Mittwoch, November 20

In der von Somalia abtrünnigen Region gewinnt der Oppositionskandidat die Präsidentenwahl – Beobachter trauen ihm Verhandlungen mit Somalia zu.

In der international nicht anerkannten Republik Somaliland ist der Kandidat der bisher grössten Oppositionspartei, Abdirahman Mohamed Abdullahi Cirro, gemeinhin Irro genannt, zum neuen Präsidenten gewählt worden. Das gab die Wahlkommission des ostafrikanischen Landes am Dienstag bekannt. Demnach hat Irro knapp 64 Prozent der Stimmen erhalten. Er löst den bisherigen Präsidenten Muse Bihi Abdi ab, der auf rund 35 Prozent kam. Die Abstimmung fand vergangene Woche statt. Etwa 1,2 Millionen Menschen waren wahlberechtigt bei einer Bevölkerung von gut 6 Millionen.

Somaliland bereitet sich somit auf einen weiteren friedlichen Machtwechsel vor. Die Region im Norden von Somalia erklärte vor 33 Jahren ihre Unabhängigkeit vom Rest des Landes. Seitdem bemüht sich Somaliland um internationale Anerkennung. Die blieb bisher aus, obwohl das Land mit der Hauptstadt Hargeisa mehrere friedliche Machtwechsel über die Bühne brachte und es schaffte, weitgehend funktionierende staatliche Strukturen aufzubauen.

Dagegen tat sich das übrige Somalia nach dem Zusammenbruch des Staates im Januar 1991 mit dem Neuaufbau von Staatlichkeit deutlich schwerer. Bis heute hat die dortige Regierung unter Präsident Hassan Sheikh Mohamud nicht das gesamte Staatsgebiet unter Kontrolle. Weite Landesteile werden von der islamistischen Miliz al-Shabaab beherrscht.

Das Horn von Afrika als Unruheherd

Seit Anfang des Jahres macht sich Somaliland neue Hoffnungen auf internationale Anerkennung. Mit seinen Bestrebungen verschärfte es allerdings die Spannungen in der ohnehin unruhigen Region am strategisch wichtigen Horn von Afrika. Gemeint ist damit die Region im Osten des Kontinents, die an der Schnittstelle zwischen dem Roten Meer und dem Indischen Ozean liegt.

Am Neujahrstag unterzeichnete der nun scheidende Präsident von Somaliland eine Absichtserklärung mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed. Laut einer Mitteilung, die das somaliländische Aussenministerium am Tag der Unterzeichnung veröffentlichte, darf das Binnenland Äthiopien von Somaliland einen Küstenstreifen von 20 Kilometern pachten und im Hafen von Berbera einen Marinestützpunkt errichten – «im Austausch für die formelle Anerkennung Somalilands», wie es in der Mitteilung heisst. Diese Nachricht brachte das Horn von Afrika an den Rand eines neuen Krieges. Dabei liess Äthiopien die somaliländische Mitteilung zunächst unkommentiert, womöglich in dem Versuch, den Konflikt nicht weiter zu schüren.

Denn die wütende Reaktion Somalias hatte nicht lange auf sich warten lassen. Die dortige Regierung erklärte, es handle sich um einen «eklatanten Angriff» und einen Akt der «Aggression», weil sie Somaliland weiterhin als Teil ihres Staatsgebiets betrachtet. Die Lage ist besonders delikat, weil äthiopische Truppen in Somalia stationiert sind und die Regierung im Kampf gegen islamistische Terroristen unterstützten.

Der Konflikt eskalierte weiter, als Somalia in Reaktion auf die äthiopisch-somaliländische Vereinbarung im August ein Sicherheitsabkommen mit Ägypten unterzeichnete, das daraufhin Waffen nach Somalia lieferte. Gemäss Berichten plant Ägypten ausserdem, mehrere tausend Soldaten nach Somalia zu senden, um dort Äthiopien im Kampf gegen die Al-Shabaab-Miliz abzulösen.

Angesichts der ägyptischen Waffenlieferungen und der Aussicht auf ägyptische Soldaten im Nachbarland warnte der äthiopische Ministerpräsident Abiy, sein Land werde «jeden erniedrigen, der es wagt, uns zu bedrohen». Offenbar um seine Drohung zu unterstreichen, brachte das äthiopische Militär schwere Waffen an der Grenze zu Somalia in Stellung. Das Verhältnis zwischen Äthiopien und Ägypten ist wegen der Debatte über einen Nil-Staudamm, den Äthiopien gebaut hat, seit Jahren angespannt.

Zwiespältige Glückwünsche

Dem neuen Präsidenten von Somaliland kommt bei der Befriedung dieser Spannungen eine wichtige Rolle zu. Der nun gewählte Irro unterstützt das Abkommen mit Äthiopien ebenso wie sein Vorgänger. Allerdings gilt er als umgänglicher. Politische Beobachter trauen ihm eher Verhandlungen mit der Regierung von Somalia zu.

Der bisherige Präsident Muse Bihi ist ein ehemaliger Offizier. Unter ihm hatten sich die Beziehungen nicht nur zu Somalia, sondern auch zum Nachbarland Djibouti verschlechtert. Die Präsidenten beider Länder gratulierten Irro am Dienstag zum Sieg. «Herzlichen Glückwunsch an den neu gewählten Präsidenten von Somaliland . . . und an das brüderliche Volk von Somaliland für seine politische Reife», schrieb der Präsident von Djibouti, Ismail Omar Guelleh, auf der Plattform X. Der somalische Präsident Hassan Sheikh Mohamud bekannte sich in seiner Botschaft zu den laufenden Versöhnungsgesprächen, die seiner Meinung nach auf die Wahrung der Einheit Somalias ausgerichtet sind – ein Ziel, das sicher kein somaliländischer Politiker teilt.

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