Sonntag, September 29

Galderma entwickelt sich immer mehr zu einem Schweizer Börsenliebling. Der Investment Case des Dermatologiekonzerns ist attraktiv, der Aktienkurs scheint indes etwas weit vorausgeeilt. Die Titel sind ein Kandidat für die Watchlist.

Es läuft derzeit gut für Galderma. Der Dermatologiekonzern wartet seit seinem Börsengang im März regelmässig mit guten Nachrichten auf: Positive Produktnews, der Einstieg der französischen L’Oréal als Grossaktionärin und die Aufnahme in wichtige Börsenindizes wie den MSCI-Global-Standard-Indexfamilie sorgen für gute Stimmung.

Bereits der Börsengang am 22. März war ein voller Erfolg, die angebotenen Aktien wurden mehrfach überzeichnet. Der Eröffnungkurs lag mit 61 Fr. rund 15% über dem Zuteilungspreis, und am Ende des ersten Handelstages schlossen die Aktien bei 64. Fr. Auch die Kursperformance danach lässt sich sehen: Seit dem erfolgreichen IPO-Tag haben die Titel 22% zugelegt, der Swiss Performance Index stieg im selben Zeitraum weniger als 4%.

Ursprünglich unter dem Namen Galderma als Joint Venture von Nestlé und L’Oréal gegründet, firmierte das Unternehmen seit 2014 fünf Jahre als Tochtergesellschaft des Nahrungsmittelkonzerns unter dem Namen Nestlé Skin Health. 2019 kaufte ein Konsortium institutioneller Investoren um die schwedische Private-Equity-Gruppe EQT die Sparte für 10,2 Mrd. Fr. Dadurch entstand das weltweit grösste unabhängige Dermatologieunternehmen, das seither wieder den Namen Galderma trägt.

Fokussierung als Pluspunkt

Die Eigenständigkeit, gepaart mit der Fokussierung auf strukturelle Wachstumsmärkte wie die Hautpflege und die therapeutische Behandlung von Hautkrankheiten, macht die Aktien bei Marktbeobachtern derzeit äusserst beliebt. «Es ist ein Unterschied, ob man ein eigenständiges, kotiertes Unternehmen oder Teil eines Konglomerats ist, wo man vielleicht nicht die allerhöchste Priorität geniesst», sagt Christoph Wirtz von der Rothschild & Co Bank.

Der Fondsmanager und Buy-Side-Analyst spielt dabei auf den Galderma-Konkurrenten Allergan an, seinerseits Pionier im Feld der kosmetischen Injektionsmittel und vor allem für die Faltenbehandlung Botox bekannt. Die beiden Unternehmen teilen sich praktisch den Markt in diesem Segment auf. Allergan ist seit 2020 Teil von AbbVie. Der US-Pharmakonzern verlor 2023 das Patent auf seinen Kassenschlager Humira, ein Antirheumatikum. «AbbVie muss stark in die Forschung investieren. Dafür nutzen sie den Cashflow von Allergan.»

Heisst: Statt das Wachstum von Allergan zu forcieren und das Dermatologiegeschäft voranzubringen, wird das Geld aus der Sparte abgezogen und in die breite Forschungspipeline investiert. Dass Allergan zunehmend Marktanteile an Galderma verliert, lässt sich am Wachstum der wichtigsten Produkte beider Unternehmen im Bereich der kosmetischen Injektionsmittel ablesen – der heute grössten Sparte von Galderma.

Während der globale Verkauf der Botox-Alternative Dysport von Galderma in den vergangenen fünf Jahren gemäss der US-Investmentbank Citi jährlich 23% gewachsen ist, betrug der Zuwachs beim Botox-Original von AbbVie (Allergan) lediglich 13%. Bei der Faltenbehandlung mit Hyaluronsäure (Filler) legt das Galderma-Mittel Restylane (+7% jährlich) ebenfalls stärker zu als das AbbVie-Pendant Juvéderm (+3%). Zudem zeigt der Biostimulator Sculptra – Biostimulatoren regen die Kollagenproduktion in den tieferen Hautschichten an und straffen so das Bindegewebe – ein starkes jährliches Wachstum von 23%.

Galderma bedient drei lukrative Segmente

Galderma macht derzeit etwas mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit kosmetischen Injektionsmitteln (Injectable Aesthetics). Das Hautpflegesegment (Dermatological Skincare) macht knapp 30% des Geschäfts aus. Am kleinsten ist der Bereich der therapeutischen Produkte (Therapeutic Dermatology). Für Stefan Schneider, Aktienanalyst bei Vontobel, ist Galderma damit strategisch in drei wachstumsstarken, konsumorientierten Segmenten des Dermatologiemarkts positioniert.

Dass die drei Bereiche nahe beieinander liegen, biete zudem weitere Vorteile. «Galderma kann durch Cross-Selling-Synergien die Profitabilität erhöhen.» Die Mitarbeitenden im Vertrieb bedienen Dermatologen, die mit Produkten aus allen drei Segmenten arbeiten. Galderma kann so mehrere Produkte oder Dienstleistungen an bereits bestehende Kunden verkaufen.

