Montag, November 18

Der geplante Teilverkauf der Consumer-Healthcare-Sparte Opella des französischen Pharmakonzerns Sanofi an den amerikanischen Investor CD&R entfacht in Frankreich heftige Diskussionen.

Diese kleine gelbe Schachtel fehlt in keinem französischen Haushalt. Mehr als 400 Millionen Packungen des rezeptfreien Schmerzmittels Doliprane gehen in Frankreich jährlich über die Ladentheke. Das auf Paracetamol-Basis hergestellte Medikament ist das meistverkaufte im Land und für viele fast schon ein nationales Gut.

So gingen am vergangenen Freitag denn auch wenig überraschend die Emotionen hoch, als der französische Pharmariese Sanofi bekanntgab, mit der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft Clayton, Dubilier & Rice (CD&R) über einen Teilverkauf seiner Tochtergesellschaft Opella zu verhandeln. Opella ist die Consumer-Healthcare-Sparte von Sanofi. Sie produziert Doliprane, aber auch andere beliebte Mittel gegen Migräne, Magenschmerzen oder Verstopfung wie Thomapyrin, Maalox und Dulcolax.

«Ausverkauf Frankreichs»

Sanofi teilte mit, dass es bei den Gesprächen mit CD&R um den «möglichen Verkauf» einer 50-prozentigen Beteiligung an seinem Opella-Geschäft gehe – und löste damit in der Politik einen Sturm der Empörung aus. «Wir stehen vor einem erneuten Verkauf eines französischen Industrie-Flaggschiffs. Das ist weder gut für die Gesundheit der Franzosen noch gut für die Arbeitsplätze», erklärte der konservative Abgeordnete Guilhem Carayon.

«Der Ausverkauf Frankreichs geht weiter», wetterte Jordan Bardella vom rechtsnationalistischen Rassemblement national. Und Oliver Faure, der Parteichef der Sozialisten, forderte, dass der französische Präsident Emmanuel Macron sich doch besser um Doliprane statt um die Netflix-Serie «Emily in Paris» kümmere. Macron hatte in einem Interview mit der Zeitschrift «Variety» kürzlich gesagt, ihm sei es für das Image des Landes wichtig, dass die bekannte Serie nicht nach Rom abwandere.

Opella beschäftigt rund 11 000 Mitarbeiter, davon 1700 in Frankreich. Betroffen von einem möglichen Stellenabbau wären nach Angaben der Gewerkschaft CGT 900 Mitarbeiter an den Produktionsstandorten Lisieux im Département Calvados und Compiègne im Département Oise. Die Regierung entsandte am Montag prompt die neuen Minister für Wirtschaft und Industrie, Antoine Armand und Marc Ferracci, nach Lisieux, um die Belegschaft zu beruhigen.

Man werde «sehr präzise Bedingungen» an Sanofi und CD&R richten für den Fall, dass der Verkauf stattfinde, kündigte Armand an. Dazu, so versprach er, gehörten Garantien für den Erhalt von Arbeitsplätzen und Produktionsvolumen sowie die Verpflichtung, Forschung und Entwicklung im Land zu belassen. Würden diese Bedingungen nicht erfüllt, könne die Regierung immer noch das Geschäft blockieren oder eine Beteiligung übernehmen, um Frankreichs Interessen zu schützen.

Weder Sanofi noch das Wirtschaftsministerium wollten auf Nachfrage der Zeitung «Libération» präzisieren, für welche Dauer die Garantien vorgesehen seien. Ihre erste Feuertaufe als Minister, die sich anschicken, eines von vielen schwelenden Industrieproblemen zu lösen, haben Armand und Ferracci damit mehr schlecht als recht bestanden. Ein Sprecher der Gewerkschaft rief am Montag zum Streik auf.

Der geplante Teilverkauf der Sanofi-Sparte ist auch deswegen für viele Franzosen schwer zu schlucken, weil er die Idee der «souveraineté sanitaire», der gesundheitlichen Souveränität, zu bedrohen scheint, die Macron nach den Erfahrungen aus der Pandemie ausgerufen hatte. Es gab ambitionierte Pläne, um die Produktion wichtiger Medikamente wieder ins Land zurückzuholen und die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten zu reduzieren. Man müsse sich Sorgen machen, ob diese Anstrengungen nun wieder zunichtegemacht würden, sagte die Gesundheitsökonomin Nathalie Coutinet im Sender France Info.

Branchenweiter Trend

Coutinet hält das Risiko einer Auslagerung aus Kostengründen für imminent. Derzeit wird Paracetamol überwiegend in Asien eingekauft. Eine mit staatlichen Mitteln subventionierte Fabrik in Roussillon, südlich von Lyon, wird ihre Produktion nicht vor Sommer 2025 aufnehmen. Doch was, wenn sich die Aktionäre dann dafür entscheiden, mit Wirkstoffen fortzufahren, die aus Indien oder China stammen?

Nach Angaben der französischen Wirtschaftszeitung «Les Échos» winken Sanofi bei dem Teilverkauf von Opella an CD&R 15,5 Milliarden Euro. Ebenfalls gebuhlt um den 50-Prozent-Anteil hatte der französische Investor PAI Partners. Der Schritt sei Teil einer grösseren Strategie, um sich stärker auf die Entwicklung neuer Medikamente zu konzentrieren, heisst es in der Pariser Konzernzentrale von Sanofi.

Tatsächlich folgt der Konzern damit einem branchenweiten Trend, bei dem Pharmaunternehmen ihre Consumer-Health-Sparten abspalten oder verkaufen, um sich auf forschungsintensive und margenstärkere Bereiche wie innovative Arzneimittel und Biopharmazeutika zu konzentrieren. Der Basler Pharmakonzern Novartis gab 2023 seine Generika-Sparte an Sandoz ab und brachte sie als eigenständiges Unternehmen an die Börse. Zuvor hatte sich das britische Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline von seiner Tochtergesellschaft Haleon getrennt.

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