Donnerstag, November 14

Der deutsch-schweizerische Trainer passt perfekt zum Verein aus Englands Süden. Der funktioniert wie eine Art Fussball-Universität.

Der Brighton & Hove Albion FC gehört zu den Trendsettern in der Premier League. Diesen Ruf bestätigte der Klub vom Ärmelkanal in diesem Sommer, als er den deutsch-schweizerischen Trainer Fabian Hürzeler ohne jegliche Erstliga-Erfahrung vom Bundesliga-Aufsteiger FC St. Pauli bis 2027 unter Vertrag nahm.

Hürzeler ist erst 31 Jahre alt und damit der mit Abstand jüngste Trainer der Premier-League-Geschichte. Mit ihm planen die «Seagulls», die Möwen, den Angriff auf die englische Fussball-Elite. Dieses Ziel formulierte Hürzeler so: Er möchte nicht mehr «als das kleine Brighton & Hove Albion erkannt und gesehen» werden. Der ambitionierten Ansage lassen Hürzeler und seine Mannschaft bisher beachtliche Taten folgen – die Möwen befinden sich auf dem Steigflug nach oben. Brighton ist der Überraschungsklub der bisherigen Saison und hat soeben den Serienmeister Manchester City bezwungen (2:1).

"Gibt leider auch nur drei Punkte": Hürzeler stolz auf Sieg gegen Guardiola | Brighton - ManCity 2:1

Nach knapp einem Drittel der Saison liegt der Verein auf dem sechsten Tabellenplatz, punktgleich mit dem Dritten Chelsea. In dieser Form spielt Brighton um die Teilnahme am Europacup mit, vielleicht liegt sogar die erstmalige Qualifikation für die Champions League drin. Bisher haben die «Seagulls» in ihrer 123-jährigen Geschichte nur einmal in der Europa League reüssiert – in der Vorsaison, als sie im Achtelfinal der AS Roma deutlich unterlegen waren.

Ab 2017 etablierte sich Brighton als Premier-League-Klub

Der Fussballklub hat sich jüngst ähnlich entwickelt wie Brighton und das angrenzende Viertel Hove. Die Küstenregion, bekannt für ihre kilometerlange wunderschöne Strandpromenade, war lange das Ausflugs- und Wochenenddomizil für Menschen, die einen Ausgleich suchten zu der eine Zugstunde entfernten Millionenmetropole London.

Doch die Gegend ist mittlerweile weit mehr als nur ein beschauliches Ferienparadies. Brighton & Hove wird aufgrund der Erholungs- und Sportmöglichkeiten sowie der vielfältigen Kulturangebote für seine Lebensqualität geschätzt. Es gehört zu den wirtschaftlich am stärksten wachsenden Städten in Grossbritannien. Daran hat auch der Premier-League-Klub mit seiner landesweiten Medienpräsenz einen beachtlichen Anteil.

Seit dem erstmaligen Aufstieg im Jahr 2017 hat sich Brighton als festes Mitglied der Premier League etabliert. Graham Potter, der Coach von 2019 bis 2022, formte das Team zu einer defensiv robusten Einheit. Auf diesem Fundament baute der Nachfolger Roberto De Zerbi auf, als er in den folgenden zwei Saisons einen anspruchsvollen, auf Ballbesitz ausgerichteten Spielstil implementierte.

Diese beiden Ansätze soll Fabian Hürzeler nun miteinander vereinen; Brighton verpflichtete ihn für die Ablösesumme von 9 Millionen Euro von St. Pauli. Dort hat Hürzeler nach seiner Beförderung vom Assistenten zum Cheftrainer im Dezember 2022 auf Anhieb bewiesen, dass er einzelne Spieler wie ein ganzes Team gleichermassen verbessern kann.

In Brighton lässt er ebenfalls einen dynamischen und taktisch anspruchsvollen Fussball spielen. Seine Mannschaft bedient sich bei Ballbesitz kaum horizontaler und vertikaler Pässe; fast immer geht es diagonal nach vorn.

Der Respekt vor dem Team ist in der Liga mittlerweile so beachtlich, dass selbst Josep Guardiola, der Coach von Manchester City, am Samstag davon absah, den Spielaufbau der Mannschaft früh zu stören. In der Defensive stellt Brighton eine der besten Abseitsfallen in Europa – nur die des FC Barcelona und die des VfB Stuttgart sind ähnlich erfolgreich. Und im Gegensatz zu Trainern, die von ihrem Stil kaum je abweichen, ist Hürzeler bereit, Anpassungen an seiner Strategie vorzunehmen.