Zwei grosse Hoffnungsträger

Seit Galderma im März an der Börse ist, decken immer mehr Analysten das Unternehmen ab, das Gros der Zunft sieht eine starke Wachstumsgeschichte. Die Analysten der Bank of America rechnen für die Zeit bis 2027 mit einem jährlichen Umsatzanstieg (Compound Annual Growth Rate, CAGR) von 12%. Bis dahin sollen aus 4,1 Mrd. $ (2023) rund 6,5 Mrd. werden. Unterstützt werden soll das Wachstum durch die geografische Expansion, Produkteinführungen und höhere Preise für neue Produkte.

Der Gewinn auf Stufe Ebitda soll dabei noch stärker steigen, und zwar mit einer jährlichen Rate von 18%. Basis dafür wäre eine Margenverbesserung, die – vor allem ab 2027 – sowohl durch Produktneuheiten als auch durch sinkende Kosten für Forschung und Entwicklung erreicht werden soll. Dadurch könnte der Gewinn auf Stufe Ebitda bis 2027 rund 1,8 Mrd. $ erreichen.

Grosse Wachstumshoffnungen liegen dabei vor allem auf zwei Blockbuster-Mitteln. Dabei geht es erstens um QM-1114, einen neuartigen, flüssigen Neuromodulator, der injiziert wird und unter anderem zur Glättung von Falten und Runzeln eingesetzt wird. Zweitens ruhen die Hoffnungen auf Nemolizumab, dem ersten biologischen Arzneimittel von Galderma, das etwa bei der Behandlung der Hautentzündungskrankheit Neurodermitis helfen soll. Beide Produktkandidaten haben bereits in ersten Indikationen Zulassungen erhalten.

Neue Galderma-Produkte sind wirksamer – und profitabler

Das Besondere an QM-1114 ist, dass Dermatologen den Neuromodulator – also den Wirkstoff, der eine Entspannung der Gesichtsmuskeln bewirkt und so zu einer Glättung bestehender Falten führt – in flüssiger Form gebrauchsfertig erhalten. Bisher waren Neuromodulatoren meist als Pulver erhältlich, die von den Dermatologen noch vermischt werden mussten. Zudem stellt sich die Wirkung bereits am ersten Tag ein, bei Konkurrenzprodukten dauert es in der Regel zwei bis drei Tage. Noch wichtiger aber dürfte sein, dass die Wirkung ein halbes Jahr anhält, was wiederum zwei Monate länger ist als bei Konkurrenzprodukten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist gemäss Vontobel-Analyst Schneider die voraussichtlich höhere Profitabilität. QM-1114 wird von Galderma selbst hergestellt – anders als etwa Dysport, das vom französischen Partner Ipsen in bestimmten Ländern produziert und vertrieben wird. «Aufgrund der neuen vertraglichen Vereinbarungen mit Ipsen dürfte QM-1114 eine bessere Rentabilität als Galdermas derzeitiger Neuromodulator Dysport aufweisen.» Die Citi-Analysten rechnen bei QM-1114 mit einer Bruttomarge von 90%, während sie bei Dysport auf 60% geschätzt wird.

Gross ausgerollt werden dürfte das Produkt in der Europäischen Union ab 2025. In den USA verschiebt sich die Einführung wohl auf 2026, da die US-Gesundheitsbehörde FDA in einem ersten Zulassungsantrag 2023 Mängel im Herstellungsprozess moniert hatte.

Erstes biologisches Therapeutikum bald marktreif

Noch wichtiger als QM-1114 dürfte ein Erfolg des ersten Antikörpers von Galderma, Nemolizumab, sein, mit dem das Unternehmen stärker in das Therapeutikgeschäft einsteigen will. Vergangene Woche erhielt Nemolizumab die FDA-Zulassung bei Patienten mit Prurigo nodularis, einer Hauterkrankung, die starken, anhaltenden Juckreiz hervorruft. Analysten trauen dem Wirkstoff einen Spitzenumsatz von bis zu 2,5 Mrd. $ zu.

Gegen Ende des Jahres dürfte Nemolizumab auch die FDA-Zulassung für die Behandlung von atopischer Dermatitis (auch Neurodermitis genannt) erhalten. «Zwar ist der Wettbewerb bei dieser Indikation schärfer, jedoch sind auch die Opportunitäten grösser», sagt Schneider.

Die Chancen sind gross, aber es gibt Risiken

Was bedeutet das nun für Anlegerinnen und Anleger?

Galdermas Chancen sind gross. Sollte das Unternehmen in der therapeutischen Dermatologie Fuss fassen, bietet sich ihnen ein Markt, der auf 53 Mrd. $ geschätzt wird. Allerdings müssen Interessierte mehrere Dinge beachten.

