Mittwoch, November 27

Die Transformation des Industrieunternehmens kommt gut an und auch das Umfeld könnte sich 2025 aufhellen. Ausserdem: Spielereien bei Nestlé, übertriebener Pessimismus bei Emmi, Bachem verströmt Zuversicht und ein Wort zu Sunrise und Baupost.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Sich selbst reinigende Katzenklos sind von gestern. Wer seinem vierbeinigen Liebling etwas Gutes tun will, kauft gleich das Monitoringsystem von Purina. Dank einer Kontaktplatte unter dem Kistchen weiss Frauchen stets, wann, wie oft und selbst wie lange die Katze das stille Örtchen aufsucht – und das Ganze in Echtzeit: Selbstverständlich ist das Gerät dank einer entsprechenden App mit dem Smartphone verbunden.

Damit können die Haustierbesitzer nicht nur ihren Überwachungstrieb ausleben oder die Säuberungszeiten optimieren, laut Herstellerin Nestlé hat das neuartige System auch einen gesundheitlichen Nutzen. So wird – künstlicher Intelligenz sei Dank – festgestellt, ob das Verhalten vom üblichen Muster abweicht, was auf Erkrankungen der Harnwege hindeuten kann. Kostenpunkt: 150 $ in den USA, inklusive Nutzung der Handyapplikation. Noch nicht eingerechnet: Das Spezialfutter oder die Nahrungsergänzungsmittel, die das pelzige Familienmitglied gegen seine Nierensteine dann bekommt.

Und klar, hier wittert Nestlé das Geschäft.

Das intelligente Katzenklo ist nur eine von mehreren KI-Anwendungen, die Nestlé anlässlich ihres Kapitalmarkttages vergangene Woche in den Fokus gerückt hat. Auch für den tierlosen Haushalt ist etwas dabei. Zum Beispiel bietet der Konzern nicht nur eine Reihe von Fertigprodukten und Marinaden, sondern auch Rezepte direkt auf die App für die Heissluftfriteuse, neudeutsch Airfryer. Sie wissen – wie ich vor der Präsentation – nicht wirklich was das ist? Hier geht es zum Video.

«Always on digital» nennt der neue CEO Laurent Freixe die Einbindung von KI, Influencern und neuen E-Commerce-Kanälen. Und wahrscheinlich gibt es für Nestlé tatsächlich keinen Weg an diesen Trends vorbei, will sie auch beim jüngeren Publikum relevant bleiben. Aber am Schluss sind viele Spielereien dabei – und nicht alles klappt so, wie von den Tüftlern aus Lausanne erhofft. Die grösste Herausforderung der Kaffeemaschine, die sich per Smartphone aus dem Bett bedienen lässt: der Mensch. Die Kaffeeliebhaber vergessen zu oft eine Kaffeetasse bereitzustellen.

Apropos Nestlé. Die Aktien kommen auch nach dem Strategieupdate von vergangener Woche nicht in Schwung, seit Jahresbeginn resultiert an der Börse ein Minus von 25%.

Das ist nicht nur den hausgemachten Problemen beim weltgrössten Nahrungsmittelkonzern geschuldet, das Umfeld ist derzeit grundsätzlich schwierig. Der gesamte Sektor kämpft nach der hohen Inflation in den USA und in Europa mit der schwachen Kaufkraft und dem harten Wettbewerb. So ist insbesondere in den Industrieländern eine Wachstumsdelle zu befürchten. Vergangene Woche lastete ausserdem der Vorschlag des künftigen US-Präsidenten, Robert F. Kennedy Jr. zum neuen Gesundheitsminister zu machen, auf den Aktien von Lebensmittelherstellern. Kennedy ist ein erklärter Gegner von Fertiggerichten und Fast Food.

Dieses Umfeld spiegelt sich auch bei Emmi. Die Aktien des Milchverarbeiters notieren auf dem niedrigsten Stand seit Ende 2022.

Einen unternehmensspezifischen Grund dafür sehe ich nicht. Die durchschnittliche Gewinnschätzung der bei Bloomberg erfassten Analysten für 2024 ist zuletzt stabil geblieben, die für 2025 wurde gar angehoben. Klar, das basiert nur auf einer Handvoll Stimmen, aber auch an der Unternehmenskonferenz der Zürcher Kantonalbank vor zwei Wochen hat das Management, wie ich höre, einen überzeugenderen Eindruck hinterlassen, als der Aktienkurs suggerieren würde.

