Ein 30-jähriger Schweizer steht wegen vorsätzlicher Tötung vor Bezirksgericht Uster. Die Staatsanwältin fordert 18 Jahre Freiheitsstrafe.

Eine ausgelassene, unbeschwerte private Geburtstagsparty endete am 27. November 2022 auf dem Parkplatz des Zeughausareals in Uster tödlich: Ein 28-jähriger Schweizer verblutete in den Armen seiner Freundin. Mit acht Messerstichen blieb er tot auf dem Asphalt liegen.

Das Institut für Rechtsmedizin stellte später eine Durchtrennung der linken Halsschlagader, sechs Einstiche in den Rücken und eine Stichverletzung an der Wange fest. Zwei der Stiche waren sofort tödlich, obwohl das Opfer in dieser nasskalten Nacht eine dicke Lammfelljacke trug.

Streit wegen Verweigerung eines Sitzplatzes im Auto

Der Täter ist ein heute 30-jähriger Schweizer Produktionsmechaniker, der nun als Beschuldigter vor Bezirksgericht Uster sitzt. Die Staatsanwältin hat in der Anklage eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren wegen vorsätzlicher Tötung beantragt.

Eine grosse Zahl von Partybesuchern hatte die Bluttat mitbekommen. In der Untersuchung wurden 13 Personen dazu befragt. Daraus ergab sich, dass eine Gruppe von fünf Partygängern um etwa 2 Uhr 45 morgens mit dem Geschäftsauto des 28-Jährigen vom Parkplatz hatte wegfahren wollen. Ein Kollege, der keinen Alkohol getrunken hatte, fungierte als Lenker.

Der Beschuldigte, der die anderen erst an diesem Abend kennengelernt hatte, wollte sich ebenfalls hinten ins Auto auf den Rücksitz setzen, laut der Anklageschrift ohne dazu eingeladen worden zu sein. Ein Beteiligter soll gesagt haben: «Hey, wer hät dänn de iglade?»

Der Autobesitzer soll ihm mehrmals mitgeteilt haben, dass er nicht mitfahren könne, weil der Skoda Octavia nur ein Fünfplätzer sei. Der Beschuldigte wurde wütend, gestikulierte, stieg widerwillig aus dem Auto aus und beleidigte seinen Kontrahenten eingestandenermassen. Er lief um das Auto herum, öffnete eine Hintertüre und schrie hinein: «Losed mir zue, er isch en schlechtä Mensch. Gott wird ihn bestrafe»

Der Beschuldigte entfernte sich dann und soll, gemäss Anklage, eine Flasche gegen das Auto geworfen haben. Es ist unbestritten, dass der Autobesitzer zu ihm hinging und ihm zuerst einen Faustschlag versetzte. Es gab ein Gerangel. Irgendwann zückte der Beschuldigte ein mitgeführtes Klappmesser und stach seinen Kontrahenten nieder. Zu seiner Freundin sagte das Opfer noch: «Scheisse, dä Wixer hät mich mehrmals gstochä», und hauchte, bevor er starb: «Das isch äs gsi, min Schatz.»

Der Beschuldigte konnte am Tatort überwältigt und verhaftet werden.

Der Beschuldigte sieht sich als Opfer von Angriff

Bei der Befragung vor Bezirksgericht Uster macht der 30-Jährige Notwehr geltend. Er behauptet, er sei zuvor zum Mitfahren eingeladen worden. Als er eingestiegen sei, sei der Besitzer plötzlich «aggressiv und ruppig» geworden. Er sei sehr enttäuscht gewesen, habe den Mann zwar beleidigt, sei dann aber weggelaufen, für ihn sei es vorbei gewesen.

Er habe eine Flasche, die er noch in der Hand gehalten hatte, fallen lassen, aber nicht gegen das Auto geworfen. Dann sei er vom Autobesitzer angegriffen worden. Der Beschuldigte schildert, wie er mit Faustschlägen traktiert und zweimal zu Boden geworfen worden sei. Sein Kontrahent habe sich auf seinen Bauch gesetzt. Die Gewalt sei vom Autobesitzer ausgegangen. Zunächst habe er sich nicht gewehrt. Dann sei er aber in Panik und Todesangst geraten und habe mit der Hand um sich geschlagen. «Ich hatte keine Zeit zum Überlegen.»

