Dienstag, Oktober 1

Die Bevölkerung ist skeptisch. Zu Unrecht, sagt der Onlinehändler.

Digitec Galaxus ist der grösste Onlinehändler der Schweiz. Und das Unternehmen wächst kontinuierlich weiter. Allein im Jahr 2023 stieg der Umsatz um über 13 Prozent. Er liegt damit nun bei deutlich über zwei Milliarden Franken pro Jahr. Damit es so weitergehen kann, braucht es Platz. Viel Platz.

Im Kanton Zürich soll ein grosses sogenanntes «Operationscenter» entstehen: ein zentralisiertes Lager, von dem aus Waren an die Verteilzentren in anderen Teilen des Landes geliefert werden.

Die Anlage ist gigantisch: Das Logistikzentrum soll eine Fläche von 60 000 Quadratmetern umfassen. Das entspricht der Grösse von achteinhalb Fussballfeldern. 550 Personen sollen dereinst im Zweischichtbetrieb in dem Zentrum arbeiten. Das Unternehmen rechnet mit 1500 Lastwagenfahrten vom Zentrum weg und zum Zentrum hin – pro Tag. Hinzu kommen unzählige Transporte auf der Schiene.

Als Standort für dieses Operationscenter hat Digitec Galaxus vor drei Jahren ein kleines, sehr ländliches Flecklein am äussersten Rand des Kantons Zürich auserkoren: die Gemeinde Rafz im Zürcher Unterland.

Hier leben ungefähr 4500 Menschen. Lebensmittel kauft man im Volg, Pflanzen im Gartencenter. Daneben gibt es ein Gasthaus – den «Sternen» –, mehrere Autogaragen, Coiffeursalons, ein Pneuhaus. Lauter KMU also. Digitec Galaxus wäre der grösste Steuerzahler weit und breit, und zwar mit Abstand.

Nun werden die Pläne von Digitec Galaxus immer konkreter, wie sich bei einer Informationsveranstaltung während der Sommerferien zeigte. Es drängt sich die Frage auf: Wie soll sich ein derart grosses Projekt in eine so beschauliche Gemeinde einfügen?

«Dass das nicht allen gefällt, ist klar»

Die Pläne beschäftigen auch die Bevölkerung stark. Laut den Tamedia-Zeitungen erschienen Anfang Juli über 300 Rafzer und Rafzerinnen zu einer Informationsveranstaltung.

Nicht nur die Dimensionen des Projekts sorgen für eine gewisse Skepsis. Sorge bereitet laut dem Bericht vor allem die zusätzliche Verkehrsbelastung.

Denn schon heute hat die Gemeinde mit dem hohen Verkehrsaufkommen zu kämpfen. Rafz liegt an der Nord-Süd-Achse zwischen Zürich, Bülach und Schaffhausen. Schätzungsweise 20 000 Fahrzeuge sind täglich auf dieser Route unterwegs. Im Unterschied zu nahe gelegenen Gemeinden gibt es in Rafz allerdings eine Umfahrungsstrasse. Anders als etwa in Eglisau donnert der Verkehr hier also nicht durch das Dorf.

Dass sich ein erfolgreicher Onlinehändler wie Digitec Galaxus hier ansiedeln will, wo eine gute Verkehrsanbindung gewährleistet ist, hält der Gemeindepräsident von Rafz, Kurt Altenburger (SP), für sinnvoll.

Trotzdem seien auch die Ängste berechtigt, die angesichts eines solchen Megaprojekts entstünden. «Dass ein Logistikzentrum Verkehr mit sich bringt, das ist klar. Dass das nicht allen gefällt, ist ebenfalls klar.» Kritische Stimmen gebe es immer. Seine Aufgabe sieht Altenburger vor allem darin, die Kritik ernst zu nehmen. Er will die Einwände aus der Bevölkerung einbringen, um das Projekt zu verbessern.

Praktisch kein zusätzlicher Verkehr durch das Dorf

Altenburger verweist auf den Umstand, dass der Kanton bei der Entwicklung des Areals von Anfang an genaue Auflagen gemacht habe. Dies garantiere, dass der Richtplan eingehalten werde – und stelle damit eine gewisse Qualität sicher. Im Richtplan sind etwa die verkehrstechnischen Details ganz genau geregelt.

«Das Projekt führt zwar zu mehr Verkehr. Aber es ist eben regulierter Verkehr», sagt Altenburger. So sei beispielsweise geplant, dass der Schichtwechsel im Logistikzentrum um 15 Uhr vonstattengehe – also ausserhalb der Stosszeiten. Damit habe die An- und Abreise des Personals schon einmal keinen Einfluss auf die Verkehrsbelastung zu empfindlichen Tageszeiten.

Der effektive Transportverkehr würde über die Umfahrungsstrasse sowie über die Bahn abgewickelt. Bloss 5 Prozent der Fahrten mit Autos oder Lastwagen würden deshalb ins Dorfzentrum führen. Dies gelte es der Bevölkerung zu vermitteln, so Altenburger.

Der Rest des Verkehrs beschränke sich auf die Angestellten, die zu ihrem Arbeitsort bei Digitec Galaxus pendeln würden. Für das Personal sei zwar eine Unterführung vorgesehen, die das Areal direkt mit dem Bahnhof Rafz verbinde. Trotzdem sei zu erwarten, dass vorerst bloss ein geringer Anteil der Beschäftigten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen würde.

Mit der Zeit soll dieser Wert dann aber steigen. Digitec will einen Bonus gewähren, um die Anreise mit dem öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen. Das werde sich positiv auswirken, glaubt Altenburger. Mit der Förderung von Fahrgemeinschaften soll die Verkehrszunahme zusätzlich gebremst werden.

Betrieb frühestens ab Mitte 2028

Für Galaxus ist das projektierte Operationscenter in Rafz bloss ein Teil einer umfassenderen Strategie. Das Unternehmen plant parallel ähnliche Zentren in Utzenstorf im Kanton Bern sowie in Neuenburg am Rhein an der deutsch-französischen Grenze, wie ein Sprecher auf Nachfrage mitteilt.

Interessant ist an dieser Planung, dass Rafz der einzige Ort im Kanton Zürich ist, der für Digitec Galaxus infrage kommt. Eine vergleichbar grosse Parzelle, die komplett bebaut werden kann, gibt es sonst nirgends im Kanton.

Der Sprecher von Digitec Galaxus betont, dass es sich beim Rafzer Projekt nicht um ein Verteilzentrum handelt. Waren würden von hier aus nicht zu den Kunden nach Hause geliefert, sondern bloss an die Verteilzentren. Und dies passiere mehrheitlich mit der Bahn. Der zusätzliche Verkehr, den das Zentrum bringe würde, werde von den Mitarbeitenden verursacht. Er betrage höchstens 6,6 Prozent des ohnehin bestehenden Verkehrs in der Gegend.

Weitere Einzelheiten werden derzeit erarbeitet. Im Sommer 2025 will der Gemeinderat von Rafz einen Gestaltungsplan mit detailliertem Mobilitätskonzept vorstellen. Darüber wird die Bevölkerung der Gemeinde im Frühjahr 2026 abstimmen können.

Frühestens Anfang 2027 würden sodann die Bagger auffahren. In Betrieb genommen werden kann die Anlage frühestens Mitte 2028.

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