Sonntag, November 24

Einer der ungewöhnlichsten Wahlkämpfe der amerikanischen Geschichte ist zu Ende. Donald Trump wird der 47. Präsident der USA. Der Kampf um die Macht im Kongress geht weiter. Hier finden Sie laufend aktualisierte Resultate und Einschätzungen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Republikaner Donald Trump kehrt zurück an die Macht: Aus dem Wahlkampf mit der Demokratin Kamala Harris um die amerikanische Präsidentschaft geht er als triumphaler Sieger hervor. Die Entscheidung fiel, als der Republikaner kurz nach 8 Uhr mitteleuropäischer Zeit in Pennsylvania zum Sieger ausgerufen wurde. Ohne diesen Staat musste Harris ihre Hoffnungen endgültig begraben. Derzeit ist das Resultat nur noch in 5 der 50 Staaten offen. Trump gewann 27 Staaten vor allem im Süden und Mittleren Westen, Harris 18 Staaten primär im Nordosten und an der Westküste. Bis jetzt sind vier Swing States entschieden, North Carolina, Georgia, Pennsylvania und Wisconsin – alle zugunsten der Republikaner und früher als erwartet.
  • Trump hat sich gegenüber 2020 markant verbessert, und dies sowohl in städtischen wie auch vorstädtischen und ländlichen Gebieten. Er legte laut Wählerbefragungen insbesondere bei Latinos, schwarzen Männern und jungen Wählern zu. Ein «Frauen-Effekt» zugunsten von Harris blieb aus.
  • Sofern sich in den fünf unentschiedenen Staaten bei der Auszählung der restlichen Stimmen das Blatt nicht wendet, wird Trump im Schlussresultat auf 312 Elektoren kommen, seine Rivalin auf 226. Das liegt leicht über seinem Resultat von 2016, aber unterhalb des Durchschnitts der letzten Jahrzehnte.
  • Ein Sieg Trumps deutete sich überraschend früh an. Auffallend schnell wurde Trump diesmal beispielsweise in Florida als Sieger ausgerufen. Früher war dies ein Swing State, wo sich die Auszählung stundenlang hinziehen konnte. Aber Florida ist in den letzten Jahren immer weiter ins republikanische Lager gerückt, nicht nur wegen Trumps Heimvorteil. Ein frühes Warnzeichen für die Demokraten war auch, dass Harris in der demokratischen Hochburg Virginia erst mehrere Stunden nach Schliessung der Wahllokale als Gewinnerin feststand. Es war nach Mitternacht ein erstes Indiz dafür, dass die Wahl für sie nicht nach Wunsch verlief.
  • Auch die beiden Kammern des amerikanischen Kongresses waren hart umkämpft. Die Demokraten haben erwartungsgemäss die Mehrheit im Senat verloren. Für den künftigen Präsidenten Trump ist dies ein wichtiger Faktor, der ihm das Regieren erleichtern wird. Ernennungen von Regierungsbeamten und Richtern müssen vom Senat bestätigt werden. Die Demokraten haben noch eine kleine Chance auf eine Eroberung des Repräsentantenhauses, was ihnen die Möglichkeit böte, Trumps Gesetzesvorlagen zu blockieren.

Der Kampf um das amerikanische Präsidentenamt war 2024 von ungewöhnlichen Ereignissen geprägt. Erstmals seit gut 130 Jahren trat eine der beiden Grossparteien mit einem ehemaligen Präsidenten wieder an. Der mehrfach verurteilte und wegen der versuchten Torpedierung des Wahlresultats von 2020 angeklagte Republikaner Donald Trump hatte von Beginn weg gute Chancen auf eine Rückkehr ins Weisse Haus. Aber auch die Demokratische Partei wurde von Turbulenzen erschüttert. Präsident Joe Biden musste unter dem Druck der Parteielite seine Kandidatur aufgeben und machte Vizepräsidentin Kamala Harris Platz. Nie zuvor in der amerikanischen Geschichte hat eine Partei ihren Kandidaten so kurz vor der Wahl ausgetauscht.

