Freitag, Januar 3

2024 hat gezeigt: Auf ein phänomenales Aktienjahr kann ein zweites folgen – trotz aller Krisen und Unsicherheiten. Bewährte Marktmodelle geraten ins Wanken, und die Prognosen der Profis erweisen sich als trügerisch. The Market zeigt, welche Lehren Anleger aus diesem Jahr ziehen können.

«Es geht nicht darum, die Zukunft vorherzusagen, sondern darauf vorbereitet zu sein.»
Perikles, athenischer Staatsmann und Feldherr (um 500–429 v. Chr.)

Themarket.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Hohen Bewertungen, politischen Krisen und einer europäischen Industrierezession zum Trotz: Die Aktienmärkte lassen sich nicht in die Knie zwingen. Nach einem bereits hervorragenden Jahr 2023 kannten die Börsen auch 2024 nur eine Richtung: nach oben. Wie so oft kam es am Ende anders als von vielen Experten gedacht.

Ob 2025 erneut ein erfolgreiches Börsenjahr wird, darüber wagt The Market keine Prognose – das wäre nicht seriös. Dennoch lohnt es sich, auf einige Ereignisse und Entwicklungen des vergangenen Jahres zurückzublicken, um daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.

Rückblick auf den Dezember 2022: Die US-Notenbank (Fed) hat die Leitzinsen in weniger als zehn Monaten von 0,25 auf 4,5% angehoben. Zudem zeichnet sich zu diesem Zeitpunkt ab, dass die Federal Funds Rate 2023 noch auf mehr als 5% steigen wird. Aufgrund des beispiellosen Tempos in der geldpolitischen Drosselung, das die US-Währungshüter angesichts hoher Inflationsraten an den Tag legen, ist der Konsens unter den Strategen der grossen Investmenthäuser nahezu einhellig: Eine Rezession in den USA ist unausweichlich – die Frage ist nur, wie stark sie ausfällt.

Doch die Rezession blieb aus. Die US-Wirtschaft zeigte sich robust und wuchs 2023 mit 2,5% sogar stärker als im Vorjahr.

Dezember 2023: Das Szenario einer weichen Landung der US-Wirtschaft erscheint nicht mehr ausgeschlossen, doch die Chefstrategen sind weiterhin vorsichtig und raten zu Zurückhaltung. Der Konsens geht für Ende 2024 für den S&P 500 von einem Punktestand von 4861 aus, was in etwa dem Stand von Ende 2023 entspricht. Marko Kolanovic, Chefstratege von JPMorgan, der grössten Investmentbank der Welt mit Zugang zu einigen der klügsten Köpfe und mehr Daten als jeder andere, rechnet mit lediglich 4200 Punkten.

Jetzt, Ende Dezember, steht das US-Leitbarometer bei knapp 6000 Punkten. Die obige Auflistung, basierend auf Daten von Charlie Bilello, Chefstratege des Vermögensverwalters Creative Planning, zeigt: Keines der zwanzig wichtigsten Investmenthäuser der USA hat mit einem Punktestand in dieser Höhe gerechnet.

Was stimmte Marko Kolanovic und sein Strategieteam von JPMorgan Anfang 2024 derart pessimistisch? Neben einem schwachen Gewinnwachstum (2 bis 3%) warnte er vor steigenden geopolitischen Risiken, nachlassender Nachfrage und überhöhten Bewertungen an den Aktienmärkten. Das Kursziel von 4200 Punkten versah die Investmentbank mit dem Hinweis «Tendenz nach unten». Kolanovic trat im Juli nach neunzehnjähriger Tätigkeit bei der Bank zurück.

