Sonntag, September 29

Das Schweizer Gesundheitsunternehmen wächst trotz Herausforderungen konstant, und seine Aktien bringen eine stattliche Rendite – bei geringen Abwärtsrisiken. Damit sind sie ein gutes Mittel, um in turbulenten Börsenzeiten das Depot stabilisieren zu helfen.

Eine gute Offensive gewinnt Spiele, eine gute Defensive gewinnt Meisterschaften, lautet ein beliebtes Sprichwort in der Welt des Fussballs. Es lässt sich sinngemäss auf die Anlagewelt übertragen: Wer Marktschwankungen im Depot reduzieren will, sollte die Defensive mit Titeln von Unternehmen stärken, die weitgehend unabhängig vom Wirtschaftsklima einen stabilen Ertrag erzielen.

Aus Sicht von Andy Schnyder, Analyst und Partner beim Vermögensverwalter zCapital, eignen sich die Aktien von Galenica gut für diesen Zweck: «Sie sind klassische defensive Qualitätstitel.»

Netz von über 370 Apotheken

Galenica spielt im Gesundheitsmarkt der Schweiz als integrierte und breit diversifizierte Gruppe eine zentrale Rolle. Sie besitzt das grösste hiesige Apothekennetz, diesem gehören über die Ketten Amavita und Sun Store oder Coop Vitality, ein 49-51-Joint-Venture mit Coop, derzeit 373 Apotheken an. Dazu kommt die Schweizer Online-Apotheke Mediservice, die in einem Joint Venture mit der deutschen Online-Apotheke Redcare Pharmacy betrieben wird.

Die Tochter Verfora vertreibt über den Fachhandel rezeptfreie Arzneimittel, Gesundheits- und Schönheitsprodukte von Partnern wie Procter & Gamble. Zu ihrem Portfolio zählen auch Eigenmarken, darunter national so bekannte Produkte wie Algifor, Perskindol oder Merfen.

Als Medikamentenhändler verfügt die Galenica-Gruppe über die landesweit grössten Lager- und Vertriebsstrukturen. Die im Grosshandel tätige Tochter Galexis hält in der Schweiz einen Marktanteil von gegen 50%, die auf die Lagerung von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten ausgerichtete Alloga einen von 47%.

Eine Hauptsorge der Bevölkerung

Das Geschäft von Galenica sei konstant und nicht zyklisch, aber auch komplex und schwierig zu führen, sagt Erhard Lee, Gründer und Chef des Vermögensverwalters AMG: «Das Umfeld wird nicht einfacher, manche Trends laufen gegen das Unternehmen.»

Zu den Herausforderungen gehört vorab die ausufernde Entwicklung der Gesundheitskosten. Sie sei, konstatiert Galenica im jüngsten Jahresbericht, «zu einer der Hauptsorgen der Schweizer Bevölkerung geworden», und die steigenden Krankenkassenprämien seien «eine grosse Belastung». Damit steigt der Druck auf die Politik, aktiv zu werden und das Kostenwachstum zu stoppen.

So muss Galenica infolge der behördlichen Einwirkungen auf Medikamente Preisreduktionen von 1 bis 2% pro Jahr einkalkulieren. Im Januar ist eine neue Regelung zur Förderung von Generika und Biosimilars in Kraft getreten, im Speziellen wurde der Selbstbehalt erhöht, wenn Patienten das teurere Originalpräparat bevorzugen. Dies hat gemäss Galenica im ersten Halbjahr zu hohen Mehrverkäufen von Nachahmerprodukten geführt, was sich dämpfend auf das Umsatzwachstum ausgewirkt habe.

Übersättigter Markt

Eine andere Herausforderung sind die mangelnde Effizienz und die hohe Dichte im Apothekenmarkt. Es gibt in der Schweiz rund 1800 Apotheken, zu viele nach Meinung von Vermögensverwalter Lee: «Der Markt ist übersättigt.»

Dazu komme, dass der Versandhandel ihnen künftig einen Grossteil ihres Geschäfts abgraben werde. So machen die physischen Apotheken über die Hälfte des Umsatzes mit chronischen Patienten, die etwa täglich Blutdrucksenker einnehmen müssen. Diesen Teil des Geschäfts könne der Versandhandel effizienter erledigen.

