Samstag, April 19

Rothschild-Fondsmanager David Windisch setzt auf Schweizer Gesellschaften mit strukturellen Wettbewerbsvorteilen. Im Interview sagt er, welche Unternehmen gegen die Strafzölle von US-Präsident Donald Trump weitgehend immun sind und warum er bestimmte Sektoren konsequent meidet.

David Windisch, Fondsmanager bei der Rothschild & Co Bank, konzentriert sich mit seinem Fonds auf Schweizer Unternehmen, die sich durch grosse Preissetzungsmacht auszeichnen. Besonders interessieren ihn Gesellschaften mit einem hohen Serviceanteil am Umsatz, wie etwa Accelleron. Zudem bevorzugt er Unternehmen, die in konsolidierten oder oligopolistischen Märkten tätig sind.

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Im Interview mit The Market sagt er, welche Schweizer Unternehmen die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle besonders gut verkraften dürften. Zudem erklärt er, welche Rolle die Qualität des Managements bei seinen Anlageentscheiden spielt und warum er gewisse Branchen meidet.

Herr Windisch, US-Präsident Donald Trump straft China mit Zöllen ab, andere Länder erhalten vorerst Aufschub. Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage?

Die Geschwindigkeit und das Ausmass der gegenwärtigen Entwicklungen sind beeindruckend – und beunruhigend. Die Marktbewegungen spiegeln dabei oft weniger die Fundamentaldaten als vielmehr die Unsicherheit. Mit etwas Abstand betrachtet ist diese Phase jedoch nicht beispiellos: Alle fünf bis sechs Jahre kommt es zu Korrekturen, sei es durch die Dotcom-Blase, die globale Finanzkrise, die Eurozonekrise oder Covid. Solche Rückschläge gehören zur Markthistorie.

In einigen Marktsegmenten waren die Bewertungen zuletzt durchaus ambitioniert.

Ja, insofern hat diese Korrektur auch eine bereinigende Funktion. Was die Zölle betrifft, ist die Lage allerdings schwer zu bewerten, der konkrete Einfluss auf einzelne Unternehmen oder ganze Sektoren ist noch nicht abzusehen. Das braucht Zeit. Entscheidend für uns ist, dass wir an die Substanz unserer Unternehmen glauben – dass sie auch in zehn Jahren noch bestehen und florieren, unabhängig davon, welche Verwerfungen es zwischenzeitlich gibt. Das ist so etwas wie unser Leitprinzip.

Gab es zuletzt Veränderungen im Portfolio?

Im ersten Quartal haben wir lediglich ein Rebalancing durchgeführt. Wir bleiben bereit, bei attraktiven Gelegenheiten zuzugreifen.

Wie fliesst der politische Faktor in Ihre Portfolioanalyse ein?

Dieser Aspekt gewinnt zunehmend an Bedeutung. Unternehmen, die von Zöllen wenig betroffen sind, haben klare Vorteile. Beim Klimatechnikspezialisten Belimo werden beispielsweise sämtliche in den USA eingesetzten Produkte lokal in Danbury, Connecticut, gefertigt. Die Lieferkette ist auch grösstenteils lokal. Lokale Lieferketten plus lokale Fertigung bedeutet: keine Zölle. Das könnte ein Vorteil werden, weil einige Wettbewerber von Belimo in Mexiko fertigen und somit Zölle zahlen müssen. Ein weiteres Beispiel ist der Sanitärtechnikkonzern Geberit, den wir zurzeit nicht im Portfolio haben: Der Fokus liegt mit einem Umsatzanteil von mehr als 80% klar auf Europa, weniger als 5% entfallen auf den amerikanischen Kontinent. Exporte in die USA spielen praktisch keine Rolle.

Wo sehen Sie sonst noch Resilienz gegenüber der US-Zollpolitik?

Beim Turboladerhersteller Accelleron sind lediglich etwa 5 bis 10% der Einnahmen von US-Zöllen direkt betroffen, obwohl der US-Anteil am Umsatz 15% ausmacht. Denn rund 70% des US-Geschäfts entfallen auf Serviceleistungen, 30% auf neues Equipment. Offshore-Anwendungen – zwei Drittel des US-Umsatzes – wie auf Containerschiffen sind geografisch flexibel, Zölle kann man hier umgehen. Ein Rückgang im Welthandel würde zwar auch Accelleron treffen, etwa durch weniger Containerverkehr oder einen sinkenden Bedarf an LNG-Carriern. Aber gerade Letzteres halte ich für wenig wahrscheinlich.

