Samstag, Oktober 5

Der langjährige Manager von Udo Jürgens spricht über die Schattenseiten seines Geschäfts – und über den Suizid seines Sohnes vor sechs Jahren.

Noch ein Medientermin. Einer grossen Schweizer Zeitung hat er diese Woche schon ein längeres Interview gegeben. Die Fernsehsendung «10 vor 10» berichtete über ihn, «Blick» und «20 Minuten» ebenso, und am nächsten Tag will das Radio offenbar eine einstündige Sendung mit ihm machen.

Freddy Burger sagt: «Ich bin nudelfertig. Wozu brauchen Sie dieses Gespräch überhaupt noch? Es steht doch alles in meinem Buch.»

Journalisten, die Medien, die Öffentlichkeit, Freunde und Wegbegleiter, die alle etwas von ihm wollen. Er im Zentrum der Aufmerksamkeit: «Herr Burger!», «Freddy!», «Freddy!», immer wieder. Das ist eigentlich nicht seine Welt, obwohl es trotzdem seine Welt ist.

Gala mit fünfhundert Gästen

Am Abend vor dem Treffen in seinem Büro in Zürich Hottingen sass Freddy Burger über zwei Stunden lang in einem roten Sessel auf der Bühne des Theater 11 in Oerlikon – und war überwältigt. Fünfhundert geladene Gäste waren erschienen, um der Vernissage seiner Autobiografie beizuwohnen, die Burger dieser Tage zusammen mit einem PR-Berater publiziert hat. Fünfhundert! Gerechnet habe er höchstens mit der Hälfte, sagte der 78-Jährige, als er zu Beginn der Veranstaltung den Saal hinauf ins Publikum blickte.

Und: «Es blendet.»

Burger stand im Scheinwerferlicht, im doppelten Sinn. Filippo Leutenegger, Paola Felix, der Komiker Michael Elsener, ein Kamerateam des Schweizer Fernsehens: Sie alle waren seinetwegen gekommen. Sie wollten ihm die Ehre erweisen – Freddy Burger, dem ungekrönten König des Showbusiness. Der langjährige Manager von Udo Jürgens hat sich in fast sechzig Jahren im Musik-, Theater- und Gastro-Geschäft ein weitverzweigtes Netzwerk aufgebaut. Jeder kennt ihn oder tut zumindest so, zumindest am Mittwochabend im Theater 11.

Aber es gab auch ehrliche Momente an dem Event. Die Umarmung mit alt Bundesrat Adolf Ogi auf der Bühne kam von Herzen. Die beiden Männer kennen sich seit den siebziger Jahren.

Bundesrat Albert Rösti, der wohl wichtigste aller Anwesenden, gab sich sofort als Burger-Fan zu erkennen, als er ihm on stage gegenübersass. Die Idee, Udo Jürgens 1983 an einem Flügel aus Plexiglas auf dem Jungfraujoch singen zu lassen, auf 3454 Metern über Meer? «Ein toller Werbespot fürs Berner Oberland!» Die Thunerseespiele, die in der Heimat des SVP-Magistraten über die Bühne gehen und von einer von Burgers Firmen realisiert und vermarktet werden? Eine super Sache, «die schönste Kulisse der Welt», sagte Rösti und lachte in die Kamera.

Burger war gerührt. Erst recht, als ihn das Publikum am Ende der Podiumsrunde mit stehenden Ovationen bedachte und minutenlang applaudierte.

«Das bin nicht ich»

Aber eben: Eigentlich ist das nicht seine Welt. Freddy Burger auf der grossen Bühne: «Das bin nicht ich», sagt der Mann, der sein ganzes Berufsleben lang mit diesen Bühnen zu tun hatte – im Hintergrund, nicht im Scheinwerferlicht. «Der Mittwochabend war eine Ausnahme.» In seinem Büro in Hottingen liegen zwar die «Glücks-Post» und die «Schweizer Illustrierte» auf. Aber eine Home-Story mit Freddy Burger in Zürich gab es in all den Jahren nie. Er will kein Selbstdarsteller sein, auch wenn er viel erzählt aus seinem Leben und immer wieder abschweift, auch in seinem Buch.

Er kennt die Schattenseiten seines Geschäfts. Burger, ein Kind aus kleinbürgerlichen Verhältnissen in Schwamendingen, ging oft ans Limit und darüber hinaus. Nach der Lehre als Hochbauzeichner stürzte er sich ins Musikgeschäft. Mit Anzug, Krawatte und Aktenkoffer. Burger verkörperte die seriöse Antithese in einer Zeit, da viele seiner Mandanten lange Haare trugen, der «Flower Power»-Bewegung huldigten und ein Leben mit viel «Sex, Drugs and Rock’n’Roll» zelebrierten. Eine ungewöhnliche Kombination.

Als Udo Jürgens mit 66 Jahren im «Playboy» «über sein ausschweifendes Sexualleben schwadronierte» (so beschreibt es Freddy Burger in seinem Buch), gerieten die beiden ungleichen Partner im Streit aneinander. Burger war verärgert über das unvorteilhafte Interview, schliesslich stand er kurz vor der Unterzeichnung eines lukrativen Sponsoringvertrags für seinen Schützling. Jürgens konterte und bezeichnete Burger als «kleinkarierten Spiesser». Die Stimmung zwischen dem Manager und seinem grössten Star war wochenlang getrübt. Burger war beleidigt. Aber dann ging dieses Tief vorbei.

Die Erfahrungen, die Burger Jahre zuvor gemacht hatte, waren viel einschneidender: Überforderung, Überarbeitung, Angstzustände, Zusammenbrüche. Phasen kompletter Energielosigkeit, denen er, der Workaholic, mit noch mehr Arbeit zu entfliehen versuchte. Burger schreibt: «Ich wollte weitermachen, musste weitermachen.» Nur keine Schwäche zeigen. Bis er abermals implodierte.

