Mittwoch, Oktober 30

Freiburg verliert durch den Abgang des flamboyanten Kanadiers mehr als bloss einen zuverlässigen Skorer. DiDomenico prägte den Aufbruch der Freiburger in den letzten Jahren.

Das Ende kam diesmal völlig unspektakulär und ohne das Getöse, das seine Abgänge üblicherweise begleitet. «DiDomenico geht, Lilja kommt», kommunizierte Fribourg-Gottéron am frühen Montagabend.

Der Sportchef Gerd Zenhäusern wird in der nur 14 Zeilen umfassenden Medienmitteilung zitiert: «Chris DiDomenico hat in den letzten Jahren eine wichtige Rolle in Freiburg gespielt. Da sein Vertrag in dieser Saison ausläuft, haben wir ihm die Möglichkeit gegeben, sich bei einem anderen Verein zu profilieren. Im Rahmen dieses Austausches möchte Fribourg-Gottéron dem kanadischen Stürmer herzlich für seinen Einsatz während seiner Spielzeiten in der BCF-Arena danken.» Am Morgen danach sagte Zenhäusern am Telefon zur NZZ: «Es ist manchmal besser, wenn man rechtzeitig einen Schlussstrich zieht. Viel mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen.»

Chris DiDomenico ist eine der heissblütigsten Persönlichkeiten, die sich auf Schweizer Eis bewegen. Er ist Eishockeyspieler aus Leidenschaft, und genau so tritt er auch auf. Üblicherweise lässt sich an seiner Skorerstatistik ablesen, ob er sich da, wo er gerade ist, wohlfühlt oder nicht. In Freiburg tat er das zuletzt nicht mehr.

DiDomenico ist ein bekennender Anhänger von Christian Dubé. Der Frankokanadier hat ihn in seiner Funktion als Sportchef und Trainer gleich zweimal zu Gottéron geholt. Ein erstes Mal im Frühjahr 2020, als er DiDomenico von den SCL Tigers weglockte. Und ein zweites Mal vor anderthalb Jahren, als er den flamboyanten Kanadier vom SC Bern zurückholte. Dubé sagte der NZZ vor wenigen Monaten: «Chris ist betreuungsintensiv. Du musst ihm das Gefühl geben, dass du auf ihn setzt. Dann geht er für dich durchs Feuer. Spürt er aber, dass man an ihm zweifelt, dann kannst du ihn vergessen.»

DiDomenicos Sehnsucht nach Christian Dubé

Aber Dubé kann sich nicht mehr länger um seinen Musterschüler kümmern, Gottéron hat sich im Sommer von ihm getrennt. Nach Jahren unerfüllter Meisterträume will man mit einem anderen Coach an der Bande versuchen, endlich einen Titel zu gewinnen. Anfang Mai hatte das Management das Team für eine Saison dem bisherigen Assistenten Pat Emond anvertraut. In der kommenden Saison soll dann der Schwede Roger Rönnberg übernehmen. Es ist eine ungewöhnliche und auch riskante Massnahme, eine Mannschaft von einem Coach betreuen zu lassen, dessen Abgang schon vor seinem Antritt feststeht.

DiDomenico ist nie wirklich hinter Emond gestanden. In der Kabine soll er ständig gemäkelt haben, dass dieses und jenes unter Dubé besser gewesen sei. Entsprechend war auch sein Output auf dem Eis: In 16 Partien hat er nur zwei Treffer erzielt – das ist weit unter den Skorerwerten, die der technisch begnadete DiDomenico üblicherweise garantiert. Wirklich überraschend kam der Wandel aber nicht.

