Freitag, Oktober 25

Zuerst verbreitete Gea auf dem Kapitalmarkttag einiges an Zuversicht, überraschte dann die Anleger mit einer erhöhten Prognose für das Jahr 2024. Darüber hinaus profitieren die Düsseldorfer von gleich zwei dauerhaften Grosstrends – ohne dass der Aktienkurs diese Entwicklungen umfassend spiegelt.

Capital Markets Days sind auch dazu da, gute Stimmung zu machen, sagte der Fondsmanager Georg von Wallwitz vom Vermögensverwalter Eyb & Wallwitz jüngst am Rande eines Interviews. Mission erfüllt, könnte man mit Blick auf den Capital Markets Day von Gea am 2. Oktober sagen. Denn dort wurde unter anderem erklärt, das Unternehmen habe seine mittelfristigen Finanzziele zwei Jahre früher erreicht als erwartet. Ausserdem wurde eine steigende Ebitda-Marge avisiert. Und damit gute Stimmung gemacht. Mehr noch, kurz danach erhöhte Gea die Jahresprognose erneut. An der Börse schlägt diese Stimmung noch nicht vollumfänglich durch.

Gea übt eine Paradedisziplin deutscher Unternehmen aus: den Anlagenbau. Genauer, die MDax-Gesellschaft baut massgeschneiderte Anlagen für die Nahrungsmittel-, die Getränke- und die Pharmaindustrie. Das können etwa sogenannte Gefriertunnel sein, die bei der Herstellung von Nahrungsmitteln helfen, aber auch beispielsweise Brausysteme für die Bierproduktion.

Gut auf Kurs: Aus 2026 wird 2024 – und 2030

Die schon 2021 vorgestellte Strategie «Mission 26» skizzierte, womit Gea genau punkten will. Der Grosstrend Nachhaltigkeit ist ein Aspekt. Der Grund liegt auf der Hand: Wenn Lebensmittelproduzenten nachhaltiger werden wollen, brauchen sie die entsprechenden Maschinen. Ebenfalls im Fokus des Unternehmens steht das Geschäftsfeld New Food. Als New Food gelten Nahrungsmittel vor allem auf Basis etwa von Pflanzen oder Pilzen. Gea strebt eine marktführende Stellung an. Beides sind Ansätze, die den Zeitgeist treffen. Immerhin betrachten immer mehr potenzielle Endkunden Nachhaltigkeit nicht mehr nur als Nice to Have, sondern als notwendig, notiert zum Beispiel die «Harvard Business Review». Und weltweit steigt die Zahl derer, die sich fleischlos ernähren (siehe Grafik). Für Gea und ihren Geschäftszweig New Food eine Steilvorlage, für Anleger eine Erinnerung an den Börsenspruch, im Goldrausch in die Hersteller von Schaufeln zu investieren.

Weil die mittelfristigen Finanzziele der «Mission 26» zwei Jahre früher als erwartet erreicht wurden, geht Gea nun einen Schritt weiter und hat auf dem jüngsten Capital Markets Day die «Mission 30» verkündet. Übergeordnetes wirtschaftliches Ziel der neuen Mission ist zum Beispiel ein Umsatzwachstum um jährlich mehr als 5% ohne Zukäufe. Und die Marge auf den Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll bis 2030 auf 17 bis 19% steigen. Zum Vergleich: 2023 lag das Umsatzwachstum bei 4%, die Ebitda-Marge knapp über 11%.

Von 11 auf mindestens 17%, von 4 auf 5% – bloss ambitionierte Ziele, oder überdreht das Unternehmen? Die Ziele seien ambitioniert, aber nicht unrealistisch, heisst es etwa in einer schnellen Analyse von Warburg Research nach dem Capital Markets Day. UBS wiederum antwortet, indem sie Gea zuletzt in ihre Top-20-Liste aufgenommen hat. Dort fasst sie die aus ihrer Sicht europaweit spannendsten kleineren und mittelgrossen kotierten Unternehmen zusammen. Das knappe UBS-Urteil über Gea: Man schätze die Kombination aus defensivem strukturellem Wachstum und Selbsthilfe bei den Margen.

