Mittwoch, November 6

Die Zürcher Bildungsdirektion will bei wichtigen Personalentscheiden künftig direkt mitbestimmen. Die Schulkommissionen sollen entmachtet werden.

Wer macht was in den Führungsgremien der Gymnasien und Berufsfachschulen? Und wie lange?

Das sind die wesentlichen Fragen, die die Zürcher Bildungsdirektion mit einer neuen Vorlage beantworten will. Das erklärte Ziel des Projekts, das die Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte) am Dienstag den Medien präsentierte: Die operative und die strategische Leitung der Mittel- und Berufsfachschulen sollen erstens klar voneinander getrennt werden. Zweitens soll die Amtszeitbeschränkung der operativen Leitung, also für Rektorinnen und Prorektoren, entfallen. Statt für maximal 12 Jahre soll das Führungspersonal dieser Schulen künftig unbefristet angestellt werden. Teilzeitarbeit und Jobsharing sollen ebenfalls möglich werden.

Wer ist zuständig fürs Leitbild?

So weit, so eindeutig die neuen Bestimmungen. Doch bei der ersten der beiden Kernfragen – wer macht was? – mag man sich wundern: Sollte das nicht heute bereits klar sein?

Dem ist offenbar nicht so, zum Beispiel an den Gymnasien. Dort mischen mehrere Gremien mit, die zum Teil über ähnlichen Fragen brüten und sich so immer wieder gegenseitig im Weg stehen: Lehrerkonvent, Rektorat, Schulkommission, das Mittelschul- und Berufsbildungsamt, die Bildungsdirektion – ein idealer Nährboden für Dissens, Kompetenzgerangel, Intrigen und im schlechtesten Fall gar offene Machtkämpfe, die auf dem Buckel der Schülerinnen und Schüler ausgetragen werden. Entscheidungswege werden verkompliziert und häufig auf ärgerliche Weise in die Länge gezogen.

Andreas Niklaus, Rektor der Kantonsschule Zürich Nord und Präsident der Schulleiterkonferenz der Zürcher Mittelschulen, bestätigt auf Anfrage, dass in vielen Fällen nicht klar sei, wer eigentlich wofür zuständig sei.

Dieses Durcheinander zeigt sich zum Beispiel beim Leitbild der Zürcher Gymnasien. Nehmen wir an, dass eine Mittelschule in Zürich oder Winterthur ebenso durchmischt sein will wie ihr Quartier und die angrenzenden Viertel der Stadt. Das wäre ein strategischer Entscheid, der künftig ausdrücklich der Schulkommission obliegen soll.

Doch für die Umsetzung im Schulalltag – auf der operativen Ebene, also mit Förderangeboten in den unteren Klassen beispielsweise – ist das Rektorat zuständig. Und nicht nur das: Die Rektorate der Gymnasien werden (strategische) Leitbildfragen weiterhin mitbestimmen können. Schliesslich soll die Schulleitung auch künftig «mit beratender Stimme» an den Sitzungen der Schulkommission teilnehmen, genauso wie ein Vertreter oder eine Vertreterin der Lehrerschaft, wie der am Dienstag präsentierten Gesetzesrevision zu entnehmen ist.

Ob das zur erwünschten Klärung der Aufgaben zwischen (strategischer) Schulkommission und (operativer) Schulleitung beitragen wird, liess sich am Dienstag nicht herausfinden. Niklaus betonte, dass sich erst zeigen müsse, ob sich die angedachte Rollenverteilung in der Praxis bewähre. Strategische und operative Themen seien häufig nicht klar voneinander zu trennen.

Lehren aus einem Trauerspiel

Klar hingegen dürfte sein: Rektorinnen und Rektoren, Prorektorinnen und Prorektoren sollen künftig auf Antrag einer Findungskommission berufen werden, in der die Bildungsdirektion durch einen Vertreter des Mittelschul- und Berufsbildungsamts (MBA) zwingend vertreten sein muss. Bildungsdirektorin Steiner liess am Dienstag durchblicken, dass man so problematische Besetzungen wie jene der Rektorin der Technischen Berufsschule Zürich vermeiden wolle. Querelen an dieser Schule hatten im vergangenen Jahr zunächst zur Freistellung und später zur Wiedereinsetzung der Schulleiterin geführt, bis das Arbeitsverhältnis im Dezember «in gegenseitigem Einvernehmen» aufgelöst wurde.

Daher: Findungskommission unter Mitwirkung des MBA. Bisher konnten die Schulkommissionen ihre Kandidaten für das Rektorenamt nach eigenem Gutdünken vorschlagen. Die neue Bestimmung würde bedeuten, dass die Schulkommissionen – Milizgremien, die alle paar Monate zusammenkommen – entmachtet werden.

In der Vernehmlassung zur vorliegenden Gesetzesrevision stand gar die Abschaffung dieser Kommissionen zur Debatte. So weit soll es nun nicht kommen. Aber die Aufsicht über die Mittel- und Berufsfachschulen soll fortan der Bildungsdirektion obliegen und nicht mehr den Schulkommissionen. Diese dürften zu Rumpfgremien zusammengeschrumpft werden, aufgerieben zwischen den Rektoraten einerseits und dem MBA andererseits.

Mehr Zeit für Führungsaufgaben

Nicht zuletzt verspricht sich die Bildungsdirektion davon mehr Handlungsspielraum für die Rektorate, zum Beispiel in Krisenfällen oder bei der Betreuung schwieriger Schüler und/oder Eltern. Hier sollen ihnen die Schulkommissionen nicht mehr dreinreden.

Auch sollen Rektorinnen und Prorektoren weniger unterrichten müssen als bisher – und somit mehr Zeit haben für Führungsaufgaben. Für Rektoren könnte das bedeuten: vier statt sechs Lektionen pro Woche, für Prorektorinnen und Prorektoren: weniger als zehn Stunden, wie bis anhin praktiziert. Andreas Niklaus sagt: «Unterrichten ist wichtig. Rektoren sollen weiterhin sehen können, wie das, was sie auf schulischer Ebene beschliessen, im Unterricht ankommt.»

Bleibt die zweite Kernfrage der Vorlage: Wie lange sollen Rektoren und Prorektorinnen im Amt bleiben?

Aus Sicht der Bildungsdirektion soll die Antwort künftig lauten: solange sie wollen – sofern sie ihren Job gut machen. Die Amtszeitbeschränkung von maximal dreimal vier Jahren soll aufgehoben werden. Führungskräfte sollen sich vermehrt auch an anderen Schulen bewerben, der Arbeitsmarkt im Bildungsbereich soll flexibilisiert werden.

Aber könnte die Vorlage nicht auch das genaue Gegenteil bewirken – dass unliebsame Rektoren und Prorektorinnen ihren Posten erst bei der Pensionierung räumen werden?

Steiner und der MBA-Chef Niklaus Schatzmann betonten nach Kräften, dass Rektorinnen und Prorektoren im neuen Regime bei ungenügender Leistung sehr wohl «zum Rücktritt bewogen» werden könnten. Heute sei es viel schwieriger, Führungspersonal an Berufsfachschulen oder Mittelschulen zu entlassen. Amtszeit ist Amtszeit – ein hartes Los für alle anderen an der Schule, falls sich der Rektor als untragbar erweisen sollte.

Künftig indes soll Rektoren und Prorektorinnen nach denselben – immer noch aufwendigen – Verfahren gekündigt werden können wie Lehrerinnen und Lehrern an den Gymnasien und Berufsfachschulen des Kantons. Die Gesetzesrevision geht nun in den Kantonsrat.

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