Hätten Investoren in den letzten zwei Jahren auf die warnenden Stimmen der Chefstrategen gehört und von Anlagen in Aktien abgesehen, wären ihnen satte Gewinne entgangen. In den letzten zwei Jahren hat der US-Leitindex S&P 500 inklusive Dividenden gerechnet rund 60% zugelegt, während der MSCI World, der zu über 70% aus US-Aktien besteht, immerhin 45% gewann. Auch der deutsche Dax erreichte eine beachtliche Performance von etwa 35%. Bezeichnend ist jedoch, dass der Swiss Market Index, der dank seiner Schwergewichte Roche, Novartis und Nestlé als defensiv gilt, ein mageres Plus von lediglich knapp 10% verzeichnete.

Was sagt uns das? Nur weil ein Ereignis allgemein erwartet wird, heisst das noch lange nicht, dass es eintritt. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen selbst bewährte Marktmodelle ins Wanken geraten, womit wir bei der zweiten Lehre aus dem Jahr 2024 wären.

Ein wesentlicher Grund, warum Ökonomen insbesondere 2023 und teilweise noch 2024 eine Rezession in den USA erwarteten, war die inverse Zinskurve. Eine solche liegt vor, wenn die Renditen kurzfristiger Staatsanleihen höher sind als die langfristiger. In den letzten fünfzig Jahren hat sich dies als einer der zuverlässigsten Frühindikatoren für eine Rezession erwiesen. Das Lehrbuch besagt: Im Durchschnitt dauert es nach der ersten Inversion der Zinskurve achtzehn Monate, bis die US-Wirtschaft in eine Rezession rutscht.

Im vergangenen September löste sich die Inversion nach einer Rekorddauer von 783 Tagen auf. Mehr als zwei Jahre nach Eintritt der Inversion ist die Rezession ausgeblieben. Kritiker könnten an dieser Stelle zu Recht einwenden, dass der Abschwung meist erst kurz nach der Auflösung der Inversion einsetzt, wie auch die obige Grafik zeigt. Doch auch dies erscheint diesmal fraglich: Die Auflösung der Inversion liegt bereits vier Monate zurück, und eine US-Rezession zeichnet sich weiterhin nicht ab.

Ist es diesmal tatsächlich anders?

Im Gegensatz zum Aktienmarkt galt der Bondmarkt in der Vergangenheit stets als das «Smart Money» von Wallstreet, das die Entwicklung von Inflation, Wachstum und Zinsen am präzisesten vorhersagen konnte. In einem Blogpost aus dem Frühjahr 2024 erläutert Lyn Alden, Analystin und Gründerin von Lyn Alden Investment Strategy, warum der Anleihenmarkt seine Fähigkeit verloren hat, präzise Wirtschafts- und Inflationsprognosen zu liefern. Hauptursachen seien die veränderte Marktstruktur, die hohe Schuldenlast (US-Schuldenquote: über 120% des BIP) und häufige Interventionen der Zentralbanken, die die Aussagekraft des Marktes beeinträchtigten.

Die Lehre daraus: Keinem Indikator, Modell oder keiner Faustregel sollte blind vertraut werden. Anleger können sie als Orientierung nutzen, sollten sie jedoch nicht als unverrückbare Wahrheit betrachten.

Wer 2024 US-Tech-Aktien wie Nvidia (+190%) oder Palantir Technologies (+410%) sowie europäische Gewinner wie SAP (+75%) oder Siemens Energy (+325%) im Depot hatte, konnte ausserordentliche Renditen verbuchen. Auch Kryptowährungen wie Bitcoin (+120%) lieferten eine beeindruckende Performance.

Es bleibt jedoch eine Herausforderung, die Gewinner eines Jahres im Voraus zu identifizieren. Wer hätte gedacht, dass die Aktien des Energietechnikkonzerns Siemens Energy, der noch vor anderthalb Jahren mit Staatsgarantien gerettet werden musste, eine derart beeindruckende Performance erzielen würden?

