Mittwoch, November 12

Nach der Wahl der Abgeordneten hat sich am Donnerstag die neue Nationalversammlung offiziell konstituiert. Die Wiederwahl von Yaël Braun-Pivet als deren Präsidentin bestätigt den Regierungsanspruch der Parteien, die Präsident Macron unterstützen.

Da Präsident Emmanuel Macron vorderhand keinen neuen Premierminister ernannt und mit der Bildung einer Regierung beauftragt hat, bleiben Gabriel Attal und sein Ministerkabinett bis auf weiteres als Geschäftsführende im Amt. Die Wahl des Vorsitzes der Nationalversammlung, der als Erstes bei der konstituierenden Sitzung der neu zusammengesetzten Kammer zu besetzen war, wurde wie erwartet zu einem Test.

Keiner der drei politischen Blöcke – die Linksparteien des Nouveau Front Populaire (NFP), die Macronisten (Renaissance, Modem, Horizon) und die mit einem Teil von Les Républicains alliierten Rechtspopulisten des Rassemblement national (RN) – hatte eine Mehrheit als Ausgangslage der Wahl, die in drei Runden angesetzt war. Da in den ersten beiden Durchgängen niemand mehr als 50 Prozent der Stimmen erreichte, musste der dritte mit einer relativen Mehrheit entscheiden.

Lage für Macron hellt sich auf

Dass am Ende die bisherige Präsidentin der Nationalversammlung Yaël Braun-Pivet nur knapp gegen den Kommunisten André Chassaigne wiedergewählt wurde, verdankt sie einer Absprache zwischen der Macron-Partei Renaissance und der Fraktion der Konservativen (La Droite républicaine, LDR). Schon in den ersten beiden Durchgängen hatten sich die beiden ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert.

Bei der Wahl der Vorsitzenden der Assemblée sind neue Kräfteverhältnisse deutlich geworden. Mit dieser Mitte-rechts-Allianz gegen die Linke und gegen die Rechtspopulisten, die im Parlament möglich wurde, könnte sich auch eine eventuelle Koalition zur Regierungsbildung abzeichnen. Die Lage für Präsident Macron, der mit einer schier unregierbaren Kammer konfrontiert war, scheint sich damit ein wenig aufzuhellen. Die linke Volksfront aus Sozialisten, Kommunisten, Grünen und La France insoumise, die sich als Siegerin der Wahlen vom 7. Juli betrachtet, hat sich jedoch nicht damit abgefunden, bereits wieder in der Opposition zu sitzen.

Keine andere Partei unterstützt den Kandidaten des Rassemblement national

Sechs Kandidaturen standen zu Beginn zur Auswahl. Die linke Volksfront NFP hatte sich am Vortag überraschenderweise auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt: auf den Kommunisten André Chassaigne. Mit seiner parlamentarischen Erfahrung als Abgeordneter seit 2002 und auch mit seiner umgänglichen Art überzeugte er nicht nur seine Kollegen der Kommunistischen Partei, sondern auch die Sozialisten, die Grünen und die «Unbeugsamen» von La France insoumise. Da der NFP-Block in der Nationalversammlung mehr Sitze zählt als jene der Mitte und der Rechten, glaubte die Linke auch, nicht nur Anspruch auf die Regierungsverantwortung, sondern auch auf diesen wichtigen Posten des Parlaments erheben zu dürfen.

Im Namen der Macronisten-Parteien Renaissance und von Modem kandidierte die bisherige Präsidentin der Assemblée, Yaël Braun-Pivet, für ihre Wiederwahl. Die vom früheren Premierminister Édouard Philippe gegründete Partei Horizon portierte Naïma Moutchou als Konkurrenz, sie zog sich aber nach dem ersten Durchgang zurück, wie ebenfalls der Kandidat von La Droite républicaine Philippe Juvin. Der unabhängige Zentrist Charles de Courson verzichtete erst nach der zweiten Wahlrunde. Bis zuletzt blieb der RN-Vizepräsident Sébastien Chenu im Rennen; er blieb aber auf dem dritten Platz, ohne Stimmen aus anderen Fraktionen hinzugewonnen zu haben.

Der Vorsitzende der Nationalversammlung ist in der Rangordnung der Republik nach dem Staatsoberhaupt, dem Premierminister und dem Senatspräsidenten die vierte Persönlichkeit und eine Schlüsselfigur, die regelmässig vom Staatschef zu Konsultationen beigezogen wird. Seine Rolle beschränkt sich nicht darauf, die Debatten im Ratssaal zu leiten und über die Einhaltung der Regeln zu wachen. Er ernennt zudem drei Mitglieder der Aufsichtsbehörde der Justiz sowie ein Mitglied des obersten Verfassungsgerichts und kann selber umstrittene Gesetzesvorlagen dem Urteil der Verfassungsrichter unterbreiten.

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