, dass nicht alles perfekt gewesen sei.

Kein eigener Treffer aus dem Spiel heraus

Als nicht eben perfekt mag Aussenstehenden erscheinen, dass der Weltmeister von 2018 im bisherigen Turnier noch nicht einen einzigen eigenen Treffer aus dem Spiel heraus erzielt hat. Dass Frankreich dennoch weiterkam, war einem Eigentor der Belgier zuzuschreiben, ein Schuss von Randal Kolo Muani wurde vom Verteidiger Jan Vertonghen entscheidend abgefälscht. Gegen die Niederlande waren die Franzosen torlos geblieben, gegen Polen hat Kylian Mbappé vom Elfmeterpunkt aus getroffen. Gegen Österreich musste beim 1:0-Sieg ebenfalls ein Eigentor herhalten.

Nur kann man sich solche Gelassenheit im Stile von Deschamps leisten, wenn man sich der eigenen Qualitäten sicher ist. Und die sind im Falle der Franzosen durchaus ehrfurchtgebietend. Zwar muss angemerkt werden, dass die Belgier ihnen das Leben nicht unbedingt schwermachten, nur selten kam die Mannschaft des deutschen Trainers Domenico Tedesco vors französische Tor. Aber es ist eben auch eine Qualität, den Gegner nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Und darauf verstehen sich die Franzosen eben brillant.

Zwar brauchte es einmal eine spektakuläre Abwehraktionen von Theo Hernandez, der Yannick Carrasco den Ball in höchster Bedrängnis vom Fuss spitzelte. Aber sonst sicherten auf äusserst diskrete Weise Aurelien Tchouameni, Adrien Rabiot und der ins Team zurückgekehrte N’Golo Kanté das Mittelfeld so zuverlässig ab, dass es auch für versierte Gegenspieler wie Kevin De Bruyne sehr problematisch war. Man kann den Belgiern vorwerfen wollen, sie hätten nicht viel riskiert. Nur liessen die Franzosen eben auch nicht zu, dass sie allzu viel riskieren konnten.

Es sind dies altbekannte Qualitäten der Franzosen. Sie sind die Grossmeister der Effizienz, gefürchtet, geachtet, aber nicht unbedingt geliebt wegen dieser Fähigkeiten. Die Vorwürfe wiegen umso schwerer, da kaum eine andere Mannschaft über solch spektakuläre Stürmer verfügt wie die Franzosen – über Angreifer wie Kylian Mbappé, Ousmane Dembélé und eben Randal Kolo Muani. Auf ihn setzte Deschamps als Einwechselspieler.

Deschamps kennt seine Pappenheimer

Als Deschamps gefragt wurde, ob es für den Profi von Paris Saint-Germain auch darum gehe, den spektakulären Fehlschuss zu überwinden, der Frankreich im Final gegen Argentinien 2022 den WM-Titel kostete, sagte der Coach mit einem Achselzucken: «Ich habe Vertrauen in ihn. Manchmal wirkt er ein bisschen arrogant, aber das ist nicht so.» So redet ein Trainer, der seine Pappenheimer kennt – und von ihnen so gut wie nie negativ überrascht wird.

Die höchst kontrollierte Offensive, die Didier Deschamps pflegt, ist das Ergebnis einer recht langen Evolution: 2014 an der Weltmeisterschaft und zwei Jahre später an der Europameisterschaft im eigenen Land hatte es Deschamps noch mit weitaus spektakulärerem Fussball versucht.

Das Mittelfeld ist kaum zu überwinden

Das Scheitern im Final gegen Portugal leitete die Wende ein: Der Trainer verstieg sich seitdem auf die Methode des Safety First. Hierfür verfügt er über das ideale Personal: Der kleingewachsene N’Golo Kanté brilliert auch im fortgeschrittenen Alter mit einem Stellungsspiel der Sonderklasse, Aurélien Tchouaméni bringt Übersicht und Robustheit mit, und Adrien Rabiot gilt als einer der besten Zweikämpfer des Weltfussballs.

Mit einer Körpergrösse von knapp 1,90 Meter verfügt er über nicht alltägliche Attribute, dazu vermag er mit seinen langen Beinen häufig dem Gegner den Ball noch vom Fuss zu spitzeln. Gegen diese Trio fanden die Belgier kein Mittel. Am Ende blieb ihnen nur Resignation.

Exit mobile version