Harris übernahm rasch die Führung in den nationalen Umfragen, fiel aber im Oktober in wichtigen Staaten etwas zurück, bevor sie sich Anfang November wieder verbesserte. Eine verlässliche Prognose war angesichts der Umfrage-Fehlermargen bis zuletzt nicht möglich. Mathematische Modelle wie jenes der Analyseplattform FiveThirtyEight sahen Trump und Harris gleichauf. Inzwischen scheint klar, dass die Umfragen systematisch verzerrt waren.

Entscheidend ist im amerikanischen Wahlsystem nicht das Stimmenmehr, sondern das Resultat im Electoral College (Wahlleutekollegium). Dieses Kollegium wird aufgrund der Resultate in den einzelnen Staaten gebildet und nimmt gemäss der Verfassung später die eigentliche Wahl des Präsidenten vor. 2016 gewann Trump eine Elektoren-Mehrheit, aber keine Stimmenmehrheit. Ob er nun auch diese symbolisch wichtige Hürde überspringt, bleibt abzuwarten. Bis zum Endresultat beim «popular vote» sind langwierige Auszählungen von Briefstimmen abzuwarten.

Nur eine kleine Zahl der amerikanischen Teilstaaten war in diesem Jahr hart umkämpft. Sieben Swing States, denen ein Wechsel von einer Partei zur anderen zugetraut wurde, standen im Zentrum: Im Nordosten kam Pennsylvania, Michigan und Wisconsin hohe Bedeutung zu. Die Demokraten hofften vergeblich, dass dieses Trio wie 2020 eine «blaue Mauer» bilden würde.

Die Chancen Trumps auf den Gesamtsieg verbesserten sich im Laufe der Wahlnacht markant durch frühe Siege in den beiden Swing States Georgia und North Carolina im Südosten. Besonders der Erfolg in Georgia ist bemerkenswert, da der Republikaner dort vor vier Jahren knapp verloren hatte. Diese Konstellation bedeutete, dass Harris ohne einen Sieg in Pennsylvania nicht mehr Präsidentin werden konnte. Als Trump dort zum Sieger ausgerufen wurde, war sein Gesamtsieg klar. Einige Stunden später stand fest, dass auch ein zweiter Staat der «blauen Mauer» umgekippt war: Wisconsin.

Derzeit ist ungewiss, ob Harris überhaupt einen einzigen der sieben Swing States erringen kann. Dies lässt das Ausmass der demokratischen Niederlage erkennen.

Wählerbefragungen geben Aufschlüsse darüber, wie der republikanische Erfolg erklärbar ist. Die Demokraten haben bei wichtigen Wählerschichten dramatisch an Rückhalt verloren. Kamala Harris kam bei Afroamerikanern nur auf einen Anteil von 83 Prozent, 8 Prozentpunkte weniger, als Joe Biden 2020 errungen hatte. Bei Latinos verlor Harris 7 Prozentpunkte.

Auffallend ist zudem, dass Harris bei der weiblichen Wählerschaft nicht zulegen konnte. Der von den Demokraten erhoffte Bonus dank einer Frau im Präsidentschaftsrennen traf somit nicht ein. Ein wichtiger Faktor war ferner, dass jüngere Wählerschichten sich nicht mehr klar für das demokratische Lager entschieden. Die unter 45-Jährigen votierten laut Wählerbefragungen zu 51 Prozent für Harris – 6 Prozentpunkte weniger als 2020.

Im Senat besassen die Demokraten bisher eine hauchdünne Mehrheit von 51 Sitzen (einschliesslich 4 mit den Demokraten verbündeter Parteiloser) gegenüber 49 Republikanern. Bereits vor der Wahl zeichnete sich ab, dass sie diese Mehrheit verlieren würden.

