Gartenbesuch

Der Garten dieses Anwesens gilt als einer der einflussreichsten Italiens. Von hier aus sieht man über die Dächer von Florenz.

Einer der einflussreichsten Gärten Italiens, der Garten der Villa Gamberaia, liegt fast vergessen in den Hügeln nordöstlich von Florenz. Dabei ist er ohne Schwierigkeiten zu erreichen, ein Linienbus fährt direkt von der Piazza San Marco in das verschlafene Dörfchen Settignano. Das letzte Stück geht man zu Fuss, vorbei an Olivenhainen und den für diese Landschaft so typischen, schlanken Zypressen.

Den Eingang in den Garten markiert ein unscheinbares Tor. Von dort führt ein schmaler Weg zwischen dunklen Hecken hindurch, und plötzlich steht man auf einer Terrasse mit grandiosem Ausblick. Eingebettet in die sanften Hügel der Toskana liegen in der Ferne die terrakottafarbenen Dächer von Florenz, aus deren Mitte sich die Kuppel des Duomo erhebt.

Man braucht eine Weile, um sich sattzusehen an diesem Postkartenblick, bis man sich wieder auf seine direkte Umgebung konzentrieren kann. Die Terrasse wird auf der rückwärtigen Seite durch die klassisch proportionierte Fassade der Villa begrenzt. Das Gebäude mit seiner klaren Linienführung wurde 1618 für die Familie eines wohlhabenden Kaufmanns errichtet.

Der Garten führt diese Linien konsequent fort, was besonders eindrucksvoll auf der andern Seite der Villa zu sehen ist. Dort verläuft eine zirka 10 Meter breite und 225 Meter lange, komplett plane Rasenbahn. Sie beginnt an einem Nymphäum und endet an einer steinernen Balustrade, von der aus sich erneut ein weiter Blick in die Landschaft bietet.

Ein Rasen ist in Italien nicht erst in Zeiten des Klimawandels ungewöhnlich. Man musste ihn wahrscheinlich bereits vor 400 Jahren künstlich bewässern. Aber hier ging es damals nicht um Nachhaltigkeit, sondern um eine grosse Geste verschwenderischer Weite. Das funktioniert noch heute.

Dafür verantwortlich ist eine geschickte Raumaufteilung. Die Villa steht in der Mitte einer länglichen Terrasse, die im Vergleich zu den bombastischen Dimensionen anderer Renaissancegärten geradezu klein ist. Der Garten mutet trotzdem grosszügig an und sitzt wie selbstverständlich in der Landschaft, obwohl die plane Fläche mit viel Aufwand in den Hang gebaut wurde.

Vor der Südfassade der Villa erstreckt sich ein ornamentales Parterre. Interessanterweise ist es mit Wasser gefüllt. Das ist das Vermächtnis der geheimnisumwitterten Fürstin Ghyka, der die Villa Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte. Dieser Teil des Gartens wird von einer mächtigen Zypressenhecke dominiert. Den Blick auf Florenz versperrend, zieht sie sich an der Längsseite des Parterres entlang und mündet an der Stirnseite in einem Halbrund, in das Torbögen geschnitten sind.

Das Ganze erscheint wie eine barocke Theaterkulisse, wurde aber wohl ebenfalls von der exzentrischen Fürstin gepflanzt. Wie bei allen ihren Veränderungen behielt Ghyka den streng geometrischen Grundriss des Renaissancegartens bei, der an dieser Stelle vermutlich eine klassische Exedra, eine halbrunde Plattform mit Ausblick, aufwies. Der Legende nach scheute die alternde Fürstin die Öffentlichkeit, schwamm hier aber bei Mondlicht hinter den hohen Hecken. Nebenbei verband sich Ghykas Glamour mit dem ihres Gartens und machte diesen bekannt.

Durch Treppen gelangt man von der Rasenbahn in einen weiteren Teil des Gartens. Neben einer Orangerie und einer Grotte findet man hier schattenspendende Wäldchen. Der Garten wirkt grosszügig, aber dennoch intim. Die Dimensionen sind überschaubar und nicht weit von denen eines modernen Privatgartens entfernt.

Vor allem im angloamerikanischen Raum verkörpert die Villa Gamberaia die Idee der perfekten toskanischen Villa. Der Garten inspirierte zahlreiche moderne Gärten weit über die Grenzen Italiens hinaus. Kein Wunder also, dass man sich hier sofort wohlfühlt, so als kenne man den Garten bereits.

Exit mobile version