Donnerstag, Dezember 26

Das Schweizer Eishockey schwankt zwischen Länderspiel-Tristesse und Champions-League-Rausch. Die Schweizer Liga ist erstklassig. Das hilft auf Dauer auch dem Nationalteam.

Es waren Augenblicke für die Geschichte, Momente, die selbst langjährigen Beobachtern den Puls vor Anspannung in die Höhe trieben. Genf/Servette führte im Champions-League-Final gegen Skelleftea aus Schweden 3:2. Noch knapp drei Minuten waren zu spielen. Und Valtteri Filppula, der finnische Stürmer, der in seiner Karriere bereits Stanley-Cup-Sieger, Weltmeister und Olympiasieger war und damit einer von nur 30 Mitgliedern im sogenannten Triple Gold Club ist, sass auf der Strafbank.

Ausgerechnet der 39-jährige Routinier hatte sein Team mit einem Haken in der Offensivzone noch einmal in Gefahr gebracht. Skelleftea drückte mit sechs Feldspielern und ohne Torhüter auf den Ausgleich. Doch der fiel nicht mehr.

Als zweites Schweizer Team nach den ZSC Lions 2009 gewann Genf/Servette am Dienstagabend die Eishockey-Champions-League. Gegen 10 000 Menschen feierten im und beim Public Viewing vor dem Stadion ihr Team. Genau 300 Tage nach dem ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte im vergangenen Frühjahr im Play-off-Final gegen den EHC Biel krönte sich Genf/Servette auch zum Champion Europas.

Es ist eine Sternstunde des Schweizer Eishockeys, ein Ereignis, wie es für den Schweizer Fussball unvorstellbar ist. Zu überlegen ist dort die internationale Konkurrenz. Vor einem Jahr erreichte der FC Basel die Halbfinals der European Conference League, des drittwichtigsten Wettbewerbs im europäischen Klubfussball, und scheiterte dort am italienischen Vertreter Fiorentina. Weiter hat es noch kein Schweizer Vertreter gebracht.

Ohne Finalqualifikation hätte für Genf/Servette ein Verlust resultiert

Eishockey ist nicht Fussball, und gerade zwischen den internationalen Wettbewerben der beiden Sportarten liegen Welten. Der FC Basel verdiente vor einem Jahr mit seinem Erfolg rund 9 Millionen Franken an Preisgeldern. Hätte er sich für den Final qualifiziert, wären noch einmal mindestens 2 Millionen dazugekommen. Servette erhält für seinen Sieg einen Check von 250 000 Franken. Ohne die Finalqualifikation wäre der Wettbewerb für den Klub wegen der hohen Reisekosten zum Verlustgeschäft geworden.

Die Champions Hockey League ist als Aktiengesellschaft organisiert, an der 26 Klubs (63 Prozent), 6 europäische Ligen (25) und der internationale Verband (12) beteiligt sind. Das gesamte Preisgeld beträgt 2,5 Millionen Franken. Patrick Lengwiler, der CEO des EV Zug, sitzt als Klubvertreter im Führungs-Board der Liga. Er sagt, solange der Vertrag mit dem derzeitigen Vermarkter Infront laufe (2028), könne man nicht mit höheren Preisgeldern rechnen. «Doch wir haben in den Jahren, in denen wir mit dem EVZ mitgespielt haben, nie einen operativen Verlust gemacht.» In der Gruppenphase ist das Interesse am Wettbewerb nicht ganz so hoch. In Zug kamen zu den Gruppenspielen zwischen 3500 und 4500 Zuschauer. In der Meisterschaft liegt der Schnitt bei 7000. Ausverkaufte Arenen wie am Dienstag in Genf gibt es erst in der entscheidenden Phase.

Highlights | Genève-Servette vs Skellefteå AIK

Trotzdem ist bisher jeder Versuch, einen europäischen Klubwettbewerb im Kalender zu etablieren, eher früher als später gescheitert. Im Gegensatz zum Fussball fehlt im Eishockey den europäischen Spitzenteams die Bekanntheit. Tappara Tampere oder Skelleftea haben nicht den Klang der Namen von Real Madrid oder Manchester United.

Den unterschiedlichen Voraussetzungen in Fussball und Eishockey zum Trotz: Die Euphorie im Sport lässt sich nicht an der Höhe des Preisgeldes messen. Wer die Begeisterung in den Gesichtern der Genfer Spieler und ihrer Fans gesehen hat, der wird nicht behaupten, der Titel habe für sie weniger Bedeutung gehabt, weil es nicht um Millionen ging. Für den Genfer Anhang bedeutete der Titel die Welt. Der Trainer Jan Cadieux sagte nach dem Match, der Sieg sei der Lohn für die harte Arbeit, die sein Team in den vergangenen eineinhalb Jahren geleistet habe.

Beobachter der Schweizer Eishockey-Szene fühlten sich in zwei Welten versetzt. Vor zehn Tagen hatte das Nationalteam mit dem Coach Patrick Fischer in Schweden einen glanzlosen Auftritt hingelegt und die Niederlagen Nummer 9 bis 11 in Folge erlitten. Beim 2:5 gegen Schweden musste das Team eine wahre Lehrstunde über sich ergehen lassen. Fischer war im hohen Norden eine Auswahl zur Verfügung gestanden, die ein führender Verbandsfunktionär als «Schweiz C» bezeichnete. Entsprechend chancenlos war sein Team auch gewesen.

Der Segen der starken Ausländer

Die nationale Meisterschaft gehört im Eishockey anders als im Fussball zu den führenden Europas. Seit dem Ausschluss der russischen KHL wegen des Ukraine-Kriegs ist das sportliche Niveau in ihr noch einmal gestiegen. Ausserhalb der NHL und der KHL sind die Löhne nirgendwo höher, die Lebensumstände nirgendwo besser als hier. Deshalb strömen die Topausländer wie Servettes finnische Weltmeister und Olympiasieger Jussi Olkinoura, Sami Vatanen, Teemu Hartiainen oder Sakari Manninen in die National League.

Die hochkarätigen Ausländer, die unter anderem führende Verbandsfunktionäre als «Hypothek für die Schweizer Spieler» sehen, weil sie diesen die Plätze wegnähmen, sind in Tat und Wahrheit ein Segen für das Schweizer Eishockey und haben das Niveau in der Liga noch einmal markant angehoben. Über kurz oder lang wird von dieser Entwicklung auch die Nationalmannschaft profitieren.

Genf sonnt sich deshalb im Stolz über den Erfolg seiner Adler, der auf finnischem Handwerk basiert. Der ehemalige Präsident Marco Torriani meldete sich in der Nacht auf Mittwoch per Mail aus Südafrika bei der NZZ und schrieb: «Wer hätte so etwas erträumt. Man kann nur stolz sein auf diese Jungs und vor allem auf Jan Cadieux. Jetzt hat der Klub nach einem Cup-Titel in den 1950er Jahren, zwei Spengler-Cup-Siegen und einem Meistertitel noch einen Europacup-Titel errungen. Fabelhaft, unglaublich. Es ist höchste Zeit, sich einen schönen Pokalkasten zuzulegen.» Die Euphorie am Genfersee ist grenzenlos.

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