Und tatsächlich gibt es gute Gründe für die Zuversicht. Genauer, zwei Gründe. Der eine hat etwas mit der Geschichte des Unternehmens zu tun, der andere mit seiner Zukunft.

Nachbrenner eins: neue Führung, neue Struktur, neuer Schwung

Der Geschichtsaspekt: «Man muss sehen, aus welcher Situation Gea kommt», sagt Andreas Strobl, Head of German Equities bei Berenberg Wealth and Asset Management. Diese Situation liegt gar nicht so lange zurück. Zwischen 2014 und 2019 befand sich die Ebitda-Marge im Sinkflug. Das Unternehmen arbeitete einfach nicht so effizient, wie es eigentlich möglich wäre. Ein Nachzügler. Das hatte auch etwas mit dem damaligen Management zu tun. Vieles wurde probiert. «Eine komplexe Matrixorganisation, eine Zentralisierung von Verantwortlichkeiten.» Dann übernahm Stefan Klebert. «Klebert und der verstorbene CFO Marcus A. Ketter haben unter anderem die Verantwortung an die Verantwortlichen in den einzelnen Teilsegmenten gegeben, was sich als sehr sinnvoll erwiesen hat.» Das schlägt sich nun auch in den jüngst veröffentlichen Zahlen nieder.

2019, im Jahr des Antritts von Klebert, lag der Umsatz bei gut 4,8 Mrd. €. 2023 waren es 5,4 Mrd. €. Das entspricht einem Plus von mehr als 12%. In diese Richtung dürfte es weitergehen, so die bei S&P Capital IQ gebündelten Konsensschätzungen der Analysten. Sie rechnen für 2026 mit einem Umsatz von 5,8 Mrd. €.

Deutlich zeigen sich die positiven Folgen des Umbaus beim Ebitda. Von 2019 mit 277 Mio. verdoppelte sich die Kennzahl auf 597,1 Mio. €. Verdoppelt hat sich im selben Zeitraum auch die Ebitda-Marge von 5,7 auf 11,1%. Wie sehr sich die Profitabilität verbessert hat, zeigt auch der Vergleich mit der Konkurrenz, deren Ebitda-Marge zum Teil stagniert (siehe Grafik).

Für Fondsmanager Strobl ist daher klar: «Ganz ähnlich wie Krones hat Gea es geschafft, die eigene Aufstellung insbesondere im Hinblick auf die Profitabilitätsentwicklung deutlich zu verbessern.»

Die Analysten der Deutschen Bank schreiben dem Unternehmen dennoch ins Stammbuch: Die Verbesserungen hätten auch etwas damit zu tun, dass während des Restrukturierungsprozesses die niedrig hängenden Früchte geerntet worden seien und man sich von Geschäftsteilen getrennt habe. Tatsächlich verkaufte Gea 2020 zum Beispiel den Kompressorenhersteller Bock. 2021 trennte sie sich von ihren Kälte-Contracting-Aktivitäten in Spanien und Italien. Das so auch kommunizierte Ziel: ausgewählte Geschäftsbereiche mit vergleichsweise geringen Margen veräussern. Bedeutet: Gea hat ihre Profitabilität auch mit einfachen Massnahmen gesteigert – und arbeitet daran, sie auch weiter zu steigern.

Nachbrenner zwei: Fitnessprogramm für die Zukunft

Aspekt zwei betrifft daher die Zukunft: Gea hat mit dem Programm «Mission 2030» klare Vorstellungen skizziert, wie sie die Entwicklung weiter befeuern kann. Beim Neugeschäft etwa sollen die Trends hin zu Nachhaltigkeit und künstlicher Intelligenz (KI) helfen.

Wie das in der Praxis funktionieren soll, zeigen zwei Beispiele. Stichwort Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung: «Stellen Sie sich vor, Sie frieren als Nahrungsmittelhersteller Pizzen im grossen Stil ein», sagt Strobl. «Sie können sich vorstellen, dass das energieintensiv ist. Dabei kann Gea mit entsprechendem Gerät helfen, den CO2-Ausstoss zu reduzieren.» Das Ziel: Bis 2030 will Gea den Anteil nachhaltiger Lösungen von 41,5% im Jahr 2023 auf mehr als 60% steigern.

