Mittwoch, Februar 12

Das Verteidigungsdepartement ist vom Prestige- zum Problemdepartement geworden, das kaum jemand übernehmen will. Die einzigen Bewerber überbieten sich mit der Darstellung ihrer militärischen Kompetenzen.

Man fühlt sich in vergangene Zeiten zurückversetzt. Damals, als Männer noch mit ihren Diensttagen prahlten und eine Militärkarriere eine wichtige Voraussetzung für hohe politische Ämter war. Im Rennen um die Nachfolge von Viola Amherd wetteifern nämlich die beiden Kandidaten Markus Ritter und Martin Pfister darum, wer die höhere Kompetenz in Armeefragen hat. Sie präsentieren sich als Persönlichkeiten, die das angeschlagene Verteidigungsdepartement wieder auf Kurs bringen können.

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Was den militärischen Grad betrifft, hat Martin Pfister klar die Nase vorn. Als Oberst verfügt er über Führungserfahrung, war er doch Kommandant der Katastrophenhilfe in der Territorialdivision 3. Der Zuger Regierungsrat, der als Aussenseiter kandidiert, ist sich dieses Vorteils bewusst und setzt ihn im Wahlkampf gezielt ein.

Erfahrung aus Bürgerkrieg

«Die Kaserne ist mir vertrauter als das Bundeshaus», sagte Pfister an der Pressekonferenz, an der er sich der Öffentlichkeit vorstellte. Der Subtext dieser Aussage: Ich bin der gesuchte Insider der Armee, der die Gepflogenheiten dieser Institution aus jahrelanger Erfahrung gut kennt und mit den Offizieren auf Augenhöhe kommunizieren kann.

Markus Ritter hingegen konnte im Militär nicht befehlen, er musste gehorchen. Eine Rolle, die ihm nicht liegt. Der Bauer aus dem St. Galler Rheintal ist nur Gefreiter. Dabei handelt es sich um einen sogenannt geschenkten Dienstrang, der gerne an (über)eifrige Soldaten vergeben wird. Doch ein Ritter lässt sich auch in dieser Position nicht gerne sagen, was er zu tun hat.

So betonte er an seiner Bewerbungs-Medienkonferenz, dass er in der Panzerhaubitzen-Rekrutenschule zu den Treibern an seinem Geschütz gehörte. «Die anderen haben es nicht schön gehabt mit mir.» Der Subtext dieser Aussage: Es könnte ungemütlich werden für Chefbeamte und hohe Offiziere, wenn ich neuer Chef des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) werde.

Doch welche Rolle spielt eigentlich der militärische Rang bei der Wahl von bisherigen Chefs des VBS beziehungsweise des Eidgenössischen Militärdepartements (EMD), wie es bis 1997 hiess? Lange Zeit praktisch keine. Aufgrund der Zusammensetzung der Landesregierung – männlich, führungserfahren, militärdiensttauglich – stand immer eine grosse Auswahl an Offizieren zur Verfügung.

Die ersten beiden Departementsvorsteher brachten sogar die Erfahrung eines gewonnenen Bürgerkrieges mit sich. Ulrich Ochsenbein (Departementsvorsteher 1848–1854) war Anführer des zweiten Freischarenzuges, bei dem im Frühjahr 1845 Radikale aus verschiedenen Teilen der Schweiz die konservative Regierung des Kantons Luzern durch einen bewaffneten Feldzug stürzen wollten.

Im Sonderbundskrieg von 1847 wollte er General der Tagsatzungsarmee werden, was ihm jedoch verwehrt blieb. Immerhin kommandierte er eine Reserve-Division. Auch sein Nachfolger Friedrich Frey-Herosé hatte Pulverdampf in der Nase. Vor der Wahl in den Bundesrat spielte er eine wichtige Rolle als Generalstabschef der Tagsatzungstruppen.

Reiten als Grundvoraussetzung

Doch bereits der vierte Vorsteher des EMD war ein Zivilist. Constant Fornerod, der nie einen Tag Militärdienst geleistet hatte, kam 1862 an die Spitze des Departements, weil der bisherige Amtsinhaber Jakob Stämpfli Bundespräsident und damit Chef des Politischen Departements (Aussenministerium) wurde. Fornerod musste übernehmen, was ihm ohne grössere Probleme gelang. Um die Truppeninspektionen hoch zu Ross durchführen zu können, musste er allerdings reiten lernen, was für die EMD-Chefs damals eine Selbstverständlichkeit war, schreibt Urs Altermatt im «Bundesratslexikon». Der Waadtländer FDP-Politiker sass offenbar gerne im Sattel, denn von 1864 bis 1866 war er erneut Verteidigungsminister.

