Montag, September 30

Nach den Wahlen ist in Paris nur eines sicher: höhere Schulden, was der Wirtschaft hilft. Die britische Börse dürfte trotz neuer Regierung unattraktiv bleiben, so wie im gesamten vorigen Vierteljahrhundert der «Great Stagnation». Spannend sind Banken in Japan und Indien.

Die Wahl in Frankreich brachte nicht die aus anderen europäischen Ländern bekannte Machtverschiebung nach rechts. Indem gut 200 zur Wahl stehende Politiker auf ihre Kandidatur meist zugunsten der Linken verzichteten, gewann durch solche Manipulationen die neu gegründete linke französische Volksfront (und nicht die Partei von Marine Le Pen, welche die meisten Wählerstimmen erhielt). Eine Regierungsbildung dürfte schwierig werden, da die gewählten Abgeordneten aus Parteien höchst unterschiedlicher Richtung stammen, die sich nur aus wahltaktischen Gründen trotz extrem unterschiedlicher politischer Ansichten zusammengeschlossen hatten.

Als sicher kann nur gelten, dass die ohnehin hohe französische Staatsverschuldung unter der neuen parlamentarischen Konstellation erheblich steigen wird. Durch solche Stimulierungen dürfte sich die französische Wirtschaft weiterhin besser als die deutsche Wirtschaft entwickeln. Normalerweise bestraft die Marktwirtschaft eine solche Politik durch steigende Zinsen und eine schwache Währung. In der Kunstwährung Euro geht dies allerdings zu Lasten der anderen Euroländer, so dass Frankreich keine Negativkonsequenzen verspüren dürfte. Ein Verfahren, das Brüssel gegen Frankreich (und Italien) einleiten will, dürfte wie immer bisher keinen Effekt haben.

Schuldenbremse im Euro-Raum nicht sinnvoll

Und in Deutschland? Dort sackte die Industrieproduktion entgegen den Erwartungen zuletzt um 6,7% gegenüber Vorjahr ab. Das ist der schlechteste Wert abgesehen von der Pandemie und der Finanzkrise: In der Dotcom-Krise nach 2000 waren nur die Börsen international mit Halbierungen schwach, nicht die Wirtschaft, die lediglich stagnierte. Die deutschen Werkzeugmaschinenaufträge gingen in fünf Monaten um 23% zurück. Erschreckend auch die deutsche Handelsbilanz mit –6,6% bei den Importen (aufgrund der schwachen deutschen Konjunktur) und –3,6% bei den Exporten (aufgrund der schwächeren Wettbewerbsfähigkeit) gegenüber Vorjahr.

Trotzdem beschloss Deutschland, an der Schuldenbremse festzuhalten. Diese zu Bundesbankzeiten sinnvolle Strategie ergibt im Euroraum, wo sich andere wie Frankreich maximal verschulden, (nicht nur der Staat, auch Unternehmen und Konsumenten), aus deutscher Sicht allerdings keinen Sinn mehr.

Auch höhere Staatsdefizite sind allerdings nur dann sinnvoll, wenn die Mittel langfristig wachstumsfördernd eingesetzt werden, wie dies China zum Beispiel mit seiner Infrastrukturpolitik gezeigt hat. In Deutschland werden dagegen die Ausgaben für Infrastruktur und Strassenbau gekürzt, um Milliarden für Entwicklungshilfe, CO2-Absenkung und Bürgergeld auszugeben. Konsumtive Ausgaben zulasten von Investitionen sind das Gegenteil eines Rezepts zur Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft.

Britische Börse seit einem Vierteljahrhundert mau

Auch in Grossbritannien dürfte die zurückliegende Wahl kaum positive Auswirkungen auf die Börse haben. Der Erdrutschsieg der linken Labour Party ist mehr auf das Versagen der Konservativen zurückzuführen als auf Hoffnungen auf eine gute Wirtschaftspolitik unter Labour. In der Berichterstattung ging unter, dass die rechte Partei des Brexit-Befürworters Nigel Farage mit dem Namen Reform UK 14% Stimmanteil erzielte. In Grossbritannien kann man schon Wahlgewinner werden mit gut einem Drittel der Wählerstimmen, was seinerzeit auch den Befürworter des Irakkriegs Tony Blair an die Macht brachte.

Die britische Börse, die in den letzten fünf Jahren kaum vorankam und nur wenig über Vorpandemieniveau notiert, dürfte kaum überdurchschnittlich interessant sein. Der Financial-Times-100-Index hat stark zyklische Komponenten. Auch in den letzten 24 Jahren war hier wenig zu gewinnen, während das britische Pfund fiel.

Japanische und indische Banken aussichtsreich

In den USA ist die Börse in ihrer Breite seit dem Jahreswechsel 2021/22 nicht vorangekommen. Der breite amerikanische S&P 1500 in seiner ungewichteten Version (bei der also anders als in der meistzitierten Variante die Indexmitglieder nicht nach Börsenwert gewichtet sind, sondern alle das gleiche Gewicht bekommen) ist seit nunmehr 670 Tagen nicht vorangekommen beziehungsweise hat keinen neuen Höchststand erreicht. Auch viele internationale Aktienfonds, die in den USA und Europa angeboten werden, liegen nach wie vor – zum Teil deutlich – unter ihrem Stand von Anfang 2022.

Ausnahmen waren die Börse in Taiwan (+25% seit Anfang 2024 in Euro gerechnet) und die japanische Börse, wo der Nikkei um 24% zulegte, der Yen 2024 aber zum Euro und zum Franken um mehr als 11% zurückfiel. Im Gegensatz zur Absicherung von Dollar- oder Mexiko-Peso-Investments bringt die Währungsabsicherung gegenüber dem Yen sogar einen kleinen (Zinsdifferenz-)Gewinn.

Einen Hinweis auf die zukünftige Währungsentwicklung (und oft die Aktienmärkte) gibt der Realzins. In Japan ist dieser immer noch deutlich negativ, was eine Erholung der Währung verhindert.

Japan befindet sich in einem Dilemma, da man einerseits die Konjunktur nicht mit deutlichen Zinsanhebungen bremsen will, andererseits aber die Währung in einem starken Abwertungsprozess ist (37-Jahrestief gegenüber dem Dollar). Prognosen für Zinsen und Währung sind in Japan besonders schwierig, da die Zentralbank einen höchst unentschlossenen Eindruck in Sachen Zinssteuerung macht. Üblicherweise geben viele Zentralbanken eine Orientierung (Guidance) für ihre Politik.

Am besten umgehen ausländische Investoren das japanische Dilemma, indem sie in Bankaktien investieren, die im Gegensatz zu Exportwerten kaum währungsabhängig reagieren. Diese Titel sind oft wachstumsstark und preiswert und dürften neben indischen Aktien in Asien am interessantesten sein.

Auch indische Banken dürften ihren Aufwärtstrend fortsetzen. Zwar steigen diese Titel bisher nicht überdurchschnittlich gegenüber dem indischen Aktienindex, aber folgen der sich voraussichtlich fortsetzenden mittel- und langfristigen überdurchschnittlichen Aktienmarktentwicklung in Indien. Ähnlich wie in Japan sind die Privatanleger in historisch einmaliger Grössenordnung am Aktienmarkt auf der Käuferseite. Dies ergibt Sinn, einerseits im Hinblick auf steigende Gewinne, andererseits im Hinblick auf sinkende indische Zinssätze: Die Anleiherenditen für zehnjährige Titel fielen in den letzten zwei Jahren von 7,5 auf 7%.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.

Jens Ehrhardt

Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.

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