Schon zu Beginn der Saison hatte man in Freiburg mit dem Gedanken gespielt, sich trotz weiterlaufendem Vertrag von dem 35-Jährigen zu trennen. Gottéron befindet sich in einem markanten Umbruch. Die Mannschaft ist überaltert und hat ihren Zenit wohl überschritten. Mit Andrei Bykow erhielt ein Spieler keinen Vertrag mehr, der zuvor zu den Leistungsträgern und Publikumslieblingen gehört hatte. Deshalb wollte man dem treuen Anhang nicht auch noch die Trennung von einem weiteren Spieler zumuten, der so exzellent zu diesem Klub passt.

In die neue Saison ist Fribourg-Gottéron miserabel gestartet. Nach 16 Runden liegt das Team auf dem drittletzten Tabellenplatz. Nur der notorisch überforderte HC Ajoie sowie Genf/Servette sind noch schlechter klassiert. Die Hoffnung auf den ersten Titel in der Klubgeschichte scheint noch vor der Hälfte der Qualifikation in weite Ferne gerückt zu sein. Der Klub kämpft um einen Platz in den sogenannten Pre-Play-offs.

Die Trennung von Chris DiDomenico ist der Versuch, die Chemie im Team zu ändern. Zenhäusern sagt: «Man kann Chris sicher nicht vorwerfen, sich nicht eingesetzt zu haben. Und doch können wir uns in der gegenwärtigen Situation nicht erlauben, Spieler im Team zu haben, die nicht vollständig von unserem Weg überzeugt sind.»

DiDomenico geht deshalb zum HC Ambri-Piotta und versucht, seine Karriere dort noch einmal zu beleben. In Freiburg hätte er spätestens im kommenden Frühjahr keinen Vertrag mehr erhalten. In seinem ersten Match am Dienstagabend gegen den EV Zug startete DiDomenico fulminant. In einer Sturmlinie mit Tommaso de Luca und Manix Landry nahm er sofort Einfluss aufs Spiel und hatte massgebenden Anteil an der 2:0-Führung der Leventiner nach dem ersten Drittel. Doch letztlich verliess DiDomenico das Eis, nachdem er seinen Stock am Gehäuse zerschmettert hatte – den 2:3-Siegtreffer der Zuger in der Verlängerung verschuldete er mit.

Der Zuschauerandrang ist gross – die Erwartungen des Publikums sind riesig

Chris DiDomenico zeigte in diesem ersten Match für seinen neuen Klub bereits das ganze Spektrum seines Könnens. Doch was bedeutet sein Abgang für Fribourg-Gottéron? In welche Richtung entwickelt sich dieser Klub, der seine Kraft wie kaum ein anderer in der Liga aus den Emotionen schöpft?

Gottéron startete mit einem 4:1-Erfolg in Biel in die Ära nach «DiDo». Trotzdem befindet sich das Team weiterhin in einer ausgesprochen heiklen Lage. Die Erwartungen des Publikums sind hoch, nach Jahren des Aufbruchs will es endlich einen Titel sehen. Befeuert wurden diese Ambitionen durch den geglückten Umbau der Patinoire St-Léonard, die auf die kommende Saison noch einmal aufgestockt wird. Derzeit wäre es wohl möglich, die Arena in Freiburg gleich mehrmals zu füllen, so gross ist der Zuschauerandrang.

Die Heimspiele von Gottéron sind in der Stadt an der deutsch-französischen Sprachgrenze zu einem gesellschaftlichen Ereignis geworden. Die Begeisterung wird nicht zuletzt von dem befreienden Gefühl genährt, den Rivalen aus dem nahen Bern endlich hinter sich gelassen zu haben. Zwei seiner vier Play-off-Finals, die Gottéron bisher absolvierte, verlor es ausgerechnet gegen den SC Bern.

Dass sich Chris DiDomenico vom SCB abwendete, um zu Gottéron zurückzukehren, war Balsam für die geschundene Freiburger Seele – und seiner Popularität fraglos zuträglich. Doch nun trennt sich Gottéron ohne Not von dem Heisssporn, der an der Saane so populär war, als wäre er in der Freiburger Unterstadt gross geworden.

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