Mittwoch, Januar 15

Farmy gibt seine Eigenständigkeit auf und schliesst sich mit einem regionalen Biogrosshändler zusammen. Dem Online-Lebensmittelhändler ist das Geld ausgegangen.

Die Idee von Farmy war bestechend, und sie traf den Zeitgeist: ein Online-Shop, spezialisiert auf frische Lebensmittel von regionalen Bauern, die am Morgen geerntet und am gleichen Tag ausgeliefert werden. Das 2014 gegründete Unternehmen entwickelte sich rasch zur Nummer drei im Schweizer Lebensmittel-Online-Handel – übertroffen nur noch von Migros und Coop – und galt als eines der Vorzeige-Startups der Schweiz.

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Trotz Restrukturierung defizitär

Seit Montag ist jedoch klar: Farmy als eigenständiges Unternehmen wird es künftig nicht mehr geben. Der Online-Hofladen wird an den Biogrosshändler Pico verkauft. Der Markenname Farmy bleibt zwar bestehen, doch wie genau Angebot und Dienstleistungen unter dem Dach von Pico künftig aussehen werden, ist noch offen.

Der Grund für den Verkauf ist finanzieller Natur. Auch zehn Jahre nach der Gründung schreibt Farmy weiterhin Verluste und konnte nicht genügend Kapital beschaffen, um die Finanzierung bis zur Gewinnschwelle zu sichern. Laut Verwaltungsrat ist der Verkauf notwendig, um das Überleben des Unternehmens zu gewährleisten.

Seit 2022 gelingt es dem Online-Unternehmen nur noch mit Mühe, frisches Kapital aufzunehmen. Die Firma musste ihre Bewertung wiederholt massiv senken, wodurch bestehende Investoren, unter ihnen zahlreiche Kleinanleger, die bei einem Crowdfunding mitgemacht hatten, erhebliche Verluste erlitten.

Der Absturz hat mehrere Gründe: Zum einen haben sich die Wachstumsaussichten im Online-Geschäft mit dem Ende der Corona-Pandemie verschlechtert. 2022 stagnierte der Umsatz von Farmy bei rund 31 Millionen Franken, 2023 sank er auf 24 Millionen Franken – ein Einbruch von über 20 Prozent.

Zum anderen sind die Grossinvestoren vorsichtiger geworden und fordern zunehmend Profitabilität statt Wachstum. Farmy legt den Fokus zwar mittlerweile auf Kosteneffizienz. Doch selbst nach der Schliessung des zweiten Standorts in Ecublens bei Lausanne und dem Abbau zahlreicher Stellen blieb der Break-even bisher ausser Reichweite.

Ein weiterer Rückschlag folgte Ende 2024: Die deutsche Biohändlerin Alnatura beschloss, künftig nicht mehr die Softwarelösung «Farmy Solutions» zu nutzen, sondern auf eine eigene IT-Infrastruktur zu setzen. Für 2024 hat Farmy bis jetzt keine Umsatzprognosen veröffentlicht. Das ist kein gutes Zeichen.

Crowd-Aktionäre verlieren ihren Einsatz

Mit der Übernahme durch Pico werden die Aktionäre von Farmy ihren Einsatz wohl ganz verlieren, denn der Kaufpreis ist bescheiden. Laut einem Schreiben an die Crowd-Aktionäre heisst es, Pico zahle 100 000 Franken, von denen «an die von den Crowd-Investoren gehaltenen Aktien leider kein Anteil entfalle». Ob der Totalverlust auch für alle übrigen Aktionäre gilt, ist unklar. Farmy-Vertreter wollten dazu auch auf Nachfrage nichts sagen.

Aber immerhin: Die Lösung mit Pico bedeutet nicht das endgültige Aus für den Online-Hofladen. Die Investitionen von Pico beschränken sich nämlich nicht auf die 100 000 Franken. Laut dem Verwaltungsrat umfasst das Übernahmeangebot auch die vollständige Finanzierung bis zum Break-even und die Übernahme der Restrukturierungskosten.

Das Zusammengehen der beiden Unternehmen ergibt strategisch Sinn. Farmy kann den Konkurs abwenden, während Pico von einem erprobten Online-Shop profitiert und sein Geschäft mit Endkunden ausbauen kann. Bisher war Pico auf die Belieferung von Geschäftskunden wie Bioläden, Metzgereien oder Restaurants spezialisiert.

Die beiden Firmen kennen sich seit langem. So verkauft Pico einen grossen Teil seines Sortiments auf Farmy. Ausserdem ist Picos derzeitiger CEO, Thomas Zimmermann, ein Farmy-Mann. Er war bis vor kurzem Chefeinkäufer des Online-Händlers und hält Anteile am Unternehmen.

Kosten müssen reduziert werden

Ob die Fusion langfristig Erfolg bringt, ist ungewiss. Bislang konnte noch kein Unternehmen in der Schweiz beweisen, dass sich der Online-Lebensmittelhandel profitabel betreiben lässt – auch Marktführer wie Coop und Migros verdienen in diesem Segment kein Geld.

Alexandra Scherrer, Geschäftsführerin des auf E-Commerce spezialisierten Beratungsunternehmens Carpathia, geht davon aus, dass die innovative Food-Tech-Ausrichtung von Farmy unter Pico verschwinden wird. «Um den Online-Shop profitabel zu betreiben, müssen die administrativen Kosten minimiert werden», sagt sie. Scherrer rechnet damit, dass Farmy künftig nur noch die Region Zürich bedient. Inwieweit der Online-Shop die kostspieligen Heimlieferungen aufrechterhalten könne, sei ungewiss. Bestehende Pico-Fachhändler, typischerweise Bioläden in der Region, würden wohl künftig als Pick-up-Stellen genutzt.

Die Crowd-Aktionäre haben nun 30 Tage Zeit, um dem Deal zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Ihr Geld werden die Kleinaktionäre sowieso verlieren. Aber laut dem Verwaltungsrat sichert der Deal immerhin das Überleben von Farmy.

Nach dem Abschluss der Fusion wollen Farmy und Pico ihre gemeinsame Strategie im Detail vorstellen. Obwohl es sich um eine Übernahme handelt, wird Farmy weiterhin etwas zu sagen haben. Wie es im Schreiben an die Crowd-Aktionäre heisst, soll Dominique Locher, der bisherige Verwaltungsratspräsident von Farmy, diese Funktion auch im fusionierten Unternehmen ausüben. Auch dazu war von Farmy und Pico auf Nachfrage hin nicht mehr zu erfahren.

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