Donnerstag, Februar 27

Der Gesundheitskonzern Fresenius hat eine fulminante Aufholjagd hingelegt. Allmählich wird die Luft nach oben dünner. Die moderate Bewertung bei sinkender Verschuldung spricht aber weiterhin für die Aktie.

Die Fresenius-Aktie entwickelte sich am Mittwoch fulminant: Das Papier setzte sich mit einem Kurssprung von annähernd 7% an die Spitze des Dax40. Seit dem Aufstieg von Michael Sen zum CEO Anfang Oktober 2022 hat der Aktienkurs um 73% zugelegt und damit den Branchenindex Stoxx Europe 600 Health Care (+23%) weit hinter sich gelassen.

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Zuletzt allerdings haben die Titel etwas an Dynamik verloren. Im aktuellen Momentum Screen von The Market liegen sie im Mittelfeld des Dax 40, wie auch die Aktien der Beteiligung Fresenius Medical Care. Die Frage ist also: Was ist noch drin bei Fresenius?

Die Anleger erfreute zur Bilanzpräsentation am Mittwoch vor allem, dass das noch junge, kleine Geschäft mit Biopharmazeutika der Medikamentensparte Kabi stark wächst. Auch deshalb stockt das Management das Mittelfristziel für Kabis› Ebit-Marge leicht auf 16 bis 18% (von bisher 14 bis 17%) auf. Im zweiten Kerngeschäft, bei der Kliniktochter Helios, steht dagegen ein neues Kostensenkungsprogramm über 100 Mio. € an.

Der gesamte Konzern erwartet für 2025 ein Umsatzplus von 4 bis 6% sowie 3 bis 7% mehr Ebit. Damit würde sich das Wachstum beider Kenngrössen deutlich abflachen, wobei sich das Management sicherlich wieder Puffer für Prognoseerhöhungen geschaffen hat.

Vergangenes Jahr nahm der Umsatz organisch um 8% auf 21,5 Mrd. € zu, der Ebit stieg um 10% auf 2,5 Mrd. €; damit erreichte Fresenius die zweimal aufgebesserte Jahresprognose. Kostensenkungen trugen hierzu 474 Mio. € bei und übertrafen die ursprüngliche Zielvorgabe von 400 Mio. € deutlich.

Fresenius hat erheblich Risiken reduziert

Sen und CFO Sara Hennicken kommen beim Konzernumbau weiter gut voran. Das Topmanagement hat – wenngleich zu teils hohen Kosten –massiv Risiken rausgenommen: Die einstige Tochter Fresenius Medical Care (FMC, Fresenius-Anteil: 32%) wurde Ende 2023 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ist seither dekonsolidiert. Den intransparenten Wiener Krankenhausdienstleister Vamed hat man Stück für Stück verkauft, und Anfang Februar wurde sogar ein Erwerber für das internationale Projektgeschäft gefunden, das als unverkäuflich galt und bis 2026 abgewickelt werden sollte.

Fresenius wird dem Käufer World Wide Hospitals (WWH) aus Hamburg, einem Betreiber von Krankenhäusern aus Containern, allerdings einen hohen dreistelligen Millionenbetrag an Liquidität mitgeben müssen. Die Summe in der Grössenordnung von 900 Mio. € war eigentlich für die Abwicklung vorgesehen. Laut Hennicken plant WWH das Geschäft fortzuführen, das zuletzt 500 Mitarbeiter hatte. Der Abschluss der Transaktion wird zur Jahresmitte erwartet; dann soll auch die erste Tranche der Mitgift fliessen. Ergebnis und Cashflow werden durch das Closing nochmals belastet werden, sagte die CFO.

Produktivität und Kosten im verbleibenden Konzern bleiben auch deshalb stark im Fokus, weil Fresenius sinnvollerweise die Schuldenlast weiter senken will. 2024 schrumpfte die Nettoverschuldung im Verhältnis zum Ebitda erheblich von 3,8 auf 3,0. Damit traf Fresenius zum ersten Mal seit über sieben Jahren den noch von Sens Vorgängern gesetzten Zielkorridor von 3,0 bis 3,5. Nicht nur das Ebitda stieg kräftig, auch seien 2 Mrd. € Nettoverschuldung zurückgeführt worden, sagte Hennicken. Als neue Richtschnur gab das Management eine Verschuldung in Höhe des 2,5- bis 3-fachen Ebitda aus.

Positiv zu werten ist aus Investorensicht auch, dass Fresenius die Dividendenausschüttung wieder aufnimmt: Mit 1 € je Aktie liegt sie sogar über den 0.92 €, die für 2022 und 2021 gezahlt wurden. Für 2023 war Ausschüttung zum ersten Mal in Fresenius‘ Börsenhistorie ausgefallen, da der Konzern in der Energiekrise staatliche Energiehilfen in Anspruch nahm. Sen kündigte an, künftig 30 bis 40% des Nettogewinns auszuschütten.