Steigende Personalkosten

Damit Apotheken sich in diesem Umfeld behaupten können, müssen sie mehr Beratung und Dienstleistungen wie medizinische Tests oder Impfungen anbieten. Darauf zielt Galenica ab, doch dafür braucht es speziell geschultes Personal. Die Apotheken leiden aber jetzt schon unter einem ausgeprägten Fachkräftemangel: «Es ist für sie sehr schwierig, qualifiziertes Personal zu rekrutieren», sagt Lee von AMG.

Er sieht in der Personalfrage eine zentrale Herausforderung für die Branche. Schon 2023 kam es zu kräftigen Lohnerhöhungen, dies hat sich fortgesetzt: Im ersten Halbjahr 2024 sind die Personalkosten bei Galenica 5% gestiegen und damit fast doppelt so stark wie der Umsatz. Wenn das Unternehmen wie vorgesehen sein Angebot an Beratung und Dienstleistungen in den Apotheken weiter ausbaue und dafür geschultes Personal anwerben müsse, werde es weitere Lohnsteigerungen geben, sagt Lee.

Neue Medikamente treiben Wachstum

Den Herausforderungen stehen auch Faktoren gegenüber, die Galenica begünstigen. Schnyder von zCapital führt aus, das Umsatzwachstum des Unternehmens sei an die Gesundheitsausgaben in der Schweiz geknüpft. Sie steigen aus mehreren Gründen: Erstens wächst die Bevölkerung infolge der Zuwanderung weiter. Zweitens erhöht sich mit der zunehmenden Alterung der Bedarf an medizinischer Versorgung.

Einen zentralen Wachstumstreiber für Galenica macht Schnyder in den Medikamentenpreisen aus. Einerseits versuche der Staat zwar, die Preise von bestehenden Arzneien zu drücken. Andererseits sei in den vergangenen Jahren aber eine Vielzahl neuer und teurer Medikamente auf den Markt gekommen.

Der Effekt daraus zeigt sich in der Entwicklung des Schweizer Pharmamarktes: Er wuchs 2023, getrieben von gestiegenen Verkäufen hochpreisiger Medikamente, um 4,9%, auch wenn die verkauften Mengen um 0,2% zurückgingen.

Der für Galenica relevante Einzelhandel im Schweizer Gesundheitswesen ist von 2013 bis 2023 um durchschnittlich 3,8% pro anno auf 5,6 Mrd. Fr. gewachsen. Für die Jahre 2024 bis 2027 ist nach unternehmenseigener Schätzung mit einer jährlichen Wachstumsrate von durchschnittlich rund 4% auf 6,5 Mrd. Fr. zu rechnen.

Marktwachstum übertroffen

Dabei hat die Galenica-Gruppe es laut Schnyder bisher geschafft, «1 bis 2 Prozentpunkte schneller als der Markt zu wachsen». Ein wichtiger Grund dafür ist, dass sie in der seit drei Jahrzehnten laufenden Konzentration im Schweizer Apothekenmarkt eine führende Rolle spielt: Ihr Ziel ist es, pro Jahr fünf bis fünfzehn Apotheken zu übernehmen. Zugleich schliesst sie Standorte. Im ersten Halbjahr 2024 hat sie das Akquisitionstempo erhöht: Sie erwarb neun Apotheken, während fünf geschlossen wurden.

Weitere Wege, um stärker als der Markt zu wachsen, sind der Ausbau von kostenpflichtigen Dienstleistungs- und Beratungsangeboten in Apotheken sowie die Übernahme von Produkten und Dienstleistern. Galenica ist insbesondere bestrebt, ihre Angebote im Bereich Home Care, in dem es um die Betreuung von Patienten daheim geht, zu vergrössern.

Oft hat das Unternehmen zudem den Betriebsgewinn auf Stufe Ebit stärker als den Umsatz steigern können. Dies gelang seit der Loslösung von Vifor Pharma und dem Börsengang 2017 in vier von sieben Geschäftsjahren, wobei die Ergebnisse nach 2020 durch Sonderfaktoren immer wieder verzerrt wurden, wie letztes Jahr. Ungeachtet dessen hat sich die adjustierte Betriebsgewinnmarge von 2017 bis 2023 von 4,7 auf 5,1% verbessert. In diesem Jahr dürfte sie nach unternehmenseigener Prognose 5,4% erreichen.

Warten auf die OTC-Liberalisierung

Die Entwicklung verdeutlicht, dass Galenica es ausgezeichnet versteht, die Herausforderungen im Schweizer Gesundheitswesen zu bewältigen und mit den regulatorischen Veränderungen umzugehen. Das dürfte auch künftig der Fall sein, etwa bei der Liberalisierung des OTC-Marktes, einer weiteren Massnahme zur Senkung der Medikamentenpreise.