Ein hoher Serviceanteil ist ein Vorteil. Gilt das nicht auch für den Aufzugshersteller Schindler?

Bei Schindler stammen ungefähr 45% des Umsatzes und der Grossteil des Gewinns aus dem Servicegeschäft, darauf fallen keine Zölle an. Die Aufzüge selbst werden meist lokal gefertigt und nicht aus der Schweiz exportiert. Auch der Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli zeigt sich vergleichsweise widerstandsfähig: In den USA ist er mit Ghirardelli und Russell Stover lokal verankert. Betroffen sind lediglich Lindt-Produkte, die aus Deutschland exportiert werden – dort konnte das Unternehmen bislang Preiserhöhungen umsetzen. Möglicherweise ist die Marge zukünftig etwas niedriger, aber Schokolade bleibt ein leistbarer Luxus.

Gibt es auch global agierende Unternehmen, deren Geschäftsmodell Zöllen nahezu komplett entzogen ist?

Ja, der Prüfkonzern SGS ist von Zöllen eher indirekt betroffen, über den globalen Handel. Prüfung und Inspektion sind meist lokal organisiert. Man investiert in Kapazitäten wie Labore und versucht, sie möglichst voll auszulasten. Die Nachfrage ist recht stabil: Eine Prüfung auf Schadstoffbelastung von Trinkwasser, Lebensmitteln und Kosmetik wird immer durchgeführt, wie auch die regelmässige Inspektion von Industrieanlagen. Gleichzeitig gewinnt die Regulierung an Bedeutung – insbesondere in Europa, wo der Prüfungs- und Inspektionsbedarf tendenziell steigt.

Sie verfolgen mit dem Fonds einen bewusst konzentrierten, benchmarkunabhängigen Ansatz mit zwanzig Titeln im Portfolio. Wo liegen die Stärken und wo allenfalls Grenzen?

Der Vorteil liegt klar in der Freiheit, sich unabhängig und gezielt zu positionieren. Der Nachteil zeigt sich in unruhigen Marktphasen: Dann kann die Abweichung vom Index kurzfristig deutlich ausfallen. Langfristig sind wir überzeugt, dass ein konsequenter, klar definierter Investmentansatz die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht – gerade weil man nicht jedem Markttrend hinterherläuft.

In Ihrer Anlagephilosophie spielt die Wettbewerbsposition eine zentrale Rolle. Können Sie das näher erläutern?

Wir suchen Unternehmen mit echtem Burggraben – Geschäftsmodelle, die nicht nur überleben, sondern in zehn Jahren weiterhin florieren. Das bedeutet auch: Wir investieren nicht in alles.

Was lassen Sie aussen vor?

Rohstoffindustrien etwa. Dort hängt der Erfolg stark vom Preisniveau ab: Für einen Ölproduzenten läuft es bei hohem Ölpreis gut, bei niedrigem kann es schnell eng werden. Ähnlich ergeht es «quasi-rohstoffartigen» Branchen wie Flugreisen oder Privatversicherungen. Wenn ich dienstags um 8 Uhr von Zürich nach London will, ist mir das Logo auf dem Flugzeug egal – ich nehme den günstigsten Anbieter. Die Leistung ist austauschbar, der Preis entscheidet. Das gilt auch für Privatversicherungen oder das klassische standardisierte Retail Banking. Industrien, in denen der Wettbewerb grösstenteils auf Preisdifferenzierung basiert, meiden wir. Das Management hat hier oft nur einen beschränkten Handlungsspielraum.

Ist das der Grund, weshalb klassische Finanzdienstleister im Fonds nicht vertreten sind?

Klassische Banken passen derzeit nicht zu unserer Strategie. Ihre Produkte – etwa bei Kantonalbanken – sind weitgehend austauschbar, und der Ertrag hängt stark von externen Faktoren wie den Leitzinsen ab, also von etwas, was das Management kaum steuern kann. Spannender finden wir Plattformmodelle wie Swissquote oder spezialisierte Vermögensverwalter wie VZ Holding, beide beobachten wir. Auch Private-Equity-Gesellschaften wie Partners Group finden wir gut. Dort gibt es einen deutlich stärkeren unternehmerischen Hebel.

Was hat Sie dazu bewogen, auf Pharmaauftragsfertiger wie Bachem zu verzichten?