Zur Wahl standen zwar nur 34 der 100 Sitze, da der Senat sich alle zwei Jahre jeweils nur zu einem Drittel erneuert. Aber der Sitz des langjährigen Senators Joe Manchin aus dem konservativen West Virginia wird an die Republikaner gehen, wie sich in der Wahlnacht bestätigte. Die Demokraten verloren je einen Senatssitz in Ohio und Montana, wo die bisherigen Amtsinhaber nach je 18 Jahren im Amt abgewählt wurden.

Vier weitere demokratische Sitze wackeln, so dass die Machtverschiebung im Senat noch viel deutlicher ausfallen könnte. Derzeit kommen die Republikaner auf eine Mehrheit von mindestens 52 Sitzen.

Die grosse Frage ist, ob es auch in der grossen Kammer des Kongresses zu einem Machtwechsel kommen wird. Im Repräsentantenhaus wurden am Dienstag sämtliche 435 Sitze neu vergeben. Die Republikaner stellten seit 2023 eine knappe Mehrheit, die es ihnen und ihrem Speaker Mike Johnson ermöglichte, Gesetzesvorstösse der Regierung Biden nach Belieben zu blockieren.

Angesichts eines Verhältnisses von 220 zu 212 Sitzen – drei Mandate waren zuletzt vakant – können sich die Republikaner jedoch höchstens zwei Sitzverluste erlauben. Am Tag nach der Wahl liegen bei rund 60 Sitzen erst Teilergebnisse vor. Die künftigen Mehrheitsverhältnisse werden frühestens einige Tage nach der Wahl feststehen, vielleicht sogar noch später. Die Republikaner scheinen aufgrund der Teilergebnisse jedoch im Vorteil. Von den nicht ausgezählten Wahlkreisen müssen sie nur jeden dritten gewinnen, um ihre Mehrheit in der grossen Kongresskammer zu verteidigen.

Die folgende Grafik illustriert, welche Machtverhältnisse in den vergangenen Jahrzehnten herrschten. Dass eine Partei neben dem Weissen Haus auch beide Kongresskammern kontrollierte, wie das unter Biden anfangs der Fall war, kam nur relativ selten vor. Mehr als doppelt so häufig teilten sich die Parteien die Macht («divided government»). Das könnte auch im nächsten Jahr den Alltag in Washington bestimmen.

Im Schatten der Präsidentschaftswahl wird in elf Teilstaaten auch das Amt des Gouverneurs neu besetzt. Diese Posten sind ebenfalls sehr wichtig, da die Gouverneure starken Einfluss auf gliedstaatliche Bestimmungen nehmen. Nicht selten dient das Gouverneursamt zudem als Sprungbrett für nationale Karrieren. Seit 2011 besitzen die Republikaner ununterbrochen eine knappe Mehrheit unter den Regierungschefs der 50 Gliedstaaten – derzeit mit 27 Gouverneuren gegenüber 23 der Demokraten. An diesem Kräfteverhältnis wird sich nun nichts ändern, wie nach Entscheidung aller Rennen feststeht.

In den USA sind schätzungsweise 244 Millionen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger wahlberechtigt. Um sich an der Wahl zu beteiligen, ist jedoch eine Registrierung nötig. Längst nicht alle Berechtigten kümmern sich um diese Formalität. In den letzten Jahrzehnten lag die Wahlbeteiligung meist unterhalb von 60 Prozent. Aber wegen der enormen Polarisierung des Landes und der im Wahlkampf geweckten Emotionen erreichte die Beteiligung vor vier Jahren mit knapp 67 Prozent den höchsten Wert seit Beginn des 20. Jahrhunderts.

Ob diesmal ein weiterer Rekord aufgestellt wird, ist offen. Der meistzitierte Experte zu dieser Frage, Michael McDonald, rechnet mit einem nur geringfügig kleineren Wert – rund 65 Prozent – also einer erneut ausserordentlich hohen Beteiligung. Im Unterschied zu früher nutzten nun auch viele Republikaner die Möglichkeit der vorgezogenen Stimmabgabe – eine Methode, die Trump vor vier Jahren noch kritisiert hatte und nun teilweise empfahl. Bis zum Sonntag vor der Wahl hatte bereits fast die Hälfte aller registrierten Wähler ihre Stimme abgegeben.