Nach seiner bisher höchsten Niederlage gegen Chelsea (2:4), als seine Mannschaft innerhalb von 20 Minuten vier Tore hinnehmen musste, passte er die grundsätzlich sehr hoch stehende Abwehrlinie an. Gegen Citys Torjäger Erling Haaland verteidigte das Team ein bisschen weiter hinten, um Haaland nicht zu viel Raum zu geben.

Früher arbeitete Hürzeler nebenbei für einen Kunsthändler

Brightons Spielstil reflektiert das angenehm verbindliche und gebildete Auftreten des Trainers. Hürzeler stammt aus einer Zahnarztfamilie mit vier kompetitiven Geschwistern; seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Schweizer. Er selbst wurde in Houston, USA, geboren, wuchs in München auf und kickte einst in der Jugendakademie des FC Bayern. Später wechselte er unter anderem zur zweiten Mannschaft des Stadtrivalen TSV 1860 und übernahm dann als Spielertrainer den Regionalligisten FC Pipinsried – mit 23 Jahren. Parallel dazu arbeitete Hürzeler für einen Kunsthändler.

Im Gespräch mit dem «Guardian» erzählte er, er habe seine Arbeit damals mit einem verkauften Bild pro Monat als erledigt betrachtet. In der übrigen Arbeitszeit habe er sich dann Fussballspiele angeschaut. Irgendwann habe ihn der Besitzer deswegen gefeuert.

Daraus zog er für sich die Erkenntnis, dass man nur etwas verkaufen könne, wenn man versuche, den Kunden zu verstehen, um diesen am Ende überzeugen zu können. Ähnlich verhalte es sich mit dem Trainerberuf, findet Hürzeler – am wichtigsten sei es, den Menschen hinter dem Fussballer zu verstehen, seine Erziehung, seine Kultur, die Werte und Bedürfnisse.

Der «Guardian» lobte «die Ehrlichkeit und die Gedankentiefe» des Trainers. Hürzelers Arbeitsweise und sein Auftreten kommen der akademischen Ausrichtung seines Klubs entgegen. Das Management führt den Verein, der im Besitz des aus Brighton stammenden Glücksspiel-Milliardärs Tony Bloom ist, auf innovative und versierte Art.

Das muss es auch. Denn Bloom machte bei seinem Einstieg im Jahr 2009 klar, dass er nicht «Albions Abramowitsch» sei. Der Oligarch Roman Abramowitsch hatte Chelsea einst mit schwindelerregenden Summen zu einem Spitzenklub geformt. Zwar hat auch Bloom im vergangenen Jahrzehnt etwa eine halbe Milliarde Euro aus seinem Vermögen in den Klub gesteckt. Allerdings reicht das allein in der Premier League nicht für eine Top-Platzierung, weil die meisten Klubs über milliardenschwere Eigentümer verfügen.

Der Klub erwirtschaftet sagenhafte Transferüberschüsse

Um finanziell mithalten zu können, war Brighton stets auf Erlöse aus Spielerverkäufen angewiesen. Zwischen 2017 und 2024 erwirtschaftete der Klub dabei einen sagenhaften Überschuss aus Transferaktivitäten – er betrug eine Viertelmilliarde Euro.

Den Grossteil davon investierte Brighton nun vor dieser Saison in zahlreiche internationale Spitzentalente. Es kamen neun Spieler, unter ihnen die internen Rekordeinkäufe Georginio Rutter von Leeds United (47 Millionen) und Yankuba Minteh von Newcastle United (35 Millionen). Hürzeler baut die Talente sorgsam auf; sie sind noch keine Stammspieler.

In der Akademiestadt Brighton wirkt der örtliche Vorzeigeklub Albion – eine alte Bezeichnung für Britannien beziehungsweise England – wie eine Fussball-Universität. Der Eindruck entsteht durch die Zusammenstellung des Kaders mit Spielern gemischten Alters und unterschiedlicher Herkunft, die progressive Arbeitsatmosphäre sowie den Intellekt des Trainers Hürzeler und des Besitzers Bloom. Anders als viele Klubchefs ist Bloom oft zugegen. Nach dem Match gegen Manchester City begrüsste er etwa Spieler, Trainer und Reporter im Stadion.

In seiner bisherigen Zeit in Brighton ist Fabian Hürzeler ein Satz seines Chefs besonders in Erinnerung geblieben: «Wenn man Freude an dem hat, was man tut, wird sich das Glück einstellen.» Ein bisschen von diesem Glück wird auch der Brighton & Hove Albion FC benötigen, um zu den Topklubs in England aufzuschliessen.

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