Dienstag, Februar 25

Die Parlamentsarbeit hat Vorrang vor einem Fototermin, und Bundespolizisten sollen Ratsmitglieder anständig behandeln: Die Ständeratskommission setzt im Immunitätsfall neue Akzente.

Es war die Aufregung der letzten Sommersession: Im Parlamentsgebäude kam es an einem Junitag zu einem Handgemenge zwischen den SVP-Nationalräten Thomas Aeschi und Michael Graber einerseits und zwei Bundespolizisten anderseits. Die Politiker wurden von den schwerbewaffneten Polizisten niedergerungen, als sie die Haupttreppe, die zu den Ratssälen führt, benutzen wollten. Die Treppe war in diesem Moment gesperrt, weil der ukrainische Parlamentspräsident zu Besuch war und der damalige Nationalratspräsident Eric Nussbaumer mit ihm vor den drei Eidgenossen in der Eingangshalle für ein Foto posierte.

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Diplomatisch verpackte Rüge

Die Meinungen zum unrühmlichen Vorfall waren schnell gemacht. Der Tenor ging dahin, dass die SVP-Politiker sich unmöglich verhalten hätten und die Schuld allein bei ihnen liege. Vereinzelt wurde moniert, dass es nicht angebracht gewesen sei, mitten in einer laufenden Session ein derart scharfes Sicherheitsdispositiv aufzuziehen. Und noch vereinzelter wurde kritisiert, dass die Polizisten überreagiert hätten.

In der Folge wollte die Bundesanwaltschaft gegen Aeschi und Graber eine Untersuchung wegen Hinderung an einer Amtshandlung einleiten. Doch daraus wird nichts: Nach der zuständigen Nationalratskommission lehnt es auch die zuständige Ständeratskommission ab, die Immunität der beiden Parlamentarier aufzuheben. Und das mit grosser Mehrheit.

Interessant ist die Begründung. Es habe an jenem Tag ein «mehrfaches Kommunikationsproblem» vorgelegen, sagte der Kommissionspräsident Daniel Jositsch am Dienstag vor den Medien. Man bezweifle, dass die Ratspräsidien die Parlamentarier ausreichend klar darüber informiert hätten, dass ein Staatsbesuch stattfinde und der Treppenbereich gesperrt sei. Und überhaupt habe während einer Session die Parlamentsarbeit Vorrang vor einem Fototermin, sagte Jositsch – was man als diplomatisch verpackte Rüge an die Adresse von Nussbaumer interpretieren kann.

Auch das unzimperliche Verhalten der Bundespolizisten gegenüber den gewählten Volksvertretern stösst bei den Ständeräten auf Kritik. Die beiden Polizisten hätten «nicht besonders adäquat und verhältnismässig» reagiert. Man müsse die Gefährdungslage und das Risiko innerhalb des Parlamentsgebäudes richtig einschätzen können, so Jositsch. «Oder anders gesagt: Man hätte das Problem eleganter lösen können.» Der vielgescholtene Aeschi und sein Ratskollege Graber dürften die Ausführungen der Kommission als eine Art Ehrenrettung empfinden.

Glarner und die sozialen Netzwerke

Die Kommission will auch in einem weiteren Immunitätsfall eine inhaltliche Justierung vornehmen. Es geht um den Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Er hatte einen Post auf der Plattform X verbreitet, in dem er sich – nach zwei Messerattacken, verübt von Männern aus Syrien und Afghanistan – kritisch gegenüber dem Islam äusserte. Gegen den Politiker gingen daraufhin Anzeigen wegen Rassendiskriminierung ein. Die Staatsanwaltschaft Bern stellte dem Parlament ein Gesuch, die Immunität von Glarner aufzuheben, um ein Strafverfahren einleiten zu können.

Die Nationalratskommission wollte dem Gesuch Folge leisten, mit einer erstaunlichen Begründung: Glarners Äusserung stehe in keinem direkten Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit und verdiene deshalb keine Immunität. Parlamentarier sollten nicht gegenüber Privaten privilegiert werden, wenn sie sich in den sozialen Netzwerken äusserten.

Mit dieser Argumentation ist die Ständeratskommission nicht einverstanden. Sie findet es nicht angebracht, danach zu unterscheiden, ob ein Parlamentarier sich am Radio oder am Fernsehen, in einem Zeitungsinterview oder in den sozialen Netzwerken äussere. Die Sache geht zurück an die Immunitätskommission des Nationalrates. Ob sich Glarner der Strafjustiz stellen muss, ist damit weiterhin offen.

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