«Ich kann nicht mehr – ich werde Gärtner»

Er hatte sich in eine Sackgasse manövriert. Eine Auszeit half nicht, die Angstzustände blieben. Der Unternehmer machte eine Therapie bei einem Psychiater, damals, in den achtziger Jahren, als der Begriff «Burnout» unbekannt war und es noch nicht zum guten Ton gehörte, über Depressionen zu sprechen. Im «Zischtigsclub» des Schweizer Fernsehens diskutierte eine Männerrunde über etwas anderes: «Midlife-Crisis.» Mit dabei: Freddy Burger, noch keine 40 Jahre alt. Er lässt das Fernsehpublikum wissen: «Ich hatte das Gefühl: Ich kann nicht mehr – ich werde Gärtner.»

40 Jahre später sagt der Manager in seinem Büro in Hottingen: «Ich bin sensibel.» Er wolle spüren, mit wem er es zu tun habe. Und: «Wenn ich heute überfordert bin, gehe ich hinaus in den Wald und umarme Bäume. Das gibt mir Kraft.» Eine Vernissage mit fünfhundert geladenen Gästen hingegen, ein Konzert mit Tausenden von Zuschauern, ein Musical, an dem alles stimmen muss: Technik, Abläufe, Atmosphäre, das Business dahinter – all das kostet Energie. Und zwar mehr, als Freddy Burger in den grossen Krisenphasen seines Lebens mobilisieren konnte.

Der Unternehmer musste lernen, zu delegieren, loszulassen und anderen zu vertrauen. Und siehe da: «Die Welt ging nicht unter, die Firma ging nicht pleite», schreibt Burger über die Zeit, als er beschlossen habe, die Schulferien seiner Kinder – «immerhin 14 Wochen pro Jahr» – mit seinen Söhnen und seiner damaligen Frau zu verbringen. Am liebsten ohne Telefon, ohne Faxgerät, ohne Kontakt zum Büro.

Burger sagt: «Ich hatte schon immer zwei Freddys in mir drin: den kleinen, harmoniebedürftigen, naturverbundenen Freddy, der Auftritte wie bei der Vernissage nicht gesucht hat – und den toughen Manager.» Sein Ziel sei es, die Balance zu finden zwischen den beiden, auch wenn ihm das nicht immer gelinge. Ohne den kleinen Freddy wäre er nie so erfolgreich gewesen, sagt der Unternehmer, dessen Unterhaltungs- und Gastro-Imperium vor der Corona-Pandemie 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigte.

Ohne den kleinen Freddy wäre es ihm nicht möglich gewesen, die Leute auf seine Art abzuholen: direkt und einfühlsam zugleich. Burger weiss: Das Showbusiness ist ein People-Business und umgekehrt. Da kamen ihm seine beiden Ichs entgegen.

Brennende Papierschiffchen auf dem Zürichsee

Freddy Burger ist – das zeigt seine Vita als Geschäftsmann, die den Rahmen dieses Artikels sprengen würde – ein Macher. Er muss etwas unternehmen, Projekte lancieren, Neues ausprobieren, immer wieder. Ein Klavierkonzert auf dem Jungfraujoch? Uhren aus wiederverwerteten Aludosen (die er Ende der neunziger Jahre zusammen mit Dieter Meier lancierte)? Ein Gala-Diner für 1350 Gäste in einem Zelt (zum 100. Geburtstag der Fifa 2004 auf dem Sechseläutenplatz in Zürich)? All das habe es so noch nicht gegeben. «Darum hab ich es gemacht», sagt Burger.

Ob er vor irgendetwas davonrenne, vor sich selber gar?

«Nein», antwortet Burger. «Aber mein Hauptproblem ist, dass ich meine eigenen Grenzen immer wieder überschritten habe, weil ich immer mein Bestes geben wollte.» Auch wenn sein Innenleben darunter gelitten habe.

Der Mann wirkt im Reinen mit sich selbst. Ganz kurz sprechen wir auch über den Verlust seines Sohnes aus erster Ehe, der sich 2018 das Leben genommen hat. Burger sagt: «Ich habe es akzeptiert. Er ist nun an einem besseren Ort.» Das Buch hat er ihm gewidmet. Dort beschreibt er auch, wie seine Frau, seine beiden anderen Söhne und er Abschied genommen haben: An einem stürmischen Abend schickten sie Papierschiffchen samt Kerzen und Abschiedsbriefen hinaus auf den Zürichsee.

Und jetzt, da das Buch publiziert, die Vernissage vorbei ist und sich der Rummel um seine Person bald wieder legen dürfte?

Ende Jahr wird Freddy Burger 79 Jahre alt. Seine Firma Freddy Burger Management wird dann komplett an Oliver Burger übergehen, den älteren Sohn des Patrons aus zweiter Ehe. Burger betont: «Oliver wollte das so, ich vertraue ihm.» Er werde nichts mehr bestimmen. Aber natürlich könne ihn sein Nachfolger immer um Rat fragen.

Freddy Burger wird sich dann um seine weiteren Beteiligungen kümmern. Seine Frau Isabella sagte an der Vernissage: «Er ist viel entspannter geworden in den vergangenen Jahren.» Sterben möchte Burger am liebsten wie sein Freund und Partner Udo Jürgens vor knapp zehn Jahren: schnell und bis zum Schluss im Vollbesitz seiner Kräfte.

Freddy Burger: Liebe, Lust & Leidenschaft. Helvetia-Verlag. Bern 2024. 256 S., Fr. 43.90.

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