Dienstag, April 1

Franziskus fordert Verhandlungen in der Ukraine und in Gaza – ohne die Aggressoren in die Pflicht zu nehmen und ohne selbst eine Friedensinitiative auf den Weg zu bringen.

Der Vatikan verfügt über ein hervorragendes diplomatisches Netz, über viele kluge Köpfe in der Kurie – und über einen Papst, der sich um all die geballte Kompetenz zu scheren scheint. Dieser Eindruck stellt sich jedenfalls ein nach den jüngsten Auslassungen des Pontifex über die weisse Fahne und die Notwendigkeit rascher Friedensgespräche im Ukraine- wie im Gaza-Krieg.

Nicht zum ersten Mal müssen die vatikanischen Spin-Doktoren dem Oberhaupt der katholischen Kirche zu Hilfe eilen, um klarzustellen, wie eine Äusserung ihres Chefs zu verstehen sei. Nein, die weisse Fahne, von welcher der Pontifex in einem Gespräch mit dem Tessiner Fernsehen gesprochen hat, sei keineswegs als Forderung nach Kapitulation zu verstehen; und nein, der Papst habe in dem Interview keine neue Haltung zum Ausdruck gebracht, sondern nur das wiederholt, was er immer schon betont habe: dass die Konflikte in der Ukraine und in Gaza nur durch Verhandlungen zu lösen seien.

Alles halb so schlimm also? Keineswegs!

Papst Franziskus ist eigentlich ein begnadeter Kommunikator. Wenn er zu den Leuten spricht, die in seinen Audienzen zugegen sind, findet er meist die richtigen Worte. Er tröstet, muntert auf, zitiert aus seinem reichen Wissensfundus, überzeugt durch seine Menschlichkeit und seinen Humor. Kurzum: Franziskus ist zugänglich und sympathisch.

Kein Gespür für die europäische Geschichte

Leider gelingt es ihm nicht, diese Eigenschaften dann ins Spiel zu bringen, wenn es besonders wichtig wäre: in innerkirchlichen Reformfragen etwa oder dann, wenn es um internationale Politik geht. Dann wirkt er zumeist unpräzise, erratisch und sprunghaft. Von seinen Beratern heisst es in Rom, sie hätten jeweils das Nervenflattern, wenn Franziskus eines seiner vielen Interviews gebe.

Sein Votum für die weisse Fahne – ein unzweifelhaftes Symbol für Kapitulation – nur so erklären zu wollen, greift aber zu kurz. Vielmehr vermischen sich diese Charaktereigenschaften mit Prägungen anderer Art. Manche Beobachter verweisen etwa auf seinen verklausulierten Antiamerikanismus, dessen Wurzeln sie in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires verorten.

Mindestens ebenso stark ins Gewicht fällt die Tatsache, dass er nicht aus Europa stammt und anders als seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. die Grauen des Zweiten Weltkriegs nicht persönlich erlebt hat. Man hat das in den ersten Jahren seines Pontifikats wohl unterschätzt, doch nun, wo ein kriegerischer Konflikt auf dem alten Kontinent die Menschheit in Atem hält, spielt es eine Rolle. Weder der polnische noch der deutsche Papst hätten wohl im Ukraine-Konflikt für das Hissen der weissen Fahne plädiert.

Als Vermittler kann man sich nicht auf eine Seite schlagen

Wer jetzt sagt, der Papst argumentiere einfach so, wie es ihm sein Job gebiete, nämlich im Sinne der christlichen Nächstenliebe, verkennt einen zentralen Punkt: Es ist ihm bisher nicht gelungen, sich in irgendeiner Weise konkret ins Spiel zu bringen. Die Friedensinitiativen des Heiligen Stuhls sind, wenn es sie denn überhaupt je gegeben hat, allesamt verpufft.

Das hat damit zu tun, dass Franziskus Mal um Mal – und durchaus wenig christlich – eine der involvierten Parteien brüskiert hat. Im Ukraine-Krieg hat er es lange unterlassen, den Aggressor Putin beim Namen zu nennen. Gleiches gilt für den Gaza-Konflikt: Nie hat der Papst bisher den terroristischen Anschlag der Hamas als Auslöser für das Blutvergiessen genannt. Kein Wunder, reagieren sowohl die Ukraine als auch Israel verstimmt, wenn der Heilige Stuhl das Lied vom Frieden anstimmt und Verhandlungen fordert.

Seit der Kirchenstaat von der Bildfläche verschwunden ist, müssen die Päpste keine eigenen staatlichen Interessen mehr vertreten. Umso mehr könnten sie in internationalen Konflikten als vertrauenswürdige Makler auftreten, die nur religiösen und moralischen Prinzipien verpflichtet sind. Wer aber immer nur eine Seite zur Verantwortung zieht, nimmt sich als Vermittler aus dem Spiel.

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