Wer hätte zudem gedacht, dass die eigentlich als krisensicher geltenden Nestlé-Titel, die in vielen Schweizer Depots vertreten sind, nach ihrer ohnehin schon schwachen Entwicklung seit Jahresbeginn noch einmal ein Viertel an Wert verlieren würden? Die Strategie des Stock Picking birgt nicht nur das Risiko, potenzielle Gewinner zu übersehen, sondern auch die Gefahr, Verlierer übermässig zu gewichten.

Auch 2024 hat sich – so unspektakulär es klingen mag – ein Übergewicht in einem «Weltindex» als Basisinvestment bewährt. Der MSCI World Index, der die Wertentwicklung von Unternehmen aus 23 Industrieländern abbildet, gewann dieses Jahr 21%. Der MSCI All Country World Index, der auch Schwellenländer umfasst, rückte immerhin 17% vor.

Natürlich kann und wird es auf Marktebene Rücksetzer geben, nach zwei äusserst erfolgreichen Jahren ist dies sogar wahrscheinlich. Eine Korrektur wäre jedoch gesund und würde es Sparplaninvestoren ermöglichen, zu tieferen Kursen aufzustocken.

Kritiker sehen den hohen US-Anteil von über 70% im MSCI World Index als Klumpenrisiko. Allerdings haben US-Aktien in den letzten Jahren mit Abstand am besten performt – allen voran die «Magnificent Seven»: Microsoft, Apple, Amazon, Meta, Alphabet, Tesla und Nvidia. Diese Schwergewichte waren für einen Grossteil der Performance verantwortlich. Wer im MSCI World investiert ist, hat 2024 von der Kursentwicklung der «Mag-7» profitiert.

Das bedeutet jedoch nicht, dass auf Einzelinvestitionen gänzlich verzichtet werden soll. Auch The Market hat kürzlich wieder Aktienfavoriten für 2025 vorgestellt.

Vor allem im Rahmen eines vernünftigen Core-Satellite-Ansatzes spricht nichts dagegen, kleinere Wetten auf einzelne Titel zu einzugehen. Diese Strategie kombiniert einen festen, passiven Kern (Core) mit kleineren Satelliten, die aus Einzelaktien, Sektor- oder Länder-ETF sowie anderen Anlageklassen wie Anleihen, Bitcoin oder Edelmetallen bestehen können. Mit diesen Satelliten lassen sich aktiv Gewichtungsentscheidungen umsetzen. Ob der Kern 60 oder 90% ausmacht, hängt von der individuellen Risikobereitschaft ab.

Fast schon in Vergessenheit geraten: Anfang August sorgte eine toxische Mischung aus schwachen US-Konjunkturdaten, enttäuschenden Tech-Abschlüssen und steigenden Zinsen in Japan dafür, dass die globalen Börsen kurzzeitig in den Panikmodus schalteten. Der japanische Nikkei 225 verlor innerhalb weniger Handelstage 20%. In den USA büsste der S&P 500 rund 8% und der Nasdaq 100 rund 10% ein, während der Euro Stoxx 50 in Europa gut 9% an Boden verlor. Selbst der defensive SMI fiel um bis zu 7%, und Bitcoin gab mehr als 20% nach.

Schnell stellte sich heraus, dass der Abverkauf in erster Linie technisch bedingt war. Vor allem die massenhafte Auflösung von Yen-Carry-Trades setzte die Märkte unter Druck. Bei dieser seit Jahren beliebten Handelsstrategie leihen sich Investoren japanische Yen zu Zinsen, die bis zuletzt nahe null tendierten, um sie anschliessend global in höher rentierende Anlagen wie Anleihen oder Aktien zu investieren.

Steigt das Zinsniveau in Japan abrupt – wie Anfang August, als die Bank of Japan den Leitzins von 0 bis 0,1% auf 0,25% anhob –, beflügelt dies den Yen. Dadurch verteuerte sich einerseits der reale Wert der ausstehenden Kredite (also der ausgeliehenen Yen), andererseits stiegen die Zinsen, die für die Rückzahlung dieser Kredite gezahlt werden mussten. Die Folge waren massenweise Margin Calls und die erzwungene Auflösung der Carry Trades.

