Dienstag, November 26

Der Dermatologiespezialist publiziert eine gute Nachricht nach der anderen, die Aktien befinden sich im Höhenflug. Ausserdem: Tecans Kommunikation irritiert und Belimo hat die Kursdelle längst wettgemacht.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Tecan schreckte die Börse gestern mit schwachen Halbjahreszahlen und einer Prognosesenkung für 2024 auf. Die Aktien verloren über 17% und notieren heute Mittwoch erneut schwächer.

Mein Kollege Giorgio Müller hat sich in diesem Beitrag schon eingehend mit der Bedeutung der gegenwärtigen Nachfrageschwäche für die langfristigen Aussichten des Laborausrüsters und dessen Aktien befasst. Mich interessiert angesichts des massiven Kurseinbruchs heute etwas anderes: Wieso konnte das Unternehmen die Markterwartungen nicht etwas besser steuern?

Mir ist bewusst, dass es eine Weile geht, bis die finalen Zahlen konsolidiert sind, volle Transparenz hatte Tecan also wohl lange Zeit selbst nicht. Aber es ist fast Mitte August, das erste Halbjahr bereits seit über sechs Wochen zu Ende, da hätte beim Management schon der Verdacht aufkommen können, dass das zu publizierende Ergebnis und die daraus folgende Kürzung der Prognose den Markt überraschen und für mächtig Unmut sorgen wird. Zumal das zweite Quartal gar besser ausgefallen sei, als das erste. Im Frühjahr muss die Situation also noch düsterer ausgesehen haben.

Und bereits im Juli hat Tecan reagiert und Sparmassnahmen ergriffen, hundert Vollzeitstellen wurden gestrichen, zwei Standorte in Kalifornien zusammengelegt. Das wäre doch auch eine Möglichkeit gewesen, die schlechte Nachricht zu überbringen. Oder die Schweizer hätten im Windschatten von Sartorius die Erwartungen etwas nach unten temperieren können. Der deutsche Wettbewerber veröffentlichte im Juli eine Gewinnwarnung und senkte ebenfalls die Prognose für das Gesamtjahr.

Dies mal ganz abgesehen von der Ad-hoc-Publizität, die gemäss dem Leitfaden der Börsenaufsicht SIX Exchange Regulation besagt, dass der Emittent verpflichtet ist, den Markt über kursrelevante Tatsachen zu informieren, «sobald er von der Tatsache in ihren wesentlichen Punkten Kenntnis hat».

Stattdessen haben Analystinnen und Analysten ihre Gewinnschätzungen für Tecan für das laufende Jahr seit Ende März insgesamt stabil gehalten. UBS hat zwar Anfang Juni unter anderem auf die schwache Nachfrage aus China hingewiesen und die Erwartungen leicht gesenkt, aber Analyst Sebastian Vogel hielt damals ebenfalls an seiner Kaufempfehlung für die Aktien fest. Entsprechend hat Tecan am Dienstagmorgen alle auf dem falschen Fuss erwischt – alle bis auf glückliche Leerverkäufer. Vertrauensbildend ist dieses Verhalten des Managements nicht gerade. Das Unternehmen hat auf die Anfrage von The Market keine Stellung genommen.

Wie es auch gehen kann, zeigte ebenfalls gestern Komax. Der Hersteller von Kabelverarbeitungsmaschinen publiziert auch nur zweimal im Jahr ein Update zum Geschäftsverlauf. Er hatte aber bereits im Juni gewarnt, dass sich der Lagerabbau und damit Neuinvestitionen der Kundschaft weiter auf sich warten lassen. Der Aktienkurs – seit Jahresbeginn schon erheblich unter Druck – schlitterte weiter ab und erreichte Anfang August bei knapp 125 Fr. das bisherige Tiefst.

Gestern dagegen, bei der offiziellen Verkündung des Halbjahresresultats, gab es keine bösen Überraschungen mehr, die Aktien haben sich auf einem Niveau um 130 Fr. eingependelt und warten auf gute Nachrichten.

Apropos gute Nachrichten. Mit einer Serie erfreulicher News wartete in den vergangenen Wochen Galderma auf, alle paar Tage hat der Dermatologiespezialist eine Mitteilung publiziert, die den Anlegerinnen ein gutes Gefühl gibt. Den Auftakt machten positive Resultate aus den klinischen Phase-III-Studien Arcadia 1 und 2 zur Untersuchung von Nemolizumab bei atopischer Dermatitis, die zusammen mit den guten Halbjahreszahlen am 25. Juli publiziert worden sind. Wenige Tage darauf kam die europäische Zulassung für Relfydess (Relabotulinumtoxin), das zur Behandlung von Falten eingesetzt wird.

Am 5. August schliesslich wurde bekannt, dass L’Oréal eine 10%-Beteiligung am Unternehmen übernimmt, wodurch sich das Gewicht der Ankeraktionäre rund um die Investmentgesellschaft EQT von über 77 auf etwas mehr als 67% verringert. Das Interesse sei rein finanzieller Natur, man wolle nicht strategisch Einfluss nehmen, liess der französische Kosmetikkonzern verlauten. Die beiden Unternehmen unterzeichneten jedoch gleichzeitig eine Absichtserklärung, um bei der Forschung und Entwicklung in der Dermatologie zusammenzuarbeiten. Ziel ist die Entwicklung fortschrittlicher Technologien und die Verbesserung von Anti-Aging-Lösungen.

Diese Woche schliesslich hat Galderma die von Analysten bereits erwartete Zulassung der US-Gesundheitsbehörde FDA für Nemolizumab zur Behandlung der chronischen Hauterkrankung Prurigo nodularis erhalten. Beobachter hoffen auf eine baldige Markteinführung, weitere Zulassungsanträge werden derzeit von Zulassungsbehörden geprüft, unter anderem von der Europäischen Arzneimittelagentur. Gleichentags gab MSCI bekannt, dass die Aktien in ihren «MSCI Global Standard»-Index aufgenommen werden.

Die Börse ist angetan, selbst der Ausverkauf Anfang August konnte dem Kurs kaum etwas anhaben, die Titel notieren auf dem Höchst der kurzen Historie.

Mir war bewusst, dass das Unternehmen im März bei einem Kurs von 53 Fr. zu einem durchaus fairen Preis an die Börse gekommen ist. Niemand hatte ein Interesse daran, dass dieser Börsengang scheitert. Ich hatte aber erwartet, dass sich die Euphorie nach dem ersten Kursanstieg, an dem Kleinaktionäre aber auch Fondsmanager angesichts der grossen Nachfrage nur beschränkt partizipieren konnten, etwas legen wird. Zumal die Titel wegen des drohenden Verkaufs von Seiten EQT und Co. noch belastet wurden, im Wissen, dass die Eigentümer nochmals Kasse machen wollen, sobald die Sperrfrist von 180 Tagen abläuft.

Mit dem Verkauf des ersten Pakets an L’Oréal hat sich diese Befürchtung für den Moment etwas aufgelöst. Und die Eigentümer haben sich zu ihrem Investment bekannt: Der Chef des Schweizer Private-Equity-Teams von EQT, Michael Bauer, betonte, dass die Gesellschaft das Wachstum von Galderma weiterhin unterstütze.

Laut Fondsmanagern hat der Markt wohl aber auch das Potenzial der guten Nachrichten schlicht unterschätzt. In der Zwischenzeit ist das dem Publikum aber nicht weiter verborgen geblieben. Die Analystengemeinde ist derzeit extrem optimistisch, acht von zehn empfehlen die Aktien zum Kauf. Für mich signalisiert das: Es ist schon sehr viel Positives eingepreist. Nachdem die Anleger am Anfang skeptisch waren, was die Produkte anbelangt, herrscht derzeit viel Fantasie in Bezug auf die Pipeline. Das kann gut kommen – eine Garantie gibt es indes nicht.

Wir werden uns die Aktien in einer Analyse demnächst genauer anschauen.

«Halten Sie Tennisbälle und verkaufen Sie Eier», schrieb unser Gastautor Thierry Borgeat von der Zürcher Investmentgesellschaft Arvy vor kurzem in einem Kommentar.

Die Idee dahinter: Die besten Werte erholen sich in der Regel am schnellsten. Rücksetzer lassen sich an der Börse kaum vermeiden, und erst dann zeigt sich, ob es sich um gute – in Borgeats Worten gesunde – Aktien handelt. Diese sollten durch Käufe getrieben innerhalb weniger Wochen zu einem neuen Höchststand finden – sie springen zurück wie ein Tennisball.

Die Konsolidierung von vergangener Woche liefert Anschauungsmaterial. Zwar ist der Zeithorizont noch etwas kurz, seit dem Einbruch sind nicht einmal zehn Handelstage vergangen, das Team von Arvy verwendet in der Regel wöchentliche Daten. Aber es zeigen sich erste Muster. Als Reaktion auf die weltweiten Börsenturbulenzen wurden praktisch alle Aktien am Schweizer Markt ebenfalls nach unten gezogen – einige wenige haben sich aber bereits erholt oder sind auf bestem Weg dazu.

Eine klare Gewinnerin: Belimo. Die Aktien des Klimaspezialisten haben das Minus von gut 5% am 2. und 5. August längst wettgemacht. Am Mittwoch notiert der Kurs bei 540 Fr. und damit gar auf einem neuen Mehrjahreshoch, seit Jahresbeginn resultiert ein Gewinn von fast 20%.

Diese charttechnische Erkenntnis wird durch die fundamentale Entwicklung gestützt. Belimo hat mit dem Halbjahresergebnis Ende Juli die Analystinnen und Investoren begeistert, und das Wachstum dürfte sich auch dank einer niedrigeren Vergleichsbasis beschleunigen. Die Gewinnschätzungen für das laufende Geschäftsjahr wurden deutlich erhöht. Neben strukturellen Trends wie dem Fokus auf Energieeffizienz und Gebäudemodernisierung profitiert das Unternehmen von neuen Märkten, etwa dem Bau von Rechenzentren. Dank des operativen Hebels zahlen sich die Investitionen deutlich aus, damit sollte die Rentabilität in Zukunft weiter zulegen.

Weitere Tennisball-Kandidaten sind die Aktien von ABB und Accelleron.

Auch von diesen beiden Unternehmen ist The Market fundamental überzeugt. Wobei sich in der unterschiedlichen Performance seit Mitte Juli und in den vergangenen Tagen die konjunkturellen Erwartungen spiegeln: Accelleron ist unter anderem wegen seines starken und lukrativen Servicegeschäfts defensiver positioniert. Sollte es in den USA doch noch zu einer Rezession kommen, dürfte der Hersteller von Turboladern weniger darunter leiden als der Industriekonzern ABB.

Und zuletzt sind auch die Aktien von Sandoz auf gutem Weg, zum Kurstrend von vor dem Einbruch zurückzufinden.

Die Titel sind auf meiner Beobachtungsliste, wie ich vergangene Woche an dieser Stelle bereits schrieb.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Gabriella Hunter

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