Freitag, Januar 10

Die Suche nach dem Vermögen der kollabierten Signa Holding von René Benko geht weiter. Nun rücken der Vorstand und der Aufsichtsrat in den Fokus. Der Vorwurf: sie hätten ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigt.

Es sind harte Vorwürfe an ehemalige Vorstände und Aufsichtsräte der Signa. Norbert Abel, der Insolvenzverwalter der insolventen Immobiliensparte Signa Prime Selection, wirft ihnen eine Vernachlässigung ihrer Sorgfaltspflichten vor. Dadurch sei der Gesellschaft ein «massgeblicher» Schaden entstanden, wodurch nun weniger Geld für die Gläubiger zur Verfügung steht, das im Rahmen des Konkursverfahrens an diese verteilt werden kann.

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Den Schaden beziffert Abel auf mehr als 1 Milliarde Euro. Vier ehemalige Vorstände und zwölf Mitglieder des Aufsichtsrates haben an Weihnachten sogenannte Haftungsschreiben erhalten. Darin werden sie dazu aufgefordert, ihre Haftung für den Schaden anzuerkennen. In der Vergangenheit hatten diese eine Verantwortung für das Scheitern der Immobiliengesellschaft stets von sich gewiesen.

Dazu zählen prominente Namen wie der ehemalige österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, der Aufsichtsratspräsident der Immobiliengesellschaft war, sowie Investoren der Signa Prime wie Robert Peugeot von der französischen Autodynastie Peugeot. Auch Karl Gernandt, der als Vertreter von Signa-Prime-Investor Klaus-Michael Kühne in dem Gremium sass, erhielt ein entsprechendes Schreiben. Bei den Vorständen der Immobiliengesellschaft sind unter anderem Timo Herzberg und Manuel Pirolt Empfänger davon.

Finanzplanung als «Bierdeckel-Kalkulationen»

Die Signa Prime gehörte zu den wichtigsten Gesellschaften innerhalb des Konzerns von René Benko. In dieser hatte der österreichische Immobilienspekulant seine Luxusimmobilien gebündelt, wie etwa das Hotel Park Hyatt in Wien, den Elbtower in Hamburg oder die Immobilien der Selfridges-Kaufhäuser in Grossbritannien. Über etliche Zwischengesellschaften in Luxemburg gehören auch die Schweizer Globus-Immobilien zu dem Konzern.

Die Signa Prime musste Ende November 2023 Insolvenz anmelden, kurz nachdem die Dachgesellschaft, die Signa Holding, zahlungsunfähig wurde. Alleine im Fall der Signa Prime wurden bislang Schulden im Umfang von 12,2 Milliarden Euro angemeldet. Im November musste die Gesellschaft in ein Konkursverfahren wechseln. Die Republik Österreich hatte vor Gericht erstritten, dass ihr die Abwicklung in Eigenverwaltung entzogen wird.

Insolvenzverwalter Abel geht nun davon aus, dass die Immobiliengesellschaft bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt, nämlich Ende März 2022 insolvent gewesen sei. Der Aufsichtsrat und der Vorstand der Signa Prime hätten dies erkennen müssen, heisst es in dem Schreiben, das der NZZ vorliegt. Der Aufsichtsrat sei seiner Pflicht jedoch nicht nachgekommen und habe den Vorstand der Signa Prime zu wenig überwacht, dieser hätte «allerspätestens ab Oktober 2022 aktiv auf die Stellung eines Insolvenzantrags hinwirken müssen».

Laut dem Insolvenzverwalter sei der Schaden durch rechtswidrige Zahlungen, durch Kredite an andere Signa-Gesellschaften und Rückzahlungen, die nicht eingefordert wurden, entstanden. Die Signa Prime verfügte über «kein taugliches Controlling und keine taugliche Finanzplanung», heisst es in dem Schreiben. Zur Liquiditätsplanung seien lediglich rudimentäre Excel-Tabellen aktenkundig. Abel nennt diese «Bierdeckel-Kalkulationen».

Der Kauf von Selfridges hätte nicht genehmigt werden dürfen

Die Intransparenz gehörte bei Signa zum System. René Benko hatte eine Gruppe aufgebaut, die aus mehr als tausend Firmen bestand und deren Organigramm 46 A3-Seiten umfasst. Eine konsolidierte Bilanz, wie dies bei grossen Unternehmen üblich ist, hat sie bis zum Schluss nie veröffentlicht. Seit dem Zusammenbruch der Signa geht es darum, die Geldflüsse der verschiedenen Firmen untereinander nachvollziehen zu können.

Bei der Signa Prime gab es laut Abel Überträge in dreistelliger Millionenhöhe von anderen Signa-Gesellschaften. Die Mitglieder des Aufsichtsrates hätten erkennen müssen, dass die Immobiliengesellschaft «damit eine grobe Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften betreibt», schreibt er.

Gewisse Geschäfte wie etwa der Kauf der Selfridges-Kaufhäuser in Grossbritannien Ende 2021 durch die Signa Prime hätte der Aufsichtsrat zudem gar nicht genehmigen dürfen, folgert der Insolvenzverwalter. Diese hatte die Signa gemeinsam mit der Central Group aus Thailand erworben. Die Immobiliengesellschaft führte dazu eine Kapitalerhöhung in der Höhe von 750 Millionen Euro durch. Der Aufsichtsrat hätte bereits zu dem Zeitpunkt wissen müssen, dass das neue Kapital «unverzüglich und zu einem erheblichen Teil wieder an die Signa Holding zurückgeführt werden sollte.»

Bis zum 20. Januar haben die ehemaligen Manager der Signa Prime nun Zeit, ihre Haftung anzuerkennen. Es scheint wenig wahrscheinlich, dass sie dieses tun werden. Falls nicht, sind Klagen denkbar. Über seinen Anwalt liess der frühere Bundeskanzler eine Stellungnahme veröffentlichen, wonach das Haftungsschreiben unzureichend sei, um ein schuldhaftes Verhalten der Aufsichtsräte zu begründen.

Betroffene Führungskräfte kritisieren im Gespräch mit der NZZ den Insolvenzverwalter. Die von ihm erhobenen Vorwürfe gegen sie seien zu pauschal. Auch würden keine konkreten Taten genannt. Wahrscheinlich werde man sich jedoch aussergerichtlich einigen.

Geht es um die Verantwortung für das Ende der Signa Prime ist René Benko bislang aussen vor. Seit 2013 schied er offiziell aus der Unternehmensführung der Signa-Gruppe aus. Faktisch wirkte er jedoch in allen wichtigen Signa-Gesellschaften als Geschäftsführer. Momentan konzentrieren sich die Anstrengungen der Gläubiger und Insolvenzverwalter auf die diversen Stiftungen von Benko. Ob ein Zugriff darauf möglich ist, wird derzeit vor Gericht geklärt.

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