Allerdings zeigt der folgende Kursverlauf des Euro Stoxx 50, dass die Panik nur von kurzer Dauer war. Innerhalb von weniger als zehn Handelstagen wurden die Verluste aufgeholt – der Spuk war vorbei. Rückblickend erwies sich die Panik an den Börsen als Kaufgelegenheit.

Natürlich kann niemand vorhersagen, wie lange eine Korrektur anhält. Noch weniger wissen wir, ob die Kurse 2025 weiter steigen oder ob wir in eine längere Baisse eintreten – für beide Szenarien gibt es gute Argumente. Anlegerinnen und Anleger sind jedoch gut beraten, sich eine Aktien-Watchlist zuzulegen.

Dazu gehören Aktien, die man schon immer kaufen wollte, die bisher jedoch zu teuer waren und nach einem Kursrutsch attraktiv werden könnten. Die Idee: In Phasen einer Korrektur werden selbst hochwertige Titel oft stark und mitunter übermässig abgestraft. 2024 zeigt, dass auch gute Börsenjahre Korrekturen haben, die Chancen bieten.

Schneeballsystem, gefährliche Zockerei, kein intrinsischer Wert – die Liste der Kritikpunkte an Bitcoin ist so lang wie alt. Der Vorwurf des Schneeballsystems lässt sich leicht widerlegen: Bitcoin hat keinen zentralen Betreiber, der das System durch die kontinuierliche Aufnahme neuer Mitglieder und deren Einlagen finanziert. Andere Bedenken bleiben jedoch bestehen – teilweise auch zu Recht.

Doch Bitcoin hat 2024 einen grossen Schritt in Richtung Integration in die traditionelle Finanzwelt gemacht. Anfang des Jahres genehmigte die US-Börsenaufsicht eine Reihe von Bitcoin-Spot-ETF. Unter anderem lancierte BlackRock, der grösste Vermögensverwalter der Welt, einen börsengehandelten Bitcoin-Fonds und rührte dafür ordentlich die Werbetrommel – ein Ritterschlag für Bitcoin von Wallstreet.

Doch nicht nur der iShares-ETF von BlackRock (IBIT) erfreut sich regen Zulaufs. Ende Dezember befindet sich mehr als 1 Mio. Bitcoin in US-Spot-ETF. Zur Einordnung: Insgesamt sind derzeit knapp 20 Mio. Bitcoin im Umlauf.

Anfang Dezember – nur 277 Tage nach der Lancierung – knackte allein der Spot-ETF von BlackRock die Marke von 50 Mrd. $ und wurde damit zur erfolgreichsten ETF-Lancierung der Geschichte. Der bisherige Spitzenreiter, der iShares Core MSCI EAFE, der Aktien grosser und mittelgrosser Unternehmen in entwickelten Märkten ausserhalb der USA und Kanadas umfasst, benötigte 1329 Tage, wie Bloomberg-Analyst Eric Balchunas auf X festhält.

Mitte Dezember verwalteten alle Bitcoin-Spot-ETF in den USA ein Vermögen von rund 120 Mrd. $. Zum Vergleich: US-Gold-ETF erreichen ein Volumen von 125 Mrd. $. Heisst: Das Interesse von institutionellen Investoren ist da – und nimmt weiter zu.

The Market hat an dieser Stelle ausgeführt, warum Bitcoin einen Platz im Portfolio verdient hat. Studien zeigen, dass eine Beimischung von Bitcoin von bis zu 5% in ein Portfolio in den letzten fünf Jahren die Depotperformance signifikant steigerte, während die Volatilität nur minimal stieg. Natürlich bleibt Bitcoin, für sich betrachtet, hoch volatil. Doch mit zunehmendem institutionellem Engagement könnte sich die Kursentwicklung langfristig stabilisieren.

Exit mobile version