Donnerstag, Februar 6

Die Stimmung vor einer Tiefgarage in Friesenberg ist aufgeheizt: Eine Polizistin wird als «Nutte» beschimpft, ein Teenager will sich nicht kontrollieren lassen. Was dann geschieht, ist Gegenstand eines Prozesses. Der Vorwurf lautet Amtsmissbrauch.

Der Vorfall liegt schon dreieinhalb Jahre zurück: Am 25. August 2021 verständigte ein privater Sicherheitsmann die Stadtpolizei Zürich. Er sollte im Friesenberg-Quartier ein Hausverbot gegen Jugendliche aussprechen. Diese hielten sich bei einer Tiefgarage auf, die als Brennpunkt für Vandalismus und Drogenhandel galt.

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Das Aufbieten der Polizei war notwendig, um die Personalien der Jugendlichen festzustellen. Was in der Folge bei der Tiefgarage und auf einer Polizeiwache geschah, beschäftigt nun das Zürcher Bezirksgericht.

Eine Beamtin und vier Beamte der Stadtpolizei Zürich im Alter von 34 bis 49 Jahren sitzen wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs als Beschuldigte vor einem Einzelrichter.

Die zuständige Staatsanwältin verlangt für alle je eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen und wirft ihnen vor, bei der Verhaftung sowie der späteren erkennungsdienstlichen Behandlung eines dunkelhäutigen Jugendlichen unangemessene Gewalt angewendet zu haben. Die Beschuldigten und ihre Verteidiger beantragen Freisprüche.

Polizistin als «Nutte» beschimpft

Als eine zweiköpfige Polizeipatrouille, die aus einer Frau und einem Mann bestand, abends gegen 19 Uhr 30 bei der Tiefgarage eintraf, soll sie von den Jugendlichen bereits aggressiv empfangen und beleidigt worden sein. Unter anderem sei die Polizistin als «Nutte» beschimpft worden, so ihr Verteidiger.

Gemäss Anklage habe ein Jugendlicher wegen der hohen Stimme des männlichen Polizisten lachen müssen. Der Polizist sei darob wütend geworden und habe versucht, dem Jugendlichen sein Knie in den Magen zu rammen. Der Polizist habe den Jugendlichen dann grundlos zu Boden geführt. Dieser sei mit dem Kopf auf den Asphalt aufgeschlagen. Bei der Verhaftungsaktion verlor der Jugendliche einen Zahn.

Die beiden an der Verhaftung beteiligten Beamten machen vor Gericht keine Aussagen zur Sache. Einer der Verteidiger erklärt, die Anklage der Staatsanwältin sei lediglich «in dubio pro duriore» – im Zweifel für das Härtere – erfolgt und übernehme blind die Behauptungen des Jugendlichen, die überhaupt nicht der Wahrheit entsprächen.

Bei der Personenkontrolle sei festgestellt worden, dass zum Teil schon Vorakten von Beteiligten wegen versuchter Tötung, Körperverletzung, Gewalt und Drohung sowie Betäubungsmitteldelikten bestanden hätten.

Deshalb hätten sich die Polizisten für Effektenkontrollen entschieden. Der eine Jugendliche habe sich partout nicht kontrollieren lassen wollen. Die Stimmung sei sehr aufgereizt gewesen.

Auf einem Handy-Video, das einer der Jugendlichen anfertigte und das als Beweismittel im Verfahren vorliegt, sehe man, dass der beschuldigte Beamte «die Ruhe selbst» bleibe. Auch der private Sicherheitsmann sagte als Zeuge aus, ihn habe die Respektlosigkeit der Jugendlichen gegenüber der Polizei schockiert. Ein Jugendlicher sei völlig ausgetickt.

Laut einem Verteidiger habe es für den Polizisten so ausgesehen, als wollte ihm der Jugendliche gleich eine Kopfnuss verpassen. Er habe sich zur Wehr gesetzt und den Jugendlichen zu Boden geführt. Dabei sei er vorschriftsmässig vorgegangen.

Auf dem Video sehe man auch klar, dass kein Kniestoss erfolgt sei. Verletzungen seien in einem dynamischen Geschehen auch bei rechtmässiger Anwendung von Polizeigewalt möglich.

Spezialeinheit musste aufgeboten werden

Die Patrouille musste Verstärkung anfordern. Der Jugendliche wurde verhaftet und auf eine Polizeiwache gebracht. Es ist Vorschrift, dass alle Personen in polizeilicher Gewahrsam einer Identifikation und zur Vermeidung von Eigen- oder Fremdgefährdung einer Leibesvisitation unterzogen werden.

Wegen der Aggressivität des Jugendlichen konnten die Polizisten auf der Wache diese Massnahmen aber nicht durchführen. Deshalb wurden drei Beamte der Spezialeinheit «Interventionsgruppe» aufgeboten.

Diese drei sind nun ebenfalls angeklagt. Sie mussten die beiden Zeigefinger des Jugendlichen mit einem Gerät scannen. Gemäss Anklage soll der Jugendliche dabei in einen «Zangengriff» genommen und gewürgt worden sein, bis er keine Luft mehr bekommen habe.

Zudem seien seine Finger «in kruder Weise» nach hinten gebogen worden. Ein Beamter habe zum Jugendlichen auch noch gesagt, er solle nach Afrika zurück, wo er hingehöre.

Die drei Beamten weisen diese Vorwürfe im Gerichtssaal zurück. Der Älteste von ihnen macht ausführlich Angaben zum tatsächlichen Ablauf. Ein Scan der Finger dauere normalerweise 5 Sekunden. In diesem Fall habe der Vorgang 15 Minuten gedauert. Sie hätten einen Auftrag ausführen müssen.

Der Jugendliche sei völlig aggressiv und beleidigend aufgetreten, habe seine Hände zu Fäusten geballt. Er sei aber nicht gewürgt worden, die Finger seien nicht gebogen worden, und der rassistische Ausspruch sei nicht gefallen.

Die Verteidiger der Beamten erklären, es gehöre in solchen Fällen zur Aufgabe der Polizisten, kontrollierten Zwang auszuüben. Die Behauptungen des Jugendlichen hätten keinen Wahrheitsgehalt. Dass überhaupt Anklage erhoben worden sei, habe vor allem den Grund, dass sich die Staatsanwältin vor einer Medienkampagne des Gegenanwalts gefürchtet habe, wenn sie das Verfahren eingestellt hätte.

Der Polizist, der den Jugendlichen zu Boden führte, sagt in seinem Schlusswort, jeder Polizist habe sicher schon Fehler begangen und stehe auch dazu. Aus Fehlern lerne man.

In diesem Fall seien aber keine Fehler gemacht worden. Er würde beim nächsten Mal genau gleich handeln. Dass der Jugendliche einen Zahn verloren habe, tue ihm leid. Das wäre nicht passiert, wenn er sich nicht gegen die Kontrolle gewehrt hätte.

Die Staatsanwältin war vom Prozess dispensiert. Der Privatkläger und dessen Anwalt konnten aus Krankheitsgründen nicht teilnehmen. Das Gericht lehnte einen Antrag auf Verschiebung der Verhandlung jedoch ab.

Der Rechtsanwalt erhält nun Gelegenheit, schriftlich Stellung zum Verfahren zu nehmen. Nach der Beratung soll eine mündliche Urteilseröffnung stattfinden. Deren Datum steht noch nicht fest.

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