Bis anhin braucht es in der Schweiz auch für nicht verschreibungspflichtige resp. OTC-Arzneimittel ein Rezept, damit sie versendet werden dürfen. Die viel besprochene Liberalisierung dieser Praxis lässt auf sich warten und ist laut Experten wohl erst für 2029/30 zu erwarten. Wenn die Massnahme – der Bundesrat und das Parlament müssen zustimmen – aber einmal umgesetzt ist, dürfte sich ein grösserer Teil des OTC-Marktes weg von den physischen Apotheken hin zum Online-Handel verschieben.

Mit Blick darauf ist Galenica im März 2023 eine Partnerschaft mit der europaweit grössten Online-Apotheke, Redcare Pharmacy, eingegangen. An dem dadurch entstandenen Joint Venture Mediservice, der führenden Online-Apotheke in der Schweiz, hält das Berner Unternehmen mit 49% den Minderheitsanteil (weshalb es konsolidierungsbedingt gut 10% seines vorherigen Umsatzes und 5% des Ebit eingebüsst hat).

In dem durch regulatorische Eingriffe geprägten Gesundheitsmarkt dürfte es von Vorteil sein, dass Galenica in der Bundesstadt Bern gut vernetzt ist. Die Gruppe profitiert zudem von ihrem guten Ruf, den sie während der Covid-Pandemie stärken konnte. Sie nahm bei der Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten eine tragende Rolle ein.

Geringe Gewinnschwankungen

Die unter Beweis gestellte Kontinuität hat Galenica im Finanzmarkt auch den Ruf eingetragen, etwas langweilig zu sein. Vermögensverwalter Lee gefällt genau diese Eigenschaft. Als Liebhaber von Substanzwerten ist es ihm wichtig, dass der Gewinn eines Unternehmens nur geringen Schwankungen unterliegt.

Kleinere Ausrutscher fallen da nicht ins Gewicht: Im ersten Halbjahr 2024 hat die Galenica-Gruppe die Markterwartungen nicht erfüllt, weder auf Umsatz- noch auf Gewinnebene. Ihre Führung hat dafür etwa die ungünstige Konstellation der Verkaufstage im Mai und im Juni verantwortlich gemacht sowie den regenreichen Frühsommer, der die Nachfrage nach Sonnenschutz- oder Allergiemitteln bremste.

Wichtiger ist, dass das Unternehmen auch in dieser Periode mit einem Umsatzwachstum von 2,6% auf 1,9 Mrd. Fr. Marktanteile gewonnen hat. Zudem hält das Management an den Zielen für das Gesamtjahr fest, nach denen der Umsatz 3 bis 5% und der adjustierte Ebit um 8 bis 11% steigen soll. Bis 2027, wenn Galenica das 100-Jahre-Jubiläum feiert, soll der Ebit die Marke von 250 Mio. Fr. übertreffen – was im Vergleich zum letzten Jahr einem Zuwachs von über 30% entspricht.

Die Bilanz ist sehr solide und lässt Raum, um Wachstumschancen zu ergreifen. Jüngst hat Galenica die 2023 eingegangene Beteiligung am Online-Partner Redcare Pharmacy von 7,9 auf 10% erhöht, weil ab dieser Höhe Dividendenertrag und Kapitalgewinn steuerfrei sind. Bisher ist aus dem Aktienpaket dank der Kurssteigerung der Redcare-Valoren gemäss der Zürcher Kantonalbank ein Buchgewinn von rund 95 Mio. Fr. entstanden.

Bessere Rendite als der Markt

Seit dem Börsengang am 7. April 2017 ist der Kurs der Galenica-Aktien um 67% gestiegen. Inklusive der jeweils mindestens stabil gehaltenen Dividende haben sie seither eine Gesamtrendite von 98% gebracht. In derselben Zeit hat der Swiss Performance Index, der die Dividenden berücksichtigt, um lediglich 69% zugelegt.

Die Chancen stehen gut, mit Galenica eine weiterhin überdurchschnittliche Rendite zu erzielen. The Market empfiehlt, die Aktien des Gesundheitsdienstleisters zu halten – auch als wirkungsvolles Mittel, um in volatilen Börsenzeiten die Nerven zu schonen.

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