Dienstag, Oktober 1

Die Kanzlerfrage in der Union ist früher als erwartet geklärt. Merz hat laut Umfragen gute Chancen, deutscher Regierungschef zu werden. Dafür braucht er aber linke Partner.

Früher als erwartet haben sich die Parteichefs von CDU und CSU auf Friedrich Merz als gemeinsamen Kanzlerkandidaten für die kommende deutsche Bundestagswahl verständigt. Diese findet regulär im September 2025 statt. Der CSU-Chef Markus Söder gab die Einigung am Dienstag bei einer überraschend einberufenen gemeinsamen Pressekonferenz mit dem CDU-Chef Merz in Berlin bekannt. Eigentlich war erwartet worden, dass die Frage der Kanzlerkandidatur von den Unionsparteien erst nach der Landtagswahl in Brandenburg am kommenden Sonntag entschieden würde.

Doch der überraschende Kandidaturverzicht des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst am Montagabend und sein Votum für Merz setzten Söder, der immer wieder eigene Ambitionen erkennen liess, unter Zugzwang, Merz den Vortritt zu lassen. «Die K-Frage ist entschieden: Friedrich Merz macht es», sagte Söder an der Pressekonferenz gleich zu Beginn seiner Stellungnahme. «Ich bin damit fein und unterstütze dies ausdrücklich.» Die CDU habe als grosse Schwester in der Union ein Vorrecht auf die Kandidatur, und Merz habe von diesem Recht Gebrauch gemacht. Er akzeptiere das «nicht zähneknirschend», sondern Merz habe seine «volle Rückendeckung».

Parteigremien müssen noch zustimmen

Merz dankte Söder für die Einigung. CDU und CSU könnten ab sofort in einen Bundestagswahlkampf ziehen. Sie seien personell, politisch und organisatorisch dafür bereit, sagte Merz. Beide Parteichefs betonten, dass die jeweiligen Parteivorstände das letzte Wort hätten. Die offizielle Aufstellung von Merz am kommenden Montag freilich ist nur noch eine Formalie. Erste Ministerpräsidenten der CDU wie Daniel Günther aus Schleswig-Holstein sagten Merz bereits ihre Unterstützung zu. «Ich werde Merz mit allen Kräften unterstützen», so der Parteilinke am Dienstag.

Merz und Söder betonten bei dem Presseauftritt immer wieder, dass es ihnen ein gemeinsames Anliegen gewesen sei, die Umstände der Kandidatennominierung von 2021 zu vermeiden. Damals war es zu einer öffentlich ausgetragenen heftigen Rivalität zwischen dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet und Söder gekommen. Erst auf die Intervention des mittlerweile verstorbenen CDU-Veteranen und Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble hin zog Söder seine Kandidatur zurück und akzeptierte Laschets Nominierung.

Dies hielt Söder freilich nicht davon ab, Laschets Wahlkampf in der Folge immer wieder zu torpedieren und den gemeinsamen Kanzlerkandidaten dadurch zu schwächen. Die historische Niederlage der Union im September 2021 führen Beobachter auch darauf zurück. Selbst eine rechnerisch mögliche Regierungsbildung nach der Wahl unter der Führung Laschets und der CDU wurde von Söder sabotiert. Erst mit dem Amtsantritt von Friedrich Merz als Chef der CDU Anfang 2022 entspannte sich das Verhältnis zwischen den Schwesterparteien wieder.

Dieses war indes schon vor der Bundestagswahl 2021 belastet, wie am Dienstag bei dem gemeinsamen Auftritt vor der Presse deutlich wurde. Söder sagte dabei, dass CDU und CSU erstmals seit 2015 wieder komplett beieinander seien. Er verwies dabei auf die migrationspolitischen Entscheidungen der damaligen Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, die die beiden Parteien entzweit hatten.

CDU und CSU einig wie lange nicht

Tatsächlich war es in der Frage genereller Zurückweisungen von irregulären Migranten an den deutschen Grenzen 2018 fast zum Bruch der Fraktionsgemeinschaft der Schwesterparteien im Bundestag gekommen. Die CSU unter dem Parteichef Horst Seehofer drängte Merkel vergeblich zu einer Kursänderung. Merz verhalf der CSU jetzt zu später Genugtuung, indem er nach dem islamistischen Anschlag von Solingen generelle Zurückweisung von Asylbewerbern forderte. Söder sprach nun davon, dass damit eine Wunde von CDU und CSU geheilt sei.

Mit der Einigung der Union steht fest, wer den sozialdemokratischen Bundeskanzler Olaf Scholz bei der nächsten Bundestagswahl herausfordern wird. Die SPD allerdings muss erst noch entscheiden, ob sie mit Scholz ins Rennen gehen will. Dieser ist fest entschlossen, sich der Wiederwahl zu stellen. Offiziell nominiert ist Scholz allerdings noch nicht. Aufgrund der verheerenden Umfragewerte der SPD und der persönlichen Werte von Scholz kam es immer wieder zu Gerüchten, dass innerhalb der Partei über eine andere Lösung für die Kanzlerkandidatur nachgedacht werde.

Nach den Wahlniederlagen der SPD in Sachsen und Thüringen zu Monatsbeginn haben diese Debatten wieder zugenommen. So sprechen sich erste Stimmen innerhalb der SPD wie der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter bereits dafür aus, nicht mit Scholz, sondern mit Verteidigungsminister Boris Pistorius anzutreten. Pistorius rangiert in den Beliebtheitsumfragen deutlich vor Scholz. Er hat sich bis anhin noch nicht positioniert.

Grüne und AfD wollen ebenfalls Kanzlerkandidaten aufstellen

Die Grünen sowie die AfD wollen ebenfalls Kanzlerkandidaten benennen. Wegen der schlechten Umfragewerte der Grünen und der politischen Ausgrenzung der AfD durch die anderen Parteien handelt es sich dabei aber eher um symbolische Kandidaturen.

Merz hingegen darf sich ausweislich aktueller Umfragen gute Chancen ausrechnen, künftiger deutscher Regierungschef zu werden. CDU und CSU kommen derzeit auf etwa 33 Prozent der Stimmen. Fraglich ist allerdings, in welcher Konstellation Merz regieren könnte. Seit seinem Amtsantritt als Parteichef richtete er die CDU einerseits systematisch als Partei der rechten Mitte neu aus. Mit seinem Eintreten für eine restriktive Asylpolitik und die Kernkraft korrigierte er wesentliche Weichenstellungen seiner Amtsvorgängerin Merkel.

Stand heute blieben einem möglichen Bundeskanzler Merz andererseits aber nur Partner links von CDU und CSU, um eine Regierungsmehrheit zu erreichen. Wie viel von den Positionen der Union sich dann umsetzen liesse, ist deshalb fraglich.

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