Dienstag, April 1

Ein Dokumentarfilm sieht den Ursprung des CS-Endes in den siebziger Jahren. Auch die Opfer der Banker-Gier bekommen endlich ein Gesicht.

Für das grösste Drama der Schweizer Wirtschaftsgeschichte – das Swissair-Grounding – gab es einen aufwendigen Spielfilm. Für das zweitgrösste Wirtschaftsdrama – den Untergang der Credit Suisse – genügt eine Dokumentation. Dafür in Spielfilmlänge und mit viel Pathos: «Game Over, der Fall der Credit Suisse».

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Die Filmemacher, der Investigativjournalist Arthur Rutishauser und der Regisseur Simon Helbling, versuchen fast alles in 104 Minuten Film zu packen. Angesichts der Fülle an Skandalen, die die CS in den letzten Jahrzehnten durchlebt hat, ein unmögliches Unterfangen.

Doch dank Einnahmen aus der Lex Netflix hatten die Macher offenbar genug Geld zur Verfügung. Der Film, der vor einem Streamingstart nun in den Kinos läuft, kommt in zeitgemässer Ästhetik daher und ist mit dramatischer Musik untermalt, die es mit jeder Netflix-Produktion aufnehmen kann. Das macht den Stoff verdaulich.

Offensichtlich ist aber, dass «Game Over» die Verfilmung eines 380-seitigen Buches ist – für das Rutishauser jahrelang recherchiert hat. Die These: Gier und kriminelle Energie bei der CS haben ihren Ursprung in den siebziger Jahren.

Rainer E. Gut: der Vater des Untergangs

Der CS-Untergang beginnt somit im Jahr 1977. Damals wurde die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) erstmals zur «Skandalbank»: Direktoren der Niederlassung Chiasso hatten ein Schneeballsystem konstruiert, um sich zu bereichern. Chiasso trug der SKA einen Milliardenverlust ein – die Bank war eigentlich schon damals bankrott.

Als Urväter des Untergangs sieht Rutishauser aber nicht die Direktoren in Chiasso, sondern Rainer E. Gut. Der Architekt der späteren CS Group bestimmte ab 1982 die Geschicke der Bank. Gut verband «Gier mit Grössenwahn» und trieb die Expansion der CS aggressiv voran, vor allem in Amerika. «Die Schweiz war mir schon immer zu klein», sagte er. Gut kaufte luftige Investmentbanken in den USA: zuerst First Boston, dann Donaldson, Lufkin & Jenrette. Das machte die CS zu einer Wall-Street-Bank, gleichzeitig machte es laut Rutishauser die Substanz der Bank kaputt.

Die Ernennung Lukas Mühlemanns zum CEO machte dann alles viel schlimmer. Der ehemalige McKinsey-Berater verstand nichts vom Geschäft und fuhr die CS schon zur Jahrtausendwende fast an die Wand. Gut hat den Untergang vorbereitet, Mühlemann eingeleitet. Sein Nachfolger, Oswald Grübel, wird derweil als Aufräumer und Retter dargestellt. Befremdlich: Josef Ackermann tritt als Kommentator der Exzesse auf, dabei segelte er als Chef der Deutschen Bank ähnlich hart am Wind wie die CS.

CS als kriminelle Organisation

«Game Over» zeigt die CS als kriminelle Organisation, in der es nur um «den Deal» ging. Die Bank-Oberen frisierten Bilanzen und scheuten sich nicht, die eigenen Mitarbeiter ins Messer laufen zu lassen. So den Kundenberater, der für die CS im amerikanischen Offshore-Geschäft tätig war und wegen der Steuerhinterziehungsaffäre die Schweiz bis heute nicht verlassen darf.

Der Film gibt nicht nur den Tätern, sondern auch den Opfern ein Gesicht. Die Schilderungen des dienstältesten CS-Mitarbeiters Richard Chandler, des Chiasso-Staatsanwalts Bernasconi, aber auch die eindrücklichen Bilder aus Moçambique, wo die Bank 2009 in einen Korruptionsskandal verwickelt war, machen die verrottete CS-Kultur fassbar.

Moçambique wird als der menschlich verheerendste Fehltritt dargestellt: Die Vergabe sogenannter Tuna-Bonds, die nur der Bereicherung einer korrupten Politikerkaste dienten, stiess Millionen Menschen zurück in die Armut. Die Gier der CS-Manager raubte einem ganzen Land die Zukunft.

Die Bankchefs der letzten Jahre – Urs Rohner, Brady Dougan und Tidjane Thiam – werden wie gewohnt als arrogante Abzocker porträtiert, die letzte Garde mit Thomas Gottstein, Ulrich Körner und Axel Lehmann als überforderte Manager, die nichts mehr ausrichten konnten und sämtliche Chancen verpassten, die sich ihnen boten.

Skandale im Schnelldurchlauf

Die Skandale, die der CS schliesslich das Genick brachen, werden im Schnelldurchlauf abgearbeitet: die Spygate-Affäre, Greensill, Archegos. Das Ende, die Notübernahme durch die UBS und umstrittene Personen, etwa die Rolle von alt Bundesrat Ueli Maurer, bekommen kaum Raum.

Neues gibt es nicht, Bekanntes wird aber neu ausgeleuchtet: So gab es im Frühjahr 2022 noch Versuche, die marode Investmentbank der CS zu verkaufen, noch eine verpasste Chance. Und während der Pandemie gab es bereits einen Fusionsversuch mit der UBS.

«Eine solche Bank geht unter, und niemand ist verantwortlich», sagt der heutige UBS-Chef Sergio Ermotti. Gleichzeitig darf die UBS im Film das hohe Salär ihres CEO verteidigen: Ermotti arbeite 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, sagt UBS-Präsident Colm Kelleher. Er verstehe, dass niemand Bankerlöhne verstehen könne: «Es gibt die reale Welt, und dann gibt es die Finanzwelt.» Das kann niemanden beruhigen.

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