Dienstag, November 26

Streng geheime Pentagon-Informationen kursieren im Internet und geben Aufschluss darüber, wie Israel den iranischen Raketenangriff auf sein Gebiet vergelten will. Noch ist unklar, ob das Leck auf externe Hacker zurückgeht oder die Unterlagen absichtlich von einem Insider veröffentlicht wurden.

In den USA sind zwei Geheimdienstdokumente, die offenbar geplante Angriffe von Israel gegen Iran beschreiben, geleakt worden. Die Dokumente sind auf den 15. und 16. Oktober datiert und kursieren seit Freitag im Netz. Sie wurden auf einem proiranischen Account namens Middle East Spectator im sozialen Netzwerk Telegram veröffentlicht. Dies sagten drei mit dem Sachverhalt vertraute Personen gegenüber dem amerikanischen Nachrichtensender CNN. Eine von ihnen bestätigte, die als streng geheim klassifizierten Dokumente seien echt.

Detaillierte Berichte über israelische Stützpunkte

Ein amerikanischer Regierungsbeamter sagte gegenüber CNN, das Leck sei zutiefst beunruhigend. Die Unterlagen waren lediglich für die Nachrichtendienste der USA und deren «Five Eyes»-Verbündete Kanada, Grossbritannien, Australien und Neuseeland bestimmt.

Laut dem Nachrichtenportal Axios beschreiben die Dokumente detailliert Vorbereitungsmassnahmen, die in den vergangenen Tagen auf mehreren israelischen Luftwaffenstützpunkten durchgeführt wurden. Dazu gehören die Verlagerung von Luft-Boden-Raketen sowie die simulierte Betankung von Aufklärungs- und Kampfjets in der Luft. «In dem angeblichen Geheimdienstbericht werden auch die Vorbereitungen israelischer Drohneneinheiten für einen Angriff auf Iran beschrieben», heisst es weiter. Ein Dokument, das unter anderem die Verschiebung von Munition beschreibt, stammt offenbar von der National Geospatial-Intelligence Agency, dasjenige über die Verschiebung von Raketen von der National Security Agency. Weder das Pentagon noch die genannten Geheimdienste nahmen bisher zu den Berichten Stellung, dementierten allerdings die Authentizität der Dokumente nicht.

Wenn die Informationen echt sind, weisen sie darauf hin, dass die amerikanischen Geheimdienste die israelischen Vorbereitungen für einen Angriff auf Iran sehr genau verfolgen, auch mit der Satellitenüberwachung von Air-Force-Stützpunkten.

Unklar, ob Hacker von aussen oder Insider dahinterstecken

Iran hatte Israel am 1. Oktober mit 180 ballistischen Raketen beschossen, worauf die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu Vergeltung ankündigte. Die grosse Frage ist, ob Israel auch versuchen wird, iranische Anlagen zum Bau von Atomwaffen zu treffen. Von solchen Plänen ist in den geleakten Dokumenten allerdings nicht die Rede. Tatsächlich hatte Netanyahu vor ein paar Tagen laut amerikanischen Medien der Biden-Regierung versichert, keine Angriffe auf iranische Atom- oder Ölanlagen durchzuführen.

Brisant ist allerdings, dass in den geleakten Dokumenten indirekt die Rede davon ist, dass Israel selbst über Atomwaffen verfügt, was gemeinhin nicht offen eingeräumt wird. In dem entsprechenden Dokument heisst es, es gebe keine Hinweise darauf, dass Israel plane, Nuklearwaffen gegen Iran einzusetzen.

Offen ist auch, ob die Dokumente absichtlich von einem Insider veröffentlicht wurden oder ob jemand die Computer von aussen hackte. Im Zusammenhang mit dem amerikanischen Wahlkampf war wiederholt die Rede davon, dass es Iran gelang, in amerikanische Computersysteme einzudringen. Im August berichteten die Medien darüber, dass Teheran an Informationen aus Trumps Wahlkampfteam gekommen war.

Belastung für das Verhältnis zwischen den USA und Israel

Vor anderthalb Jahren sorgte der Fall eines Militärangehörigen, der absichtlich geheime Dokumente publizierte, für einen Skandal. Der 21-Jährige veröffentlichte Pläne für eine Offensive der Ukraine auf einem geschlossenen Chat auf der Plattform Discord, die vor allem von Videospielern genutzt wird. Von dort aus verbreiteten sich die Informationen im Internet. Erst im April 2023 erfuhr die Öffentlichkeit von dem Leck.

Die Bundespolizei FBI sucht offenbar bereits intensiv nach einem allfälligen Verräter in den Geheimdiensten oder dem Verteidigungsministerium. Im Moment wird untersucht, wer überhaupt Zugang zu den Pentagon-Informationen hatte. Der frühere Vizeverteidigungsminister Mick Mulroy sprach im Zusammenhang mit dem Leck von einem schwerwiegenden Verstoss, der die künftige Koordination zwischen den USA und Israel erschüttern könnte. Denn der Schlüssel zur Zusammenarbeit sei Vertrauen, und das könne Schaden nehmen, je nachdem, wie es zum Leck gekommen sei. Ein anderer Regierungsbeamter sagte gegenüber CNN, die Veröffentlichung der Geheimdienstinformationen sei schlecht, aber nicht schrecklich. Die grosse Sorge sei eher, ob es noch andere Lecks gebe.

Auf jeden Fall kommt das Leck zu einem Zeitpunkt, an dem die Beziehung zwischen Israel und den USA sowieso schon angespannt ist, nachdem Biden Netanyahu wiederholt, aber umsonst zu einem Waffenstillstand gedrängt hat. Allgemein geht man davon aus, dass Israel einen Vergeltungsschlag gegen Iran vor den amerikanischen Wahlen am 5. November terminieren würde.

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