Samstag, Dezember 21

Donald Trump zieht am 20. Januar ins Weisse Haus ein, doch schon jetzt bewegt er die Finanzmärkte jeden Tag. The Market präsentiert fünf Szenarien, die das Anlagejahr 2025 prägen könnten.

«Investiere in Bereitschaft, nicht in Prognose.»
Nassim Nicholas Taleb, liban.-amerik. Autor und Statistiker (*1960)

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Wir wissen nichts über die Zukunft. Alles, was wir zu wissen glauben, ist eine Extrapolation der unmittelbar erlebten Vergangenheit.

Es ist nutzlos, eine Prognose abzugeben, auf welchem Wert ein bestimmter Aktienindex oder Preis in einem Jahr stehen werden. Die Zukunft ist ungewiss; es ist schwierig genug, die Gegenwart einigermassen klar zu erfassen.

Dazu nur fünf Beispiele aus den vergangenen fünf Jahren: In den Prognosen, die von den Banken Ende 2019 für das Jahr 2020 abgegeben wurden, war der Auftritt eines neuartigen Coronavirus aus Wuhan nicht vorgesehen – entsprechend obsolet waren die Prognosen bereits ab Ende Januar.

Der heftige Anstieg der Inflation in den USA und in Europa im Jahr 2021 war für die Prognostiker eine Überraschung, dito das abrupte geldpolitische Bremsmanöver, das die Zentralbanken 2022 zur Bekämpfung ebendieser Inflation einleiteten. Dass die US-Notenbank (Fed) den Leitzins in weniger als zehn Monaten von null auf über 4% hochreissen würde, galt Ende 2021 als undenkbar.

Ende 2022 wiederum, unter dem Eindruck einer Börsenbaisse, herrschte unter den Auguren ein breiter Konsens, dass die Weltwirtschaft 2023 in eine Rezession rutschen würde. Daraus wurde nichts, und angetrieben von der Fantasie rund um das Thema künstliche Intelligenz (KI) wuchtete sich der Nasdaq-100-Index mehr als 50% in die Höhe. Dass dieser Boom 2024 ungebremst weitergehen würde, war Ende 2023 ebenso wenig Teil der Konsensprognosen wie das überragende Wahlresultat von Donald Trump.

Der Blick auf 2025 gestaltet sich nicht zuletzt deshalb zusätzlich anspruchsvoll, weil mit Trump ein Präsident ins Weisse Haus einzieht, der im Wahlkampf diverse widersprüchliche Versprechen abgegeben hat und mit einem erratischen Führungsstil bekannt ist. Bereits heute, einen Monat vor seinem Amtsantritt, treibt er mit seinem Kumpel Elon Musk die Republikaner im Kongress vor sich her und provoziert kurz vor Weihnachten einen «Government Shutdown».

Wie langjährige Leserinnen und Leser dieser Zeilen wissen, verzichten wir auf Prognosen. Stattdessen ziehen wir es vor, in Szenarien zu denken – «was wäre, wenn?» –, weil dadurch, ganz im Sinne von Taleb, die Bereitschaft für unterschiedliche Entwicklungen geschärft werden kann. Einer mittlerweile mehrjährigen Tradition folgend, präsentieren wir Ihnen daher im letzten «Big Picture» von 2024 eine Auswahl von – zueinander durchaus auch in Widerspruch stehenden – Thesen, die uns 2025 beschäftigen könnten.

«Only Nixon could go to China»: Nur ein – für damalige Verhältnisse – hardline-konservativer Republikaner konnte das Verhältnis zwischen den USA und der Volksrepublik China normalisieren. Der Besuch von Präsident Richard Nixon in Peking im Februar 1972 gilt als diplomatisches Meisterstück von Henry Kissinger, Nixons Sicherheitsberater.

Wenn allerdings ein Demokrat das gleiche Manöver unternommen hätte, wäre er von den Republikanern mit Sicherheit als schwacher, kommunistenfreundlicher Naivling verurteilt worden.

Wie damals Nixon bietet sich für Trump, dem 47. Präsidenten der USA, theoretisch die Gelegenheit, das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und China auf eine dauerhaft neue, konstruktive Basis zu stellen. Auch hier gilt: Hätte Joe Biden das versucht, wäre er als Schwächling gebrandmarkt worden, der vor dem Feind einknickt.