Wieso ein Messer in seiner Hand war, kann er dem Gericht nicht wirklich erklären. Er benütze das Messer normalerweise bei seiner Arbeit und um im Wald Holz zu schnitzen. Er habe es in seinem Mantel vergessen. Er räumt ein, dass er das Klappmesser mit beiden Händen öffnen muss, will dann aber irgendwann keine Fragen mehr zu diesem Vorgang beantworten.

Wie sich bei den weiteren Befragungen und Plädoyers herausstellt, wurden bei einer Hausdurchsuchung beim Beschuldigten rund 90 Waffen gefunden, darunter 50 Messer und Dolche, Gewehre, Pistolen, Pfeffersprays und Elektroschocker. Der Verteidiger relativiert aber, es handle sich nicht um illegale Waffen. Dieser Tatbestand wurde denn auch in der Strafuntersuchung eingestellt.

Zudem wurden zahlreiche FCZ-Fanartikel und Memorabilia aus der Nazizeit beim Beschuldigten sichergestellt. Der Anwalt der Mutter des Opfers erwähnt, dass der Beschuldigte in einem Chat auf seinem Handy von seinen Kollegen «Goebbels» und «Goebi» genannt worden sei.

Alkoholisierung von Täter und Opfer

Wie die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer erklärt, habe gemäss den zahlreichen Aussagen von Zeugen keine Notwehrsituation bestanden. Auch sei der Beschuldigte, abgesehen von ein paar Schürfungen und Prellungen, nicht verletzt gewesen. Sowohl beim Opfer als auch beim Täter wurden je ein mittlerer Blutalkoholwert von 1,38 Promille festgestellt. Der Beschuldigte hatte vor der Tat auch Cannabis geraucht.

Gemäss dem psychiatrischen Gutachten war seine Steuerungsfähigkeit nur leicht und seine Einsichtsfähigkeit überhaupt nicht beeinträchtigt. Im Gutachten werden ihm narzisstische und dissoziale Persönlichkeitsmerkmale attestiert, aber keine psychische Störung, die eine Massnahme begründen würde.

In einer Nebenanklage wird dem Beschuldigten auch noch der Besitz von illegaler Gewaltdarstellung auf seinem Mobiltelefon vorgeworfen. Dafür fordert die Staatsanwältin zusätzlich eine vollziehbare Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 50 Franken. Der Beschuldigte will nichts von diesen Bildern gewusst haben.

Drei Anwältinnen und Anwälte von Privatklägerinnen beantragen für die Mutter des Opfers 100 000 Franken Genugtuung und für seine Schwester und seine hinterbliebene Freundin je 40 000 Franken. Die Vertreterin der Schwester fordert sogar eine Verurteilung wegen Mordes aufgrund besonderer Skrupellosigkeit.

Die Schwester des Opfers hält vor Gericht selber ein emotionales Plädoyer. Sie fühle sich schuldig, überlebt zu haben. Mit dem Tod des Bruders sei auch ihre eigene Lebenslust erloschen. Ihre Mutter habe am Tag des Todes ihres Sohnes ebenfalls ihr Leben verloren.

Der Verteidiger plädiert in seinem Hauptantrag auf Freispruch und macht Ausführungen zu mehreren Varianten von Notwehr: Er sieht entweder eine verhältnismässige rechtfertigende Notwehrhandlung oder eine entschuldbare Exzesshandlung. Im Eventualantrag plädiert er auf eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren wegen vorsätzlicher Tötung. Dabei macht er einen Putativ-Notwehrexzess und eine mittelgradig verminderte Schuldfähigkeit geltend.

Der Angriff sei vom Autobesitzer ausgegangen. Der Beschuldigte sei nach seiner Enttäuschung seines Wegs gegangen und habe eine Flasche fallengelassen, die nachweislich das Auto nicht getroffen habe. Erst da sei die Situation eskaliert. Der Getötete sei 30 Zentimeter grösser und 30 bis 40 Kilogramm schwerer als der Beschuldigte gewesen.

Der Autobesitzer habe den Beschuldigten mit einem Kinnhaken niedergestreckt und habe über ihm gekauert und ihn mit Schlägen eingedeckt. Der Beschuldigte habe sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden.

Das Urteil wird am Freitagnachmittag eröffnet.

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