Gut möglich, dass die Aktien damit in ein altes Muster zurückfallen: Bis zum grossen Boom während der Pandemie schlich sich im Herbst immer etwas Pessimismus am Markt ein, die Titel fielen. Das hat auch mit der Unternehmenskommunikation zu tun. Emmi publiziert nur zum Gesamt- und Halbjahr Zahlen, weswegen die Zeit zwischen August und Januar oft von grosser Unsicherheit geprägt ist. Mit der Publikation der Umsatzzahlen Anfang Jahr gelang es dem Unternehmen dann regelmässig die Erwartungen deutlich zu übertroffen. Hoffentlich aus dieses Mal.

Georg Fischer hat vergangene Woche wie bereits angekündigt zwei Anleihen platziert. Die Transaktion mit einem Gesamtvolumen von 650 Mio. Fr. kam am Markt gut, zu den gebotenen Konditionen hätte das Industrieunternehmen auch mehr aufnehmen können. Mit den Mitteln wird es den Überbrückungskredit refinanzieren, der Teil der Finanzierungsstruktur bei der Übernahme von Uponor im vergangenen Jahr war.

Das rege Interesse unterstreicht aus meiner Sicht die Unterstützung und Zuversicht der Investorinnen mit Blick auf die Strategie von GF. Vor knapp vier Wochen hat das Unternehmen die Veräusserung des Maschinenbaus (Machining Solutions) an United Grinding kommuniziert, noch 2025 soll auch das Gussgeschäft (Casting Solutions) verkauft werden. Damit entsteht in Schaffhausen ein auf Wasser- und Strömungslösungen (Piping Systems) fokussiertes Unternehmen. Dank den Veräusserungen sinkt die Verschuldung auf ein akzeptables Niveau, bis Ende 2025 könnte das Verhältnis von Nettoschulden zum Betriebsgewinn auf Stufe Ebitda deutlich unter 2 sinken.

Positiv eingestellt ist auch die Zürcher Kantonalbank. Analyst Walter Bamert stuft die Aktien neu mit «Übergewichten» ein, bei einem fairen Preis von 83.60 Fr. Seit der Ankündigung der neuen Strategie sind die Titel bereits im Aufwind.

Bamert sieht das Potenzial von Piping Systems: In den vergangenen zehn Jahren habe die Division mit durchschnittlich 11,6% eine doppelt so hohe Marge auf Stufe Ebit erwirtschaftet als Machining und Casting Solutions. Nachdem die Übernahme von Uponor bisher vor allem gekostet habe – die Einmalkosten dürften sich 2024 auf über 40 Mio. Fr. belaufen –, rechnet er mit Blick auf die kommenden Jahre vor allem mit Kostensynergien. 2027 sollen diese 40 Mio. bis 50 Mio. Fr. betragen.

Gleichzeitig soll sich das Wachstum auch dank kleinerer Übernahmen auf rund 8% jährlich beschleunigen, will GF bis 2030 ein Umsatzziel von 5 Mrd. Fr. erreichen. Dem zugrunde liegt gemäss der Einschätzung von ZKB eine Erholung der Endmärkte. Die Bautätigkeit dürfte dank dem Bevölkerungswachstum, der Urbanisierung, den Bemühungen mit Blick auf den Klimawandel und der steigenden Kaufkraft laut Bamert 2025 an Fahrt gewinnen. «Damit steigt der Bedarf an Rohrleitungen für Versorgung, Entsorgung und Gebäudetechnik überproportional.»

Es war nur ein kurzes Aufleben. Anfang November kam etwas Bewegung in den Aktienkurs von Bachem, der seit August währende Abwärtstrend schien gebrochen. Doch der Effekt verpuffte schnell.

In der schlechten Börsenperformance – insbesondere auch relativ zu den Aktien anderer Schweizer Pharmaauftragsfertiger – spiegeln sich wohl Zweifel der Investoren am Produktionsausbau. Der Kapitalmarkttag vergangene Woche drehte sich denn auch im Wesentlichen um das Hochfahren der Produktion in Gebäude K im aargauischen Eiken 2025, Sisslerfeld ist das Kernstück von Bachems Wachstumsstrategie. Statt wie einst geplant im letzten Sommer, Ende 2024 oder in der ersten Hälfte des kommenden Jahres wird die kommerzielle Produktion für Kunden wohl erst gegen Ende 2025 auf Touren kommen.