Das Duell zwischen Donald Trump und Kamala Harris war nicht nur eine Entscheidung über die künftige Machtverteilung zwischen den beiden amerikanischen Grossparteien, sondern auch darüber, ob die USA erstmals eine Frau im Präsidentenamt erhalten würden. Die Demokratin Hillary Clinton hatte die Wahl vor acht Jahren verloren, nun erlitt ihre Parteifreundin Kamala Harris dasselbe Schicksal.

Aber auch bei den Kongresswahlen wird das Abschneiden der Frauen genau beobachtet. Mit 28 Prozent ist der Frauenanteil im Kongress immer noch gering, auch im Vergleich zu Europa (der EU-Durchschnitt beträgt 33 Prozent). Daran dürfte sich vorerst kaum viel ändern.

2018 und 2020 stieg der Frauenanteil zwar kräftig an, aber bereits 2022 bremste sich diese Entwicklung ab. 2024 dürfte im amerikanischen Kongress erneut kein ausgesprochenes «Frauenjahr» werden. Bereits im Kandidatenfeld ist der Anteil der Frauen leicht gesunken. Die Republikanische Partei hat nur ein Drittel so viele Frauen nominiert wie die Demokraten. Die Politologin Samantha Pettey prognostiziert für den nächsten Kongress einen stagnierenden Frauenanteil. Die vorläufigen Wahlergebnisse ergeben noch kein klares Bild, präzise Daten werden erst in mehreren Tagen oder sogar Wochen feststehen. Bereits klar ist, dass mit Sarah McBride aus Delaware erstmals eine Transgender-Frau ins Repräsentantenhaus einziehen wird.

Abgesehen von den Wahlen kamen am 5. November in verschiedenen Gliedstaaten auch fast 150 Sachvorlagen zur Abstimmung. Anlass waren entsprechende Volksinitiativen oder Beschlüsse gliedstaatlicher Parlamente. Einige Themen finden auch starke nationale Beachtung:

  • Abtreibung: In zehn Staaten wurde über das Abtreibungsrecht abgestimmt. Überall ging es darum, das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in der gliedstaatlichen Verfassung zu verankern oder nicht – eine Reaktion auf die Aufhebung des liberalen bundesstaatlichen Abtreibungsrechts durch das Oberste Gericht vor zwei Jahren. Die meisten Vorlagen strebten an, Abtreibungen bis zur 24. Schwangerschaftswoche zu erlauben. Die Befürworter des Rechts auf Abtreibung siegten in sieben Staaten und unterlagen in dreien, unter anderem in Florida. In Nebraska wurde zugleich ein Verbot von Abtreibungen nach der 12. Schwangerschaftswoche in der Verfassung verankert.
  • Wahlsystem: Mehrere Staaten entschieden über eine Änderung der Regeln für ihre Primärwahlen. Zudem wurde in acht Staaten über Verfassungsänderungen abgestimmt, gemäss denen die Behörden keine Ausländer an Lokalwahlen teilnehmen lassen dürfen. Dies ist allerdings ohnehin nur in wenigen Gemeinden erlaubt.
  • Cannabis: Drei Staaten entschieden über eine Liberalisierung des Marihuanakonsums. Dieser ist derzeit in knapp der Hälfte der amerikanischen Gliedstaaten legal. Aufmerksamkeit erhielt vor allem die entsprechende Volksinitiative in Florida. Sie wurde von der republikanischen Führung dieses Staates abgelehnt, aber unterstützt vom Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Die Initiative ist gescheitert.

Redaktion: Andreas Rüesch
Entwicklung interaktive Grafik: Nicolas Staub (Projektleitung), Alex Kräuchi, Simon Huwiler, Joana Kelén, Nikolai Thelitz
Grafik-Unterstützung: Julia Monn, Nikolai Thelitz, Cian Jochem
Illustration: Joana Kelén

Exit mobile version