Da wäre erstens der grosse Optimismus, der sich seit dem Börsengang unter Investoren und Analystinnen breit gemacht hat. Die steigende Euphorie spiegelt sich in der Aktienkursentwicklung der vergangenen Wochen. Momentan handeln die Titel zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 50 für das laufende Jahr. Mit Blick auf Ende 2025 reduziert sich das geschätzte KGV auf 30. Das erscheint angesichts des prognostizierten Wachstums vertretbar, es darf auf diesem Bewertungsniveau aber nicht viel schiefgehen.

Und hier liegt das nächste Risiko: Auch wenn bei der Zulassung von QM-1114 und Nemolizumab das Gröbste geschafft sein dürfte, muss sich erst noch zeigen, ob das Unternehmen die Produkte erfolgreich auf den Markt bringen kann. Vor allem bei Nemolizumab – dem ersten biopharmazeutischen Medikament von Galderma – ist die Entwicklung und Markteinführung des Produkts noch mit Investitionen verbunden.

«Nemolizumab ist das grosse Fragezeichen bei Galderma», sagt auch Fondsmanager Wirtz. Für das Medikament sei viel Geld investiert und eine ganze Vertriebsorganisation aufgebaut worden. «Hier muss sich zeigen, inwieweit der Firma die Umsetzung gelingt.» Er betont aber die Chancen. «Sollte das Therapeutikgeschäft um Nemolizumab erfolgreich werden, könnte Galderma langfristig eine Ebitda-Marge um 30% erreichen.» Momentan liegt die Marge auf Gruppenebene bei 23%.

Grundsätzlich glaubt Wirtz, dass das Management um CEO Flemming Ørnskov die Herausforderung meistern wird. Auch Schneider ist diesbezüglich optimistisch. «Sowohl der CEO als auch sein Finanzchef Thomas Dittrich haben einen erfolgreichen Leistungsausweis bei Shire, wo sie dieselben Positionen bekleideten.»

Was sind die Pläne von L’Oréal und EQT?

Anleger sollten ausserdem den 18. September als wichtiges Datum im Kopf behalten. Dann endet die Sperrfrist von 180 Tagen, in denen das Konsortium um den Grossinvestoren EQT keine Aktien veräussern darf. Häufig kommt es um das Ende der Lock-up-Periode herum zu einem temporären Verkaufsdruck bei den Aktien. Schneider sieht in dem L’Oréal-Einstieg ein gutes Zeichen, dass der Effekt bei Galderma aber schwächer ausfallen könnte. Immerhin gibt es nun 10% weniger Aktien, die am 18. September in den freien Handel gelangen könnten.

Wirtz geht davon aus, dass das EQT-Konsortium innerhalb der nächsten drei Jahre im Rahmen mehrerer Bookbuilding-Verfahren die gesamten Anteile verkaufen wird. Zudem glaubt er, dass es L’Oréal nicht bei den 10% belassen wird. «Ich kann mir gut vorstellen, dass L’Oréal ihren Anteil in den nächsten drei Jahren auf 20 bis 30% erhöhen wird.» Der Rothschild-Fondsmanager sieht mit dem L’Oréal-Deal zudem das Vertrauen in Galderma gestärkt, auch was mögliche Fehlschläge betrifft. «Sollte Nemolizumab tatsächlich scheitern, wäre L’Oréal absolut in der Lage, Galderma ganz zu kaufen.»

Aktien für die Watchlist

Die Galderma-Story klingt fast zu gut. Das Unternehmen ist in lukrativen Märkten bestens positioniert. Angesichts der Verbesserung im Produktmix, der sich zunehmend in profitablere Nischen verschiebt, und der gleichzeitig rückläufigen Investitionskosten scheint eine signifikante Margenausweitung über die nächsten Jahre so gut wie ausgemacht.

Zusammen mit dem Erlös von 2,3 Mrd. Fr. aus dem Börsengang rückt damit auch das Thema Verschuldung in den Hintergrund. Gemäss Citi-Schätzungen dürfte sich der Verschuldungsgrad (Nettoschulden/Ebitda) von hohen 4,8 (2023) bis Ende 2024 auf 2,5 verringern. Das ist noch immer leicht erhöht – in der Regel gilt ein Verschuldungsgrad unter 2 als vertretbar –, doch die Tendenz ist weiter sinkend. Hinzu kommt der L’Oréal-Einstieg als Vertrauensbeweis.

Auch aus Sicht von The Market ist Galderma langfristig eine äusserst spannende Anlage. Kurzfristig könnte in der Kursavance der vergangenen Wochen jedoch schon einiges vorweggenommen worden sein. Daher scheint es ratsam, für einen grösseren Einstieg Schwächephasen abzuwarten. Alternativ bietet sich, wie häufig bei hoch bewerteten Aktien, ein Einstieg in Etappen an, etwa über einen monatlichen Sparplan. So ist man als Anleger mit an Bord, sollte der Kurs steigen. Fällt der Kurs, profitiert man von günstigeren Nachkaufgelegenheiten.

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