Das Geschäftsmodell von Vertragsherstellern ist extrem kapitalintensiv. Die Produktionsanlagen müssen zunächst gebaut und zertifiziert werden, bevor überhaupt Aufträge angenommen und ausgeführt werden können. Das heisst: Die Investitionsausgaben, Capex, kommen Jahre vor dem Umsatz. Selbst vertragliche Absicherungen bieten nur begrenzten Schutz – Pharmagesellschaften sind oft bereit, Vertragsstrafen zu zahlen und kurzfristig abzuspringen. Vertragshersteller werden eben dazu genutzt, Kapazitätsprobleme in den eigenen Werken zu bewältigen. Das ist uns oft etwas zu unsicher. Lieber schauen wir uns Unternehmen wie Skan an: ein global führender Anbieter von Isolatoren für das aseptische Abfüllen von injizierbaren Arzneimitteln mit hoher technologischer Kompetenz – ein ganz anderes Risikoprofil.

Welche Branchen stehen bei Ihnen im Fokus?

Branchen, in denen gutes Management einen echten Unterschied macht – häufig in konsolidierten oder oligopolistischen Märkten. Idealerweise bieten die Unternehmen «Mission-Critical-Produkte»: unverzichtbar im täglichen Betrieb, aber nur ein kleiner Teil der Gesamtkosten. Das schafft Preissetzungsmacht und Kundenbindung.

Ein konkretes Beispiel?

Ein Aufzug von Schindler muss funktionieren, niemand läuft freiwillig zwanzig Stockwerke. Die Wartungskosten sind im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines Gebäudes gering, aber essenziell. Ähnlich bei Accelleron: Der Turbolader reduziert den Treibstoffverbrauch erheblich, er amortisiert sich praktisch selbst. In beiden Fällen gilt: geringer Kostenanteil, aber hohe Relevanz. Das schafft Preissetzungsmacht auch über die Inflation hinaus.

Die Qualität des Managements ist für Sie sehr bedeutsam. Was suchen Sie im Spezifischen?

Wir suchen Führungsteams, die unternehmerisch denken, als wären sie selbst Eigentümer. Gute Manager investieren gezielt und lassen schlechte Investments bleiben. Wichtig ist uns eine langfristig ausgerichtete Vergütung. Und: Wir bevorzugen Teams, die konservativ planen und positiv überraschen – underpromise, overdeliver. Gerade in der Schweiz ist diese Haltung weit verbreitet und aus unserer Sicht sehr gesund.

Welches Management überzeugt Sie derzeit besonders?

Géraldine Picaud bei SGS. Sie hat dem Unternehmen klare Ziele gegeben und die Organisation gestrafft. Statt paralleler Strukturen gibt es nun eine geografische Gliederung, nur Certification und das darin inkludierte Business Assurance agieren global. Die KPI-Steuerung – Wachstum, Gewinn und Cash – ist präzise, Bonuskomponenten wurden erhöht, kleine Nischenmärkte werden konsequent zurückgefahren, der Fokus liegt auf den wichtigsten Märkten in den einzelnen Ländern. Zudem treibt sie M&A aktiv voran, mit dreizehn Übernahmen im vergangenen Jahr. Ihre Erfahrung bei Essilor – mit rund vierzig Transaktionen pro Jahr – zahlt sich aus. Die Ziele bis 2026 sind klar, und sie hat in der Vergangenheit mehrfach geliefert, etwa bei Holcim.

Der Logistiker Kühne+Nagel ist in Ihrem Portfolio, dabei steht das Management derzeit stark in der Kritik.

Die Kommunikation war zuletzt schwach: erst überambitionierte Ziele im März 2023 am Capital Markets Day, nun ein Rückzieher im März 2025. Wir analysieren den Case neu, insbesondere mit Blick auf die Auswirkungen von Zöllen und die Entwicklung der Frachtraten bei potenziell rückläufigem Volumen.

Welche Rolle spielt strukturelles Wachstum in Ihrer Strategie?

Eine zentrale. Strukturelles Wachstum in Kombination mit Preissetzungsmacht führt zu starkem Umsatzwachstum. Wenn zusätzlich die Profitabilität steigt – etwa durch höhere Margen aufgrund einer Verschiebung vom Neumaschinengeschäft hin zu mehr Servicegeschäft –, verbessert sich die Ergebnisqualität überproportional. Besonders attraktiv ist ein langfristiger, vertraglich gesicherter Serviceumsatz.

Vorhersehbarkeit ist also ein entscheidender Faktor?