Und KI? Sogenannte Sprühtrocknungsanlagen trocknen in sehr kurzer Zeit Flüssigkeit zu Pulver. Eine Gea-KI kann helfen, diesen Prozess effizienter zu gestalten. Dazu fliessen Daten der Anlagen und operatives Feedback aus der Produktion in den Prozess ein – mit bis zu 1ʼ576ʼ800 automatischen Anpassungen, wie Gea auf Nachfrage erklärt. «Kunden haben bemerkenswerte Steigerungen der Stabilität um bis zu 80% und der Produktionskapazität um bis zu 10% festgestellt.» Auch käme es zu einer Senkung des Energieverbrauchs um 10%. Den nötigen finanziellen Spielraum für entsprechende Investitionen erweitert bereits jetzt die auch in Relation zum Gewinn gesunkene Gesamtverschuldung (Total Debt/Ebitda): 2019 lag die Kennzahl bei 1,8, 2023 bei 0,4.

Dazu wirft Gea einen strengen Blick auf die Kosten: Alle Divisionen würden von Einsparungen bei den Kosten der umgesetzten Leistungen etwa im Einkauf und bei der Fertigung in Höhe von rund 120 Mio. € sowie bei den allgemeinen Verwaltungskosten in Höhe von ca. 100 Mio. € profitieren, so das Unternehmen.

Aber auch die Diversifikation bei den Einkommensströmen steht im Fokus. «Gea hat ein sowohl kleinteiliges, aber stetiges Geschäft wie auch die Grossaufträge», sagt Strobl. «Letztere können sich schon einmal zwei Quartale später realisieren.» Deswegen zielt die «Mission 2030» auch darauf, das stete Servicegeschäft weiter auszubauen. Damit soll bis 2030 sein Umsatzanteil auf 40% steigen, heisst es von Gea. 2023 lag der Anteil bei 38%.

Die Börse beginnt erst hinzuschauen

An der Börse ist diese Entwicklung längst nicht so durchgeschlagen, wie es angesichts der fundamentalen Veränderungen zu erwarten wäre. Nach Jahren der Seitwärtsbewegung ist der Kurs seit Anfang des Jahres zwar mit einem Plus von fast 28% deutlich gestiegen.

Doch legt man den Zehnjahresvergleich zugrunde, wird deutlich, dass die Gea-Aktie damit noch unterhalb ihres langjährigen Schnitts bewertet ist.

Ist damit noch Luft nach oben? Für Warburg Research ist die Antwort klar: Das Analysehaus notiert ein Kursziel von 51 €. Für die Analysten der Deutschen Bank liegt das Kursziel bei 54 €. Das entspricht einem Aufwärtspotenzial von gut 10 beziehungsweise rund 17%.

Für diese Prognosen spricht, dass Gea von mehreren Grosstrends wie Nachhaltigkeit oder gesunder Ernährung als Nachbrenner profitiert und daran arbeitet, ihre dortige Position weiter zu verbessern. «Die Kunden von Gea dürften früher oder später auf ihre Systemlösungen für die Nahrungs-, die Getränke- und die Pharmaindustrie zurückgreifen», sagt Strobl. Der unternehmerischen Spielraum für diese Teilhabe wurde durch die Straffungen geschaffen, die CEO Klebert und sein Team vorgenommen haben. Auch wenn Klebert das Unternehmen verlassen sollte – die von ihm angestossenen Änderungen sind längst in Organigramm und Praxis verfestigt. Für die Deutsche Bank ist die Aktie ein Kauf. Eine Qualitätsaktie, urteilte The Market schon vor Monaten.

Einen Auslöser für plötzliche Kurssprünge dürfte es nicht geben, wohl aber steten Rückenwind, sofern das Management die Ziele von «Mission 30» weiterhin mit Leben füllt. Und zum Beispiel der Auftragseingang im dritten Quartal wie vorläufig prognostiziert um 6,6% oder mehr steigt. Am 6. November werden die Zahlen für das dritte Quartal publiziert. Und vielleicht erneut Optimismus verbreitet.

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