Eine Anleitung für die Strategie von Trump bietet der Plaza Accord von 1985: Damals wie heute war der Dollar relativ zu den Währungen der wichtigsten Handelspartner extrem stark, und die USA erwirtschafteten in ihrer Handelsbilanz ein erhebliches Defizit. James Baker, Finanzminister unter Ronald Reagan, bot die Notenbankchefs und Finanzminister Japans, Deutschlands, Grossbritanniens und Frankreichs im September zu einer Konferenz im New Yorker Plaza Hotel auf. Dabei einigten sie sich auf eine konzertierte Abwertung des Dollars, während sich vor allem der Yen und die D-Mark aufwerten mussten.

Scott Bessent, designierter Finanzminister unter Trump, hat in Auftritten und Interviews in den vergangenen Monaten von der Notwendigkeit gesprochen, das Weltwirtschaftssystem auf eine neue, für alle Beteiligten sinnvolle Basis zu bringen. Dabei hat Bessent den Begriff eines Mar-a-Lago Accord ins Spiel gebracht, in Reminiszenz an den Plaza Accord und das Anwesen von Trump in Florida.

Wie könnte ein Mar-a-Lago Accord aussehen?

Trump würde sich mit Chinas Staatschef Xi Jinping – natürlich in Mar-a-Lago und möglicherweise mit Einbezug der Regierungen Japans, Koreas, Kanadas und der EU – auf eine Abwertung des Dollars samt Aufwertung des Yuan einigen. Zudem würden sich chinesische Automobilkonzerne und Batterienhersteller wie BYD und CATL verpflichten, Fabriken in Ohio, Kentucky oder Michigan zu bauen. Im Gegenzug senkt die US-Regierung die Strafzölle auf Importe aus China.

Trump könnte sich als den grössten Dealmaker aller Zeiten feiern lassen. Only Nixon could go to China: Nur Trump kann sich mit Xi einigen, ohne von der Republikanischen Partei als Schwächling verurteilt zu werden.

Selbstverständlich wäre ein Mar-a-Lago Accord um Dimensionen komplexer als der Plaza Accord von 1985, denn im Gegensatz zu damals ist der Hauptverhandlungspartner kein Alliierter, sondern der strategische Erzfeind der USA. Wie genau Peking, Tokio und Washington an einen Tisch gebracht werden; welche Rolle, wenn überhaupt, andere Parteien wie die EU spielen sollen; und wie genau eine Abwertung des Dollars orchestriert werden könnte – alle diese Fragen bleiben offen.

Aber sollte es tatsächlich zu einem Mar-a-Lago Accord kommen, würde das aller Voraussicht nach einen allgemeinen Boom an den Finanzmärkten auslösen. Besonders davon profitieren würden die Börsen ausserhalb der USA, in Emerging Markets und nicht zuletzt in China – in allen Märkten, in denen die Zinsen sinken können, wenn sich der Dollar abschwächt. Nach dem Plaza Accord von 1985 schwenkte die Bank of Japan (BoJ) auf eine extrem lockere Geldpolitik ein, um den Effekt der Yen-Aufwertung für die heimische Industrie zu dämpfen. Damit setzte die BoJ den Startschuss für eine gigantische Spekulationsblase in Japan, die erst Ende 1989 platzen sollte.

Ein Mar-a-Lago Accord, gefolgt von einem mehrjährigen globalen Börsenboom, ist wahrscheinlich nicht das primäre Szenario, das viele Investoren vor Augen haben, wenn sie an die Trump-Präsidentschaft denken. Dazu müsste freilich Peking genauso gesprächsbereit sein wie Washington.

Und wenn nicht?

Dann droht als zweites, weitaus dunkleres Szenario ein Rückfall in die 1930er-Jahre mit Importbeschränkungen, Gegenmassnahmen, Handelshürden und einer allgemeinen Verhärtung der Fronten. Nachdem die USA 1930 mit dem Smoot-Hawley Tariff Act Zölle auf zahlreiche Importgüter verhängt hatten, folgten weltweit immer weitere Gegenmassnahmen.

Während der Jahre der Grossen Depression schraubte sich das Volumen des Welthandels immer weiter in die Tiefe, von mehr als 5 Mrd. $ pro Monat im Vorkrisenjahr 1929 bis auf unter 2 Mrd. $ pro Monat 1933:

In einer Welt von Handelskriegen gelten Handelsbilanzüberschüsse als «gut» und Ausdruck einer starken Wirtschaft, während Handelsbilanzdefizite als «schlecht» betrachtet werden. Zölle und Importbeschränkungen dienen dazu, Defizite in der Handelsbilanz zu beheben (Anmerkung: korrekterweise müsste von der Leistungsbilanz gesprochen werden, aber wir behandeln die beiden Ausdrücke für die vorliegenden Zwecke der Einfachheit halber synonym).