Damit könnten die Dividenden in Zukunft wieder stetig wachsen. Bis 2021 hatte Fresenius den Status als Dividenden-Aristokrat inne; bis dahin war die Ausschüttung 29 Jahre in Folge gestiegen.

Auch Sens Mantra einer «werthaltigen Entwicklung» der FMC-Beteiligung scheint aufzugehen: Der FMC-Aktienkurs hat im vergangenen Jahr um 23% zugelegt; seit Dezember 2024 ist FMC zurück im Dax.

FMC hat sich vor allem im schwierigen US-Dialysemarkt zuletzt solide entwickelt: Seit Mitte vergangenen Jahres nehmen die Behandlungen wieder leicht zu, wenn auch nur um 0,5%. Der Konzern hatte lange unter der erhöhten Mortalität der Patienten infolge von Covid und Grippewellen gelitten.

Das Spar- und Umbaubauprogramm der von Sen 2023 eingesetzten FMC-CEO Helen Giza scheint zu greifen. Anlässlich der gestrigen FMC-Bilanzvorlage hat auch Giza das Sparziel erhöht und rechnet für 2025 mit einer weiteren Steigerung der Ebit-Marge von 9,3% auf 11 bis 12%. Der Umsatz soll im niedrigen einstelligen Prozentbereich steigen. Dabei ist berücksichtigt, dass Desinvestitionen einen Prozentpunkt kosten. FMC hat sich aus einem Dutzend Märkten zurückgezogen, etwa aus ganz Lateinamerika.

«Wir haben gestern gehört, dass bei FMC auch noch Musik drin ist», sagte Sen auf die Frage, wann er sich von dem 32%-Anteil trennen will. FMC sei ein «schönes Investment» mit Potenzial für weitere Wertsteigerung. Analysten erwarten, dass Fresenius den Anteil im Wert von aktuell gut 4 Mrd. € im laufenden Jahr abgeben könnte. Trotz der Dekonsolidierung haben Sen als Chefaufseher bei FMC und CFO Hennicken als Aufsichtsrätin die Kontrolle über die Beteiligung de facto weitgehend behalten.

Fresenius gewinnt neue Freiheiten

Der Konzern gewinnt also allmählich neue Freiheiten. Bleibt die Frage, was das Topmanagement damit anfangen wird – und wie Fresenius wachsen und die Rentabilität steigern kann. Bei der Kapitalrendite (Return on Invested Capital, ROIC) hat Fresenius weiter Nachholbedarf, auch wenn sie 2024 um einen Prozentpunkt auf 6,2% zunahm.

Das angestammte Geschäft der auf Kliniken ausgerichteten Sparte Kabi mit intravenös verabreichten Generika, parentaler Ernährung, Bluttransfusionen und Infusionen wächst stabil, allerdings nur mit etwa 3%. Fresenius investiert deshalb verstärkt in den Wachstumsfeldern klinische Ernährung, MedTech (Infusions- und Transfusionspumpen) sowie Biopharmazeutika. Der letztgenannte Bereich legte 2024 um 68% auf 611 Mio. € Umsatz zu, mittelfristig werden 1 Mrd. € angestrebt.

«Wir können und müssen organisch in CapEx und in Innovationen investieren», sagte Sen. So solle die Biopharma-Pipeline weiter gefüllt werden. Die hochprofitable spanische Kliniktochter Quirónsalud könnte auch neue Krankenhäuser bauen, sofern sich gute Gelegenheiten bieten. Dagegen ist im Klinikgeschäft in Deutschland sparen angesagt, auch um den Wegfall der staatlichen Energiehilfen von über 140 Mio. € auszugleichen.

«Man wundert sich, wie viel Potenzial noch drin ist», sagte Sen mit Blick auf geplante Einsparungen beim Einkauf. Klinische Prozesse sollen verbessert werden – etwa über eine Clusterbildung von Krankenhäusern – und in Digitalisierung investiert werden. 2025 wird abermals nur eine Ebit-Marge von 10% in der Kliniksparte erwartet, nach 10,1% im Vorjahr. Den Zielkorridor ab 2026 belässt das Management bei 10 bis 12%.

Moderate Bewertung

Angesichts insgesamt positiver Aussichten ist die Fresenius-Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,6 auf Basis des erwarteten Gewinns für 2025 moderat bewertet. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass Risiken – auch auf der Finanzierungsseite – deutlich reduziert werden.

Die moderate Bewertung und die guten Marktpositionen sprechen dafür, dass sich die Titel auch bei Turbulenzen an den Börsen relativ gut behaupten sollten.

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