Mit Truppenparaden konnte Ludwig Forrer nichts anfangen. Als Lückenbüsser für den Bundespräsidenten musste er 1907 für ein Jahr das EMD übernehmen. Forrer weigerte sich zunächst, das Amt anzutreten, weil er noch Militärdienst geleistet und auch als Leutnant der Kantonspolizei keine Uniform getragen hatte. Als bekennender Zivilist an der Spitze des Departements habe er sich aber rasch Respekt verschafft, schreibt Altermatt. An der Urne setzte er eine neue Militärorganisation durch. Als Gegner von Adelstiteln strich er alle «von» aus der Offiziersliste. Zudem setzte er sich für ein Verbot des Coupierens von Pferdeschwänzen in der Armee ein.

Als Folge des Ersten und des Zweiten Weltkrieges wuchs die Bedeutung der Armee. Das EMD wurde zum Schlüsseldepartement, das man nicht Amateuren überlassen konnte. Es verstand sich von selbst, dass die Departementsleitung weiterhin nur höheren und höchsten Offizieren anvertraut wurde. Die Verflechtung von politischer Führung und militärischer Praxis war eng. Nach dem Motto: Die Schweiz hat keine Armee, die Schweiz ist eine Armee. Noch in den 1920er Jahren nahm Bundesrat Karl Scheurer (Chef EMD 1920–1929) ganz selbstverständlich in der Uniform eines Oberstleutnants Truppenparaden ab.

Erst sein Nachfolger Rudolf Minger (1930–1940) brach mit dieser Tradition. Der erste Vertreter im Bundesrat der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, der späteren SVP, könnte das grosse Vorbild des VBS-Aspiranten Markus Ritter sein. Denn Minger war vor seiner Wahl in die Regierung einer der erfolgreichsten Bauernpolitiker, die die Schweiz je hervorgebracht hat. Als Milizoffizier brachte er es bis zum Oberst. Altermatt schreibt über ihn: «Rudolf Minger ging mit der ihm eigenen bernisch-bäuerlichen Bodenständigkeit und Hartnäckigkeit daran, die Schweizer Armee aufzurüsten und die Landesverteidigung zu reformieren.»

Angesichts der grossen Spannungen zwischen Ost und West galt das EMD auch nach dem Zweiten Weltkrieg lange als wichtiges Departement. Dies änderte sich mit dem Fall der Mauer 1989, als es zum Einstiegsdepartement wurde. Die hohen Offiziere an der Spitze flohen jeweils bei der ersten Gelegenheit in wichtigere und vor allem prestigeträchtigere Departemente.

Das VBS als Nationalliga B

Für einen Bundesrat kam die unfreiwillige Übernahme des EMD sogar einer Degradierung gleich. Nach der verlorenen Abstimmung über die Alpeninitiative 1994 wurde Adolf Ogi von seinen Regierungskolleginnen und -kollegen «in die Nationalliga B strafversetzt», wie er klagte. Ogi machte das Beste daraus und holte sein Steckenpferd, den Sport, in sein neues Departement, das er in VBS umbenannte.

Mit Oberst Samuel Schmid und Major Ueli Maurer verfügten die nächsten beiden VBS-Chefs über grosse Erfahrung als Truppenführer. Erst mit Guy Parmelin übernahm 2016 erstmals in der Geschichte der Schweiz ein Subalternoffizier die Leitung des grössten Departements. Dass er es in der Armee nur zum Korporal gebracht hatte, war kaum ein Thema. Das sei kein Problem, sagte Denis Froidevaux, Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft. «Gesundheitsminister Berset ist ja auch kein Arzt.»

Parmelin, der keine echte Liebe zum Militärischen entwickelte, wechselte 2018 bei der erstbesten Gelegenheit ins Volkswirtschaftsdepartement. Damit machte er den Weg frei für Viola Amherd, die erste Verteidigungsministerin der Schweiz. Das VBS war alles andere als das Wunschdepartement der Walliserin. Von einem veritablen Fehlstart, einem Machtverlust der CVP und einer «seltsamen Regierung» war in den Medien die Rede. «Amherd muss ins VBS einrücken», titelte die «Zürichsee-Zeitung».

Kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem VBS beweist einer ihrer potenziellen Nachfolger, dass es mit der von Amherd angestrebten Feminisierung der Armee nicht weit her ist. So sagte Ritter, er kandidiere, weil sich die Frauen der Mitte-Partei für andere Departemente interessierten und «das VBS für sie schwierig ist». Schützenmeister Ritter seinerseits traut sich zu, den Offizieren den Tarif durchzugeben.

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