Greg Jensen, Co-Investmentchef des Hedge Funds Bridgewater Associates, spricht von einem neuen, «modernen» Merkantilismus, der auf vier Säulen basiert:

  1. Der Staat nimmt eine führende Rolle in der Ordnung der eigenen Wirtschaft ein.
  2. Handelsbilanzen dienen als Gradmesser für nationale Stärke; Defizite sind deshalb zu vermeiden.
  3. Staatliche Industriepolitik wird eingesetzt, um wirtschaftliche Eigenständigkeit zu erlangen.
  4. Nationale Champions im Unternehmenssektor werden gefördert und beschützt.

Donald Trump lässt in Reden immer wieder durchblicken, dass er entlang merkantilistischer Linien denkt. Bilaterale Handelsbilanzdefizite der USA sind für ihn ein Zeichen, dass Amerika ausgenommen wird. Und dieses Denken ist für Trump nicht neu. Schon in den Achtzigerjahren kaufte der Immobilienentwickler ganzseitige Anzeigen in der «New York Times», in denen er wetterte, die USA liessen sich von ihren «Alliierten» über den Tisch ziehen.

Vielleicht wird sich 2025 herausstellen, dass Trump null Interesse an einem Abkommen mit China (und Japan, etc.) zeigt. Vielleicht werden seine Avancen auch von Peking abgelehnt, was ihn veranlasst, im Handelskrieg «all in» zu gehen.

Dieser Krieg dürfte sich primär gegen China entladen, da die Vereinigten Staaten gemäss Daten der US-Regierung mit der Volksrepublik ein jährliches bilaterales Handelsbilanzdefizit von über 360 Mrd. $ (per 2022) aufweisen. Aber über China hinaus könnten alle Volkswirtschaften ins Fadenkreuz Trumps geraten, die im bilateralen Handel mit den USA einen Überschuss erzielen. Dazu zählen Japan (70 Mrd. $), Taiwan (51 Mrd.), Südkorea (36 Mrd.), die EU (131 Mrd.), Kanada (53 Mrd.) oder Mexiko (131 Mrd.). Weniger gefährdet wäre unter dieser Optik die Schweiz, deren Bilanz mit den USA nahezu ausgeglichen ist.

Die grosse Frage ist, womit China zurückschlagen könnte, da die Volkswirtschaft mit dem Handelsbilanzüberschuss per Definition am kürzeren Hebel sitzt, wenn von der Gegenseite Importzölle verhängt werden. Eine Variante ist die bereits praktizierte Beschränkung von Exporten seltener Erden.

Eine weitere Möglichkeit wäre es, spezifisch amerikanische Unternehmen mit Exportzöllen oder Boykotten zu belegen, für die China ein wichtiger Produktionsstandort oder Absatzmarkt darstellt. Das wären beispielsweise Apple, Starbucks, Nike oder – pikanterweise – Elon Musks Tesla.

Zwischen Januar und November 1994 stieg die Rendite zehnjähriger Treasury Notes von 5,6 auf fast 8%. Die Episode ging als «The Great Bond Massacre» in die Wirtschaftsgeschichte ein und verleitete den damaligen Berater von Präsident Bill Clinton, James Carville, zur Aussage, er möchte nach seinem Tod nicht etwa als Präsident oder als Papst auf die Erde zurückkehren, sondern als Bondmarkt: Denn nur dieser könne wirklich alle einschüchtern.

In den vergangenen drei Jahren hat der US-Bondmarkt mit einem deutlichen Anstieg der Zinsen mehrmals für Vorbeben an den Finanzmärkten gesorgt. Auch gegenwärtig steigt die Nervosität wieder, zumal die Rendite zehnjähriger Treasury Notes innerhalb von zwei Wochen um gut 30 Basispunkte auf über 4,5% und damit auf das höchste Niveau seit Mai gestiegen ist.

Die Inflation in den USA erweist sich als hartnäckig, der Zustand der Staatsfinanzen ist mit einem jährlichen Budgetdefizit von mehr als 6% des BIP – im Umfeld einer boomenden Wirtschaft mit Vollbeschäftigung – desaströs.

