Montag, Dezember 30

Die Politik in Bern ist nicht in der Lage, knapp 3 Millionen Franken für die Vermittlung von Wissenschaft auszugeben, trotz Fürsprache des Zürcher Regierungsrats.

Georg Müller hat viel getan für das Verständnis von Naturerscheinungen und ihre Erforschung. 1984 organisierte er fast im Alleingang mit seiner Frau die Phänomena im Zürcher Seefeld. Als Erlebniswelt war sie eine neue Form von Ausstellung mit aktivem Einbezug des Publikums. Neun Jahre später realisierte er mit dem Kulturverein Zürcher Forum ohne Geld vom Bund auf der Allmend Brunau die Wissenschaftsausstellung Heureka.

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Doch jetzt versteht Müller die Welt nicht mehr. «Ich begreife nicht, weshalb der Bund den notwendigen finanziellen Beitrag verweigert», sagt er in seinem Haus am Zürichberg. Nämlich für die Neuauflage der Phänomena, die im März 2026 in Dietikon stattfinden soll. Die Finanzierung ist noch nicht gesichert. Ein Scheitern wäre ein Verlust.

Die Aussage auf der Website der Ausstellung jedenfalls trifft zu: «Wer die Phänomena 1984 in Zürich gesehen hat, kann sich noch heute bestens daran erinnern.» Der Bambus-Turm mit den Windspielen, die riesigen Schallspiegel, das Uferklavier: Sie sind im Gedächtnis haften geblieben. In einer Zeit, die zu Eile und Oberflächlichkeit neige, sei die Phänomena ein Brückenschlag zum besseren Verständnis einer komplizierter gewordenen Welt, schrieb Müller damals.

Des galt ebenso für die Heureka 1991. Auch sie verband wissenschaftliche Experimente mit Kunst und Architektur. Acht, teilweise über Brücken verbundene und zu einem Halbkreis gefügte Zelte, in ihrer Mitte ein bewegliches Polyeder und der 50 Meter hohe spiralförmige Holzturm mit einer Ausstellung über die Wissenschaftsgeschichte prägten das Bild.

Von Zürich nach Dietikon

Widerstand ist Georg Müller gewohnt. Für die Phänomena 1984 habe eine einfache Gesellschaft ohne Eintrag im Handelsregister genügt, erzählt er. Eine formelle Baubewilligung war noch nicht notwendig. Damals beklagten sich Anwohner über Suchverkehr im Quartier, es gab noch keine S-Bahn.

Wegen solcher Erfahrungen wollte Anfang der 1990er Jahre der nun rot-grüne Stadtrat keine Heureka. Es kam zu einem langen, zähen Seilziehen um die Bewilligung. Der Anfrage für eine neue Phänomena auf der Allmend erteilte die Stadt Zürich schon 2021 eine Absage.

Fündig wurden die Organisatoren auf dem Niderfeld im Westen von Dietikon, das in einigen Jahren überbaut wird. Das Gelände, auf dem auch Karl’s Kühne Gassenschau ihr Spektakeltheater veranstaltet, ist mit der Limmattalbahn vorzüglich erschlossen. Die Standortgemeinde unterstützt das Vorhaben und erteilte vor einem Jahr die Bewilligung.

Zwar musste die Phänomena, die ursprünglich 2023 hätte stattfinden sollen, dreimal verschoben werden. Die Verzögerung habe auch Vorteile, die Finanzierung benötige Zeit, sagt Urs Müller. Der Sohn des Phänomena-Initianten ist der Gesamtleiter der Erlebniswelt in Dietikon. Der 89-jährige Georg Müller, der die Urheberrechte an der Marke Phänomena besitzt, ist auf der Website unter jenen Mitwirkenden aufgeführt, «ohne die es nicht geht».

Wenig Gehör im Ständerat

Seit zwei Jahren bemüht sich Urs Müller erfolglos um einen Beitrag des Bundes in der Höhe von 5 Millionen Franken. Zwar bewilligte der Kantonsrat 2023 aus dem Gemeinnützigen Fonds gleich viel Geld für die Phänomena. Doch die Auszahlung der Summe ist an die Bedingung geknüpft, dass der Bund seine 5 Millionen tatsächlich bezahlt, sonst wird sie auf die gleiche Höhe gekürzt. Ähnlich verhält es sich mit weiteren 3,5 Millionen, die der Kanton Aargau und die Stadt Zürich zusagten.

Bis anhin hat erst das Bundesamt für Energie eine Million Franken gesprochen, dazu der Nationalfonds 1,1 Millionen und das Bundesamt für Kultur 150 000 Franken. Es fehlen also knapp 3 Millionen, damit die bereits zugesagten Mittel aus der Region in vollem Umfang fliessen. Mehrfach seien Anfragen nach Bern mit Verweis auf die schwierige Finanzlage des Bundes abgelehnt worden, sagt Urs Müller.

Die Zürcher Finanzdirektion prüfte das Gesuch gründlich, in dem festgehalten wurde, dass die Organisatoren fest mit der Unterstützung des Bundes rechneten. Seit sich dessen Zusage hinzog, intervenierte der Regierungsrat laut Auskunft der Finanzdirektion mehrfach in Bern, aber ohne Erfolg.