Trotz der Verzögerungen ist das Unternehmen aber zuversichtlich: Alles sei auf das Sisslerfeld ausgerichtet. Die Produktionslinie für den ersten Kunden befinde sich bereits in der Inbetriebnahme- und Validierungsphase. Damit wird laut dem Management auch der Grundstein für die nächsten Einheiten und Kunden gelegt, womit die nächsten Schritte weniger Zeit in Anspruch nehmen dürften. Namen darf Bachem keine nennen, Analystinnen und Investoren gehen aber davon aus, dass bei den Gesprächen auch Eli Lilly und Novo Nordisk dabei sind.

Das Ziel, bis 2026 einen Umsatz von 1 Mrd. Fr. zu erzielen, hat Bestand, ebenso die Ambition einer Ebitda-Marge von mehr als 30%. Das wäre eine deutliche Steigerung: 2023 betrug der Gesamterlös 577 Mio. Fr. und die Marge lag bei 28,9%. Wobei gerade für die operative Effizienz ein Rund-um-die-Uhr-Betrieb und eine vollständige Auslastung gewährleistet sein müssen – und bis dahin dauert es wohl noch eine ganze Weile.

Aus meiner Sicht sind die Ziele zwar sehr ambitioniert, insbesondere wenn man sich die bisherigen Schwierigkeiten vergegenwärtigt. Weiterhin ist aber viel Negatives im Aktienkurs eingepreist, wie ich bereits vor einigen Wochen dargelegt habe. Denn strukturell ist die Nachfrage nach Peptiden und damit nach Herstellungskapazität ungebrochen hoch und wächst schnell. Dies hauptsächlich dank neuartiger Medikamente im Kampf gegen Volkskrankheiten wie starkes Übergewicht oder Diabetes sowie Krebs und dem Trend hin zu komplexeren Wirkstoffen. Diese benötigen Peptide nicht mehr nur in Kleinstmengen, sondern tonnenweise. Umso mehr braucht es die Produktion in Eiken; als Weltmarktführerin dürfte Bachem mittelfristig klar profitieren.

«US-Milliardär nistet sich bei Börsen-Rückkehrer Sunrise ein», war in den vergangenen Tagen auf einer Schweizer Börsenplattform zu lesen, «Einstieg des US-Investors Seth Klarman», las ich andernorts. Hintergrund der Meldungen: Der Bostoner Value-Investor hält mit seiner Beteiligungsgesellschaft Baupost Group gemäss einer Pflichtmeldung der SIX Exchange Regulation 9,76% an der Telecomgruppe Sunrise.

Natürlich wird man da hellhörig. Klarman ist eine Legende in der Welt der Value-Investoren, sein Buch «Margin of Safety» (1991) ist für mich eine Bibel. In der regelmässigen Übersicht über die Portfolios amerikanischer Top-Investoren führt mein Kollege Christoph Gisiger die Positionen von Klarman immer auf.

Aber ist der Value-Investor wirklich neu bei Sunrise eingestiegen? Nein. Baupost ist der mit Abstand grösste Aktionär von Liberty Media, dem vormaligen Mutterhaus von Sunrise. Mehr als 30% seines Portfolios hat Klarman in Liberty Media investiert. Sunrise wurde über einen Spin-off an die Börse gebracht, das heisst, die bisherigen Aktionäre von Liberty Media haben proportional Anteile an Sunrise erhalten. Wenn ich nun überschlagsmässig den Anteil von Baupost an Liberty berechne, dann entspricht sein gemeldeter Sunrise-Anteil eins zu eins seiner Position in den Titeln des Mutterhauses.

Klarman ist also nicht neu bei Sunrise eingestiegen. Er hat einfach die aus dem Spin-off erhaltenen Anteile nicht verkauft. Persönlich würde es mich nicht überraschen, wenn Klarman in den kommenden Monaten sukzessive seinen Anteil an Sunrise verkaufen würde. Sein Portfolio ist primär auf die USA ausgerichtet; ich kann mir nicht vorstellen, dass Sunrise da langfristig hineinpasst. Aber das ist nur eine Spekulation meinerseits. On verra.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Gabriella Hunter

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