Nun kommen mit Blick auf 2025 zwei neue Effekte ins Spiel. Erstens hat Trump im Wahlkampf diverse Versprechen abgegeben, die eine Ausweitung des Budgetdefizits und erhöhten Inflationsdruck bedeuten: Steuersenkungen, Importzölle und die Deportation von Immigranten wirken inflationär, weil sie die Konjunktur anfeuern, die Preise erhöhen oder die Knappheit am Arbeitsmarkt verschärfen.

Die von Elon Musk und seinem DOGE-Programm propagierten Deregulierungen würden bestenfalls mit erheblicher Verzögerung produktivitätsfördernd und disinflationär wirken.

Hinzu kommt ein zweiter Effekt: Janet Yellen, die amtierende Finanzministerin, hat in den vergangenen zwei Jahren den Finanzierungsbedarf des Staates in immer grösserem Ausmass mit der Emission kurzfristiger Schuldpapiere – sogenannten Treasury Bills – gedeckt. Damit ist es ihr gelungen, die mehr als 2000 Mrd. $ anzuzapfen, die Geldmarktfonds zuvor in der sogenannten Reverse-Repo-Fazilität der US-Notenbank parkiert hatten.

Diese Liquiditätsreserven sind weitgehend aufgezehrt.

Yellens designierter Nachfolger Bessent hat die Strategie, den Staat ultrakurzfristig zu finanzieren, als gefährlich bezeichnet, weil dadurch laufend riesige Mengen an fällig werdenden T-Bills refinanziert werden müssen.

Mit dieser Einschätzung hat Bessent durchaus recht, bloss stellt ihn das in den kommenden Monaten vor die Herausforderung, den Staatsapparat sowie fällige T-Bills wieder vermehrt mit längerfristigen Anleihen (Notes) zu finanzieren, was deren Angebot erhöht. Die Kombination dieser beiden Effekte – inflationäre Politik von Trump und Bessents Versuch, den Staat längerfristig zu finanzieren – könnte einen Sprung der Zinsen am Bondmarkt provozieren. Ein Anstieg der Rendite zehnjähriger Treasury Notes auf gegen 6% wäre denkbar.

Trump würde in diesem Fall Fed-Chef Jerome Powell über Social Media mit Schimpf und Schande eindecken, weil dieser nichts gegen den Zinsanstieg unternimmt. Powell, der im Mai 2026 ohnehin abtritt, würde das Geschrei aus dem Weissen Haus aus Prinzip ignorieren, um die Unabhängigkeit des Fed zu unterstreichen.

«The Great Bond Massacre, Part II» wäre die Folge – und am Ende würde das Fed das Feuer doch löschen, indem es ein neues Anleihenkaufprogramm auflegt.

Die dampfgetriebene Eisenbahn ist eine der wichtigsten, folgenschwersten und volkswirtschaftlich produktivsten Erfindungen aller Zeiten. Sie erlaubte den Transport von Gütern und Menschen über Distanzen und mit Geschwindigkeiten, die zuvor unmöglich waren.

Das Aufkommen der Eisenbahn führte in Grossbritannien ab 1830 und wenig später in den USA zu einem Investitionsboom, zu einer Spekulationsblase – und zu einem spektakulären Crash.

Das Muster war simpel: Die Technologie zog riesige Mengen an Investitionskapital an, es kam zu einem «Investitions-Wettrüsten» unter verschiedenen Anbietern von Eisenbahnverbindungen. Das wiederum führte zu ökonomisch unsinnigen Überinvestitionen, zu Pleiten und einer tiefgreifenden Bereinigung: Auf dem Höhepunkt der Manie waren beispielsweise drei voneinander unabhängige Bahnlinien zwischen Liverpool und Leeds in Betrieb, obwohl eine vollkommen genügt hätte.

In ähnlichem Ausmass wiederholte sich das Muster Ende der 1990er-Jahre, als Telecom- und Kabelgesellschaften Millionen Kilometer an Glasfasernetzen verlegten, um von den Segnungen des Internet zu profitieren. Auch damals war es ein Investitions-Wettrüsten, auch damals wurde überinvestiert, und auch damals kam es zu einer schmerzhaften Bereinigung, die Dutzende Unternehmen wie Worldcom, Adelphia oder Nortel Networks nicht überlebten.