Zuletzt versuchte ein bürgerliches Trio im Ständerat, Mittel für die Phänomena loszueisen. Peter Hegglin (Mitte, ZG), Esther Friedli (SVP, SG) und Jakob Stark (SVP, TG) forderten unter dem Posten «Institutionen der Forschungsförderung» 2,8 Millionen Franken. Der Antrag wurde in der Budgetdebatte mit 37 zu 6 Stimmen abgeschmettert.

Mit der Ausstellung scheint sich im Bund niemand vertieft befasst zu haben. Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) berief sich in ihrem kurzen Votum auf das Departement Wirtschaft, Bildung und Forschung von Guy Parmelin (SVP): Das WBF unterstütze die Phänomena bereits mit namhaften Beiträgen, mehr liege aufgrund der angespannten Haushaltlage nicht drin.

Das Interesse ist enorm

Urs Müller hat Verständnis, wenn mit Geld sparsam umgegangen wird. Aber hier kann er dem Bund nicht folgen. «Dieser vergleichsweise geringe Betrag würde die x-fach grössere Summe an Investitionen auslösen und mehrfach in Form von Steuern an den Bund zurückfliessen», rechnet er vor.

Die Organisatoren gehen von einer Million Besucherinnen und Besuchern aus, ungefähr so viele, wie man an den beiden früheren Ausstellungen jeweils zählte. Ihr Projekt geniesst an den Hochschulen, bei Stiftungen und privaten Unternehmen viel Goodwill. Das Interesse, an der Phänomena präsent zu sein, ist laut Müller gross.

Die Zürcher Kantonalbank ist Hauptpartnerin der Phänomena. Die Förderung von Forschung und Bildung bilde einen Schwerpunkt ihres Sponsoring-Engagements, schreibt sie auf Anfrage. Qualifizierte Fachkräfte seien ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Die SBB haben die Phänomena für 2026 als Top-Event klassifiziert, eine Grundlage für Spezialangebote.

Die Eidgenossenschaft aber bleibt abseits. Georg Müller packt den Bund gleichsam bei der Ehre. 1989 sei entgegen dem Turnus von 25 Jahren keine Landesausstellung zustande gekommen. 1991 habe man sich mit 700 Jahren Eidgenossenschaft schwergetan. Da sei die Heureka als «nationale Forschungsausstellung» in die Lücke gesprungen, sagt er. Zehn Jahre später habe der Bund mit 1,5 Milliarden Franken die Expo.02 gerettet. Knapp 3 Millionen für die Phänomena seien da nicht zu viel verlangt.

Auf Wasser gehen

In erster Linie finden Vater und Sohn eine Forschungsausstellung wieder einmal dringend nötig, vor allem für die Jugend und die Schulen. Die Schweiz sei das Land der Innovation. Forschung und Lehre müssten sich präsentieren können. Nur fehle es beim Bund an Zivilcourage, um so etwa zu unterstützen, sagen sie.

Doch ist eine Erlebniswelt im Zeitalter der Digitalisierung noch zeitgemäss? Diese Frage hätte sie sich auch gestellt, antwortet Urs Müller: «Wir gehen vom Alltag aus.» Was ist eine Kilowattstunde? Wie viel Biodiversität, Energie, Mobilität steckt in einem Apfel? Er verweist auf eine von der ZHAW durchgeführte repräsentative Umfrage, wonach 84 Prozent der Befragten die neue Phänomena «eher bis sehr wahrscheinlich» besuchen werden.

Allzu viel verrät er nicht. Aber man könne auf Wasser gehen, zu den Exoplaneten reisen oder mitten in einem Wirbel stehen. Die Organisatoren sind überzeugt, dass sie auch junge Menschen wie 1984 zum Staunen bringen: «Es ist ein Appell, wieder die Augen zu öffnen und nicht nur auf das Handy zu schauen», sagt Georg Müller.

Ein Bundesbeitrag wäre jetzt wichtig. Denn die Zeit drängt. Damit die Phänomena im März 2026 starten kann, müssen die Arbeiten im nächsten Frühjahr beginnen. Ende Februar soll der definitive Entscheid fallen. Urs Müller lässt durchblicken, dass man sich auch ohne weitere Mittel aus Bern kaum davon abhalten lassen werde.

Allenfalls muss der Kanton Zürich über die Bücher. Der Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) wies vor dem Kantonsrat beim Entscheid im März 2023 darauf hin, dass der Bund erst einen kleinen Beitrag gesprochen habe. Falls das Geld aus Bern definitiv nicht eintreffe, werde eine Neubeurteilung notwendig, sagte er. Doch so weit ist es noch nicht.

Das Programm weckt auf jeden Fall Interesse. Ein Projekt ist dem Phänomen gewidmet, dass jede menschliche Stimme einzigartig ist und wir Bekannte, selbst am Telefon, sofort erkennen. An der Phänomena 2026 haben Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, das Klangspektrum ihrer eigenen Stimmen abzubilden. Sofern sie denn stattfinden kann.

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