Seit vier Jahren schreibt der Kanton Genf schwarze Zahlen. Zu den Gründen zählen geopolitische Unsicherheiten und aussergewöhnliche Gewinne der Rohstoffhändler.
Der Kanton Genf hat für das Jahr 2024 ein Defizit von 48 Millionen Franken erwartet. Doch er verzeichnete einen Gewinn von 541 Millionen Franken. Damit dürfte der Kanton 2028 zum grössten Beitragszahler des Finanzausgleichs werden und den Kanton Zug überholen. Die derzeitige Genfer Dynamik werde stark durch die geopolitischen Unsicherheiten angekurbelt, sagt Nils Soguel, Professor am Hochschulinstitut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) in Lausanne.
Ein erheblicher Teil der höheren Steuereinnahmen des Kantons stamme von Unternehmen, die im Rohstoffhandel tätig seien. Gunvor, Vitol, Trafigura, Mercuria und Total Energies erzielten in den vergangenen Jahren infolge des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise aussergewöhnlich hohe Gewinne.
International ausgerichtet
Für die Finanzen des Kantons Genf besteht nach Einschätzung von Soguel jedoch das Risiko, dass die Gewinne dieser Handelsunternehmen nach Bewältigung der Krisen zurückgehen. Genf sei noch stärker auf den internationalen Handel ausgerichtet als der Rest der Schweiz. Daher sei der Kanton Änderungen im internationalen Kontext stärker ausgesetzt, im positiven wie im negativen Fall.
Aus Sicht von Soguel sollten konjunkturbedingte Einnahmen nicht dazu verwendet werden, das Budget strukturell aus dem Gleichgewicht zu bringen, beispielsweise durch Steuersenkungen. Neue Defizite müssten dann durch Sparmassnahmen bekämpft werden, da die Möglichkeit, die Kantonsverschuldung weiter anwachsen zu lassen, kaum eine Option sei.
Er erinnerte daran, dass der Kanton Genf mit Schulden von 10,4 Milliarden Franken mit Abstand der am höchsten verschuldete Kanton ist. Doch die Bevölkerung des Kantons Genf hatte im letzten November für eine Steuersenkung gestimmt.
Der Rechnungsabschluss des Kantons Genf war 2024 das vierte Jahr in Folge positiv. Doch die Finanzministerin Nathalie Fontanet wies bei der Präsentation der Rechnung darauf hin, dass sich beim deutlichen Anstieg der Steuereinnahmen, von dem der Kanton in den letzten zwei Jahren profitiert habe, Anzeichen einer Abschwächung zeigten. 2023 gab es einen Rekordüberschuss von fast 1,4 Milliarden Franken, 2022 verzeichnete der Kanton ein Plus von 727 Millionen und 2021 eines von 49 Millionen.
Genf dürfte 2028 gemäss Prognosen des Instituts BAK Economics gut 600 Millionen Franken in den nationalen Finanzausgleich bezahlen. Wenn die Einzahlungen allerdings pro Kopf betrachtet würden, befinde sich der Kanton Genf auf Platz 4, betonte BAK Economics gegenüber der NZZ.
Anreiz für Haushaltsdisziplin
Der föderale Ausgleich beruht auf dem Solidaritätsprinzip. «Es handelt sich um ein Robin-Hood-System, bei dem die wirtschaftlich starken Kantone die finanziell schwächeren Kantone unterstützen», sagt Soguel. Die Formel, mit der dieser Ressourcenausgleich definiert wird, basiert auf einem Dreijahresdurchschnitt, daher kann der Betrag bereits abgeschätzt werden.
Fällig wird er mit einer Verzögerung von vier Jahren. So wird aus den Genfer Überschüssen der Jahre 2022, 2023 und 2024 die Beteiligung des Kantons am Finanzausgleich im Jahr 2028 definiert.
Die Kantone sind gemäss der Bundesverfassung verpflichtet, die berechneten Beiträge zu bezahlen. Das System des Finanzausgleichs hält die Kantone zu einer Haushaltsdisziplin an, denn innert vier Jahren können die Budgets auch in die roten Zahlen geraten.
Die Finanzministerin Fontanet betonte, die Erhöhung des Beitrags an den Finanzausgleich könne aus budgetpolitischer Sicht schwierig zu handhaben sein. Aufgrund der vierjährigen Verzögerung müssten diese Zahlungen in Haushaltsjahre integriert werden, die nicht so gut aussehen würden wie jene, die der Kanton Genf heute kenne.