Das Rassemblement national geht als stärkste Kraft aus der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen hervor. Ob die Partei die nächste Regierung stellen wird, zeigt sich allerdings erst im zweiten Wahlgang.

Beim der ersten Runde der Parlamentswahlen in Frankreich ist das rechtsnationale Rassemblement national (RN) nach Hochrechnungen vom Sonntagabend als Sieger hervorgegangen. Die Partei von Marine Le Pen erhielt 33 Prozent der abgegebenen Stimmen. Le Pen wurde in ihrem Wahlkreis Hénin-Beaumont erneut direkt ins Parlament gewählt.

Ebenfalls hohe Stimmenanteile gewinnen konnte das neu gegründete Linksbündnis Nouveau Front populaire. Die Gruppierung, zu der sich die Sozialisten, die Grünen, die Partei La France insoumise und die Kommunisten zusammengeschlossen hatten, kam auf 28,5 Prozent.

Das Bündnis rund um den Präsidenten Macron mit dem Namen Ensemble belegte mit 22 Prozent den dritten Platz. Unmittelbar nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen rief der französische Präsident in einer Mitteilung des Élysée-Palasts zu «einem breiten Zusammenschluss demokratischer Kräfte» gegen das RN auf. Die hohe Wahlbeteiligung zeige den Willen der Franzosen, «die politische Situation zu klären», so Macron.

Auf den zweiten Wahlgang kommt es an

Tatsächlich war die Wahlbeteiligung mit 67,5 Prozent so hoch wie seit fast 40 Jahren nicht mehr. Politiker, Gewerkschaften und Verbände hatten die Bevölkerung in den vergangenen Wochen fortlaufend zum Wählen aufgerufen, auch Macron hatte jede Gelegenheit dazu genutzt. Mehr als zwei Millionen Wählerinnen und Wähler hatten sich eine Prokura besorgt, damit jemand sie bei der Stimmangabe vertreten durfte.

Nun kommt es auf den zweiten Wahlgang in einer Woche an. Die Assemblée nationale wird im Mehrheitswahlrecht bestimmt. Nur wenn ein Kandidat im ersten Wahlgang mehr als die Hälfte der Stimmen erhält, kann er direkt ins Parlament einziehen. Am Sonntag war das in 65 bis 85 Wahlkreisen der Fall. In den restlichen knapp 500 Wahlkreisen treten die Kandidaten mit den meisten Stimmen am kommenden Sonntag zur Stichwahl an, derjenige mit den meisten Stimmen erhält den Sitz.

Erste Prognosen gehen davon aus, dass das Rassemblement national im Unterhaus mit 255 bis 295 Sitzen stärkste Kraft werden könnte. Für die absolute Mehrheit sind 289 Sitze nötig. Ob das RN diese Mehrheit gewinnen kann, hängt massgeblich davon ab, wie stark die Bereitschaft und der Wille der anderen Parteien ist, sich zu verbünden und Kompromisse zu machen. Jean-Luc Mélenchon, Chef der linken Partei La France insoumise, sagte am Wahlabend, seine Partei sei bereit, in Wahlkreisen, in denen man auf dem dritten Platz gelandet sei, die Kandidaturen zurückzuziehen.

Ein Regierungswechsel scheint unvermeidlich

Der Rassemblement national kommt gemäss erster Prognosen in 390 bis 430 Wahlkreisen in die zweite Runde. Das Wahlbündnis der Linken könnte in 370 bis 410 Wahlkreisen in die zweite Runde kommen, das Regierungslager in 290 bis 330 Wahlkreisen.

Dass Macrons Mitte-Lager auch künftig die Mehrheit in der Nationalversammlung haben und die Regierung stellen wird, ist damit äusserst unwahrscheinlich. Den Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken. Es dürfte also zu einem Machtwechsel kommen, bei dem Premierminister Gabriel Attal seinen Posten räumen muss. Für Präsident Macron ist es eine herbe Niederlage, da er darauf gesetzt hatte, mit der vorgezogenen Neuwahl seine Position zu stärken.

Macrons eigenes Amt steht hingegen nicht auf dem Spiel, da der Präsident in einer separaten Wahl bestimmt wird. Die nächste Präsidentschaftswahl findet 2027 statt. Die nun stattfindende Parlamentswahl haben die Franzosen dem Entscheid Macrons zu verdanken, am 9. Juni das Parlament aufzulösen. Macron hatte damit auf die krachende Niederlage seiner Partei bei der Europawahl reagiert.

Schwierige Mehrheitsbildung erwartet

Frankreich steht nun vor einer ungewissen Zukunft. Sollte tatsächlich keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, müssen die politisch weit auseinander stehenden Parteien zähe Verhandlungen um eine Koalition aufnehmen. In einem solchen Fall wäre es auch möglich, dass eine Art Expertenregierung eingesetzt wird.

Sollte jedoch das Rassemblement national auch am nächsten Sonntag eine Mehrheit erlangen, müsste Macron der Partei die Regierungsbildung überlassen. Es gäbe dann eine sogenannte Cohabitation, bei der Macrons Macht deutlich schrumpfen würde. Die Rechtsnationalen haben bereits angekündigt, dass der 28-jährige Parteichef Jordan Bardella den Posten erhalten würde. Allerdings sagte er im Vorfeld der Wahl, er werde nur Regierungschef, wenn das RN eine absolute Mehrheit gewinne. In einer Ansprache am Wahlabend sagte er, er wolle «der Premierminister aller Franzosen» sein – aber «unnachgiebig in Bezug auf die Politik, die wir umsetzen werden».

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