Am 7. Dezember wird die berühmte Notre-Dame-Kathedrale in Paris nach dem desaströsen Brand wiedereröffnet. Kulturministerin Rachida Dati will für den Eintritt neu eine Gebühr verlangen. Die Kirche verweist auf das Laizismus-Gesetz.
Frankreich freut sich auf die Wiedereröffnung eines seiner berühmtesten Wahrzeichen: Die Kathedrale Notre-Dame, die im April 2019 bei einem Feuer massiv beschädigt wurde, ist ab dem 7. Dezember für Besucher wieder begehbar. Mehr als fünf Jahre blieb sie wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen.
Der Besuch der Notre-Dame war bisher, wie in allen Kirchen und Kathedralen in Frankreich, kostenlos. Nun schlägt die französische Kulturministerin Rachida Dati vor, neu fünf Euro Eintritt zu verlangen.
Im Interview mit der französischen Tageszeitung «Le Figaro» betonte Dati die finanziellen Vorteile dieser neuen Gebühr: «Mit nur fünf Euro Eintritt pro Besucher würden wir 75 Millionen Euro pro Jahr einnehmen. Auf diese Weise würde die Notre-Dame alle Kirchen in Paris und Frankreich retten.» Mit dem Geld könnten viele weitere religiöse Bauten restauriert werden, so Dati. Den Vorschlag hat sie laut eigenen Angaben dem Erzbischof von Paris, Laurent Ulrich, unterbreitet.
Die Kirche verweist auf das Gesetz
Die Pariser Diözese – die lokale kirchliche Verwaltung – sagt jedoch, nie von Dati konsultiert worden zu sein. In einer Stellungnahme lehnt die Diözese die Idee der Eintrittsgebühr entschieden ab. Der freie Zugang zu Kathedralen und Kirchen basiere auf dem Laizismus-Gesetz von 1905, das die Trennung von Kirche und Staat regelt. Zudem bestehe die Mission der Kirche darin, jeden Mann und jede Frau unabhängig ihrer Herkunft, Religion oder Weltanschauung «bedingungslos und daher unbedingt kostenlos» willkommen zu heissen.
Laut Datis Vorschlag gälte die Gebühr nur für Touristen, Pilger könnten die Kathedrale weiterhin kostenlos besuchen. Ein solches System wurde 2016 in Zürich eingeführt. Wer im Fraumünster die Andacht besuchen will, kann dies kostenlos tun. Wer hingegen die berühmten Chagall-Fenster sehen will, muss fünf Franken bezahlen.
Die Diözese in Paris hält nichts von einer solchen Unterscheidung. Pilger und Besucher würden voneinander getrennt und so der Gemeinschaft beraubt werden, die das eigentliche Wesen des Ortes ausmache, so die Diözese. Auch in praktischer Hinsicht wäre die Separierung der zwei Gruppen nur unter grossem Aufwand umsetzbar.
Laut der Diözese wurde zudem die Restauration des Gebäudes nach dem verheerenden Brand im April 2019 komplett durch Spenden finanziert. Innert weniger Tage nach dem Brand kamen 846 Millionen Euro zusammen. Viele Besucher hätten dadurch bereits ihre unerschütterliche Verbundenheit mit der Notre-Dame demonstriert, schreibt die Diözese.
Die Notre-Dame-Kathedrale ist ein nationales Monument und gehört dem französischen Staat. Die Kirche hat einzig das exklusive Recht, das Gebäude zu religiösen Zwecken zu nutzen. Damit der Vorschlag von Kulturministerin Rachida Dati eine Chance hätte, müsste das französische Laizismus-Gesetz im Parlament angepasst werden. Ob das Parlament dem zustimmen würde, ist offen.
Der Eintritt in die Notre-Dame wird daher kostenlos bleiben. Und doch wird sich mit der Wiedereröffnung für die Besucher der Kathedrale einiges ändern.
Neues Reservierungssystem
Die kirchliche Verwaltung erwartet mit der Wiedereröffnung noch mehr Besucher als vor dem Brand. Damals strömten jährlich 10 Millionen Besucher in die Kathedrale, neu werden gar 15 Millionen Besucher erwartet. Um den Ansturm besser bewältigen zu können, kündigte die Diözese ein Online-Reservierungssystem an. Touristen müssen darin für ihren Besuch zwingend ein Zeitfenster buchen. Das neue System wird bei der Wiedereröffnung erstmals eingesetzt, weitere Details folgen Mitte November. Doch bereits ist bekannt: Eintritte können nur wenige Tage im Voraus gebucht werden.
Der Schritt vom Online-Reservierungssystem zum Ticketverkauf wäre technisch nicht mehr weit entfernt. In der Sagrada Familia in Barcelona ist dieser bereits Realität. Touristen wählen online das Zeitfenster für ihren Besuch und bezahlen 26 Euro für einen regulären Eintritt. Das Geld fliesst in die Finanzierung des Wahrzeichens, das sich seit 1882 im Bau befindet und frühestens 2033 fertiggestellt sein wird. Auch für einen Besuch im Mailänder Dom müssen Touristen vorab ein Online-Ticket für 14 Euro kaufen. Gläubige dürfen das Bauwerk über einen separaten Eingang kostenlos betreten.
Die Kirche in Paris hat an einer solchen Regelung für die Notre-Dame kein Interesse. Dies sagte auch Sybille Bellamy-Brown, Verantwortliche für das Publikums-Management in der Notre-Dame, dem Touristenmagazin «L’Echo Touristique».
Wie zuletzt die Pariser Diözese bezog sich auch Bellamy-Brown auf das französische Gesetz, wonach es jedem freistehe, ein Gotteshaus kostenlos zu betreten. Als christliche Kathedrale sei es schon immer die Idee gewesen, wirklich jeden willkommen zu heissen. Die daraus resultierenden Kosten würde die Kirche selbst tragen.
Grosse Wiedereröffnungsfeier
Die Notre-Dame wird Anfang Dezember während acht Tagen mit pompösen Feierlichkeiten wiedereröffnet. Doch trotz Wiedereröffnung werden die Bauarbeiten im Dezember noch nicht beendet sein. Die Restaurationen an den Strebebögen dauern laut der Diözese noch weitere vier bis fünf Jahre, diejenigen am Platz rund um die Kathedrale noch mindestens drei Jahre. Danach wird die Notre-Dame äusserlich wieder so aussehen wie vor dem Brand.
Innen wird sich den Besuchern bei der Wiedereröffnung jedoch ein neues Bild bieten. Die Wände in der Kathedrale hatten über die Jahrzehnte dunkle, von Rauch geschwärzte Töne angenommen. Neu werden die Wände der Innenräume in hellen Farben erstrahlen. Grund dafür ist die Reinigung der Steine, Fresken und Malereien.
Erzbischof Laurent Ulrich sagte dem Informationsportal Vatican News: «Oft haben mir Leute gesagt: Geben Sie uns die Kathedrale zurück, so wie wir sie kennen – aber das werde ich nicht tun, weil sie Farben angenommen hat, die sie bislang nicht hatte.»
Die Notre-Dame bleibt ihren Ursprüngen treu – sowohl was die Farben als auch was den kostenlosen Eintritt betrifft.