Mittwoch, Januar 8

Keine andere Partei in der Schweiz ist so geprägt von ihrem Präsidenten wie die ehemalige CVP. Für die Mitte selbst steht die grosse Bewährung an.

Gerhard Pfister ist der eloquenteste aller Parteipräsidenten – und der wendigste. Noch vor wenigen Jahren wollte er aus der damaligen CVP eine abendländische Wertepartei formen: Das Christentum, dieser Himmelsanker des Politisierens, hätte dabei eine tragende Rolle gespielt.

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Doch die Idee floppte, und Pfister orientierte sich neu. Gemeinsam mit Martin Landolt, dem damaligen Präsidenten der BDP, leitete er die Fusion der beiden Parteien ein. Aus der CVP und der BDP wurde die Mitte. Nun zeigte sich das politische Genie des Zugers. Sogar in den christlich-konservativen Stammlanden in der Zentralschweiz liessen die Kantonalparteien das C fallen. Sie schlüpften aus der CVP wie aus einer alten Haut und wurden zur Mitte.

Gemeinsam mit seiner kongenialen Generalsekretärin, Gianna Luzio, bediente Pfister danach jeden Schalter der Polit-Mechanik. Mit dem Namen CVP liess er auch den Anspruch hinter sich, eine der Konkordanz verpflichtete Regierungspartei zu sein, die gemeinsam mit anderen Parteien für mehrheitsfähige Lösungen sorgt.

Pfister schaute sich bei der SVP ab, wie man auf zwei, drei schlagkräftige Themen setzt und das Mittel der Polarisierung zum Stimmengewinn nutzt, und polarisierte fortan kräftig. Bei der SVP geht es in der Regel um Zuwanderung und Sicherheit, die Mitte hat den Sozialpopulismus für sich entdeckt. Pfister weiss natürlich, dass Ideen wie eine höhere Ehepaarrente die öffentliche Hand über Gebühr strapazieren. Aber er hat schon vor längerer Zeit beschlossen, dass sich die Mitte nicht um Finanzierungsfragen kümmern kann, wenn sie sich behaupten will. Um das Geld sollen sich bitte schön andere Parteien kümmern – allen voran die FDP, die er vor den nationalen Wahlen 2023 zum natürlichen Feind erklärt hat.

In der Schweiz gibt es wenige, die das Funktionieren der politischen Schweiz so gut verstehen wie Pfister. Und es gibt noch weniger, die ihre eigenen Überzeugungen so schnell zur Seite stellen, wenn die Überzeugungen anderer dem politischen Erfolg nützlicher sind.

Dass die Vereinigung von Mitte und BDP ein Erfolg wurde, ist vor allem der Person Pfister und dessen Wendigkeit zu verdanken. Er entnahm zwei Auslaufprodukten die besten Teile und fügte sie zu einem neuen, dem Zeitgeist genehmen Nachfolgeprodukt zusammen.

Pfister und Luzio machten das so gut, dass sie sich Dinge leisten konnten, die eine Partei wie die FDP regelmässig in die Selbstzerfleischung stürzen: Listenverbindungen mit der SVP eingehen, zum Beispiel, oder muntere politische Kehrtwenden vollziehen.

Es ist kein Geheimnis, dass Pfister gerne Bundesrat geworden wäre und wohl auch gerne noch Bundesrat werden möchte. Viola Amherd wird demnächst als Bundesrätin zurücktreten. Pfister macht sich bereit. Ob er wirklich gewählt wird oder nicht, spielt taktisch keine Rolle. Fortan wird jedes Spekulieren über den Sitz der Mitte und den zweiten Sitz der FDP (den die Mitte gerne hätte) vom Namen Gerhard Pfister begleitet sein. Er wirft seinen Schatten voraus; auf die nächsten Bundesratsersatzwahlen. Klug, den richtigen Moment erwischt, schneller als die Konkurrenz – typisch Pfister.

Für die Mitte steht deshalb die grosse Bewährung erst an. Denn neben Gerhard Pfister gibt es nur wenige Namen, die landesweit bekannt sind. Die wichtigste Aufgabe von Pfisters Nachfolger wird deshalb sein, der Mitte so etwas wie Identität, eine DNA und eine klare politische Linie zu geben. Denn ein vielteiliges Ungefähres zu präsidieren, aber so zu tun, als sei es ein grosses Ganzes – das kann nur Gerhard Pfister.

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