An diese Episoden fühlt sich erinnert, wer das gegenwärtige Wettrüsten zwischen Unternehmen wie Microsoft, Meta, Alphabet und Amazon im Bereich der KI betrachtet. Allein diese vier Konzerne investieren derzeit deutlich mehr als 200 Mrd. $ pro Jahr in den Aufbau von Rechenzentren.

Nutzniesser dieser Kapitalinvestitionen sind Chipriesen wie Nvidia, Broadcom und TSMC bis hin zu Lieferanten von Kühl- und Lüftungssystemen für die Rechenzentren wie Carrier oder die schweizerische Belimo.

Der KI-Boom ist ein wichtiger Treiber der Hausse an den US-Börsen in den vergangenen zwei Jahren und ein Argument, weshalb der amerikanische Aktienmarkt im Vergleich zum Rest der Welt in einer eigenen Liga spielt.

Bloss: Wird sich dieses Wettrüsten am Ende rechnen? Werden Microsoft, Alphabet & Co. jemals eine genügend grosse Rendite auf ihren Kapitalinvestitionen erzielen? Werden KI-Anwendungen überhaupt monetarisiert werden können, oder werden sie – ähnlich wie Internet-Browser – mehr oder weniger gratis als «Commodity»-Ware angeboten werden müssen?

Diese Fragen sind zum heutigen Zeitpunkt nicht beantwortet, aber 2025 könnte für KI zum Jahr der Entscheidung werden. Sollten die Tech-Kolosse nämlich zum Schluss kommen, dass sie zunächst einmal genug investiert haben, dann droht ein Luftloch und ein harter Rückschlag für alle Unternehmen, die am KI-Boom hängen.

Damit sei dahingestellt, ob KI am Ende die Wundertechnologie sein wird, die riesige Produktivitätsfortschritte und unzählige neue Geschäftsmöglichkeiten bietet oder nicht. Doch die Historie lehrt, dass es beim Auftreten neuer Technologien zu einem von Überinvestitionen getriebenen «Boom & Bust»-Zyklus kommt. «In der Regel findet man erst in den Trümmern der geplatzten ersten Investitionsblase die produktiven Anwendungen der neuen Technologie», sagt der Historiker Russell Napier.

Die fünfte These schliesslich betrifft China.

«Markets stop panicking when policy makers start panicking», lautet die wohl wichtigste Börsenregel im Umgang mit Krisen. Egal, ob in der Finanzkrise von 2008, der Eurokrise von 2011 oder der ersten Covid-Krise von 2020: In der Regel versuchen die geld- und fiskalpolitischen Entscheidungsträger immer zuerst mit kleinen Schritten, der Krise zu begegnen. Das führt an den Finanzmärkten zu immer heftigeren Beben – ein Signal, dass die Massnahmen nicht ausreichen.

Wir haben das Phänomen in der Vergangenheit als das «Chief Brody»-Prinzip bezeichnet, benannt nach dem Polizeichef aus dem Hollywood-Klassiker «Jaws»: Erst wenn die Protagonisten begreifen, mit was für einer Bestie sie es zu tun haben und sie ein grösseres Boot benötigen, dreht die Dynamik.

Die Parteiführung um Xi Jinping in Peking scheint noch nicht so richtig begriffen zu haben, dass ein grösseres Boot notwendig ist. Chinas Wirtschaft steckt in einer Deflationsspirale fest.

Zwar hat die Regierung seit September eine Reihe von Stützungsmassnahmen in Aussicht gestellt, doch die Umsetzung in die Tat verläuft schleppend. Mal für Mal zeigen sich die Finanzmärkte enttäuscht.

Die Dynamik dreht erst, wenn die Entscheidungsträger – im positiven Sinn – in Panik geraten. Wenn sie in grossem Stil Massnahmen umsetzen, die den inländischen Konsum dauerhaft stärken. Nach der Central Economic Work Conference der Parteiführung von Mitte Dezember waren ermutigende Worte zu hören, wonach der Konsum «rigoros» gestärkt werden soll. Aber auch hier gilt: Worte reichen nicht. 2025 müssen beherzte Taten folgen, und zwar nicht bloss in Form von einmaligen Stimulus-Checks, sondern mit einer nachhaltigen Stärkung der Haushalteinkommen.

Wenn das geschieht, ist der extrem unbeliebte, unterbewertete und in den Anlageportfolios untervertretene chinesische Aktienmarkt reif für einen explosionsartigen Anstieg. Und mit ihm zahlreiche weitere Emerging Markets – aber leider erst dann.

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