Ganz klar. Planbare, wiederkehrende Einnahmen sind von hohem Wert – vor allem bei geringem Kapitalbedarf. Wenn die Infrastruktur bereits steht, wie bei Accelleron, führt das zu einer sehr hohen Kapitalrendite. Zusätzliche Investitionen bleiben überschaubar.

Gilt das auch für den Kolbenkompressorenhersteller Burckhardt Compression?

Ja, dort ist das Prinzip ähnlich: Bestehende Strukturen werden effizient genutzt, um den Ertrag zu steigern. Das erhöht den Free Cashflow, der wiederum für Forschung, Übernahmen oder Ausschüttungen genutzt werden kann. Besonders wichtig ist dabei die Investition in F&E, um technologische Führung und Preissetzungsmacht zu sichern.

VAT ist ein gutes Beispiel für eine klare Fokussierung.

Absolut. VAT ist hoch spezialisiert und fokussiert. Über die Jahre hat sie es geschafft, zum führenden Hersteller von Vakuumventilen zu werden. Heute hat sie einen Marktanteil von über 70%, Tendenz steigend. Ausserdem hat sie es geschafft, von einem reinen Zulieferer zu einem Problemlösungspartner zu werden. Kunden arbeiten mit VAT zusammen, um neue Lösungen zu entwickeln, und nicht einfach, um ein Standardteil zu bestellen. Inficon ist etwas breiter aufgestellt, aber ebenfalls attraktiv.

Wie stehen Sie derzeit zu Comet? Die Aktien befinden sich in Ihrem Portfolio, das Unternehmen liefert aber nicht.

Comet hat sich klar auf Halbleiter fokussiert, mit innovativen Produkten wie der integrierten Synertia-Plattform zur Prozesssteuerung in der Chipfertigung. Die Einführung braucht jedoch Zeit, da neue Gerätegenerationen meist nur bei Neuanschaffungen berücksichtigt werden. Wir sehen Comet weiterhin als technologisch starkes Unternehmen mit Burggraben. Aber: Halbleiter sind zyklisch. Viele Endmärkte – etwa Consumer Electronics oder Industrie – waren zuletzt schwach. Ohne breites Wirtschaftswachstum verschiebt sich der Erneuerungszyklus. Langfristig sind wir überzeugt: Der Bedarf an Chips wird weiter steigen.

Und der Laborgerätehersteller Tecan?

Ein gutes Unternehmen mit führender Technologie im Bereich automatisierter Laborlösungen. Die neue Einstiegsplattform wurde sehr gut aufgenommen. Die Herausforderung liegt auf der Nachfrageseite, etwa durch Kürzungen im Forschungsbereich an US-Unis. Auch in China ist die Lage verhalten. Die Visibilität der Endmärkte ist derzeit begrenzt. Aber: Der Testbedarf steigt langfristig. Das spricht klar für Tecan.

Wie schätzen Sie das Potenzial von Galderma ein?

Sehr hoch. Galderma ist das einzige fokussierte Dermatologieunternehmen in Europa, mit drei klar getrennten Bereichen: Injectable Aesthetics – unter anderem Alternativen zu Botox –, Skincare, etwa Cetaphil, und Therapeutic Dermatology. Die Produkte ergänzen sich gut, das Management liefert. Seit dem IPO wurden unsere Erwartungen übertroffen. Die Pipeline ist spannend.

Was hebt Galderma von der Konkurrenz ab?

Galderma ist für uns eines der wachstumsstärksten Unternehmen im Beauty-Bereich. Dass L’Oréal erneut eingestiegen ist, werten wir als klares Signal für die Qualität der Gesellschaft.

Spielt bei Ihren Investments in Galderma oder Accelleron auch die Buffett-Maxime «Lieber ein grossartiges Unternehmen zu einem fairen Preis als ein faires Unternehmen zu einem grossartigen Preis» eine Rolle?

Absolut. Viele unserer Unternehmen sind nicht günstig, aber Qualität hat ihren Preis. Der Einfluss von strukturellem Wachstum und Zinseszinseffekt wird häufig unterschätzt. Ein starkes Unternehmen, das kontinuierlich wächst, kann selbst bei ambitionierten Einstiegspreisen langfristig eine sehr attraktive Rendite liefern.

David Windisch

Quelle: ZVG

David Windisch ist Fondsmanager bei der Rothschild & Co Bank, wo er seit 2017 tätig ist. Er studierte Psychologie und Betriebswirtschaft in Edinburgh, Finanzmanagement an der Tias Business School in den Niederlanden sowie Internationale Beziehungen an der University of Cambridge. Seit 2